Sticken, so wird Lady Henderson von einer Freundin empfohlen, sei eine angemessene Beschäftigung für alte Witwen. Doch das ist der vermögenden Mrs. Henderson, die gerade ihren Mann beerdigt hat, zu öde. Stattdessen kauft sie gegen Ende der 30er Jahre ein heruntergekommenes Theater, engagiert einen erfahrenen Impresario und zeigt die ersten Nackedeis auf Londoner Bühnen. Shocking! Und das Schönste daran: "Lady Henderson präsentiert" basiert auf einer wahren Geschichte. Die Tragikomödie von Stephen Frears ("Gefährliche Liebschaften") präsentiert sich ihrerseits als traditionsbewusste Leistungsschau des britischen Films, indem sie der inseleigenen Exzentrik Hommage erweist mit Hilfe knorriger Veteranen wie der von der Queen ausgezeichneten Dame Judi Dench und ihrem Sparringspartner Bob Hoskins, die sich mit umwerfender Spiellaune beharken.
Zugleich macht der britische Meisterregisseur ein Stück Kulturgeschichte lebendig, das von Lady Hendersons Einführung nackter Tatsachen auf der Bühne geradewegs in die Niederungen der Peep-Shows führte. Doch vom armseligen Schauspiel heutiger Stripperinnen, die sich im schmuddeligen Rotlicht-Milieu verrenken, ist Lady Hendersons Vaudeville-Theater Windmill weit entfernt. Ihre erfolgreiche Debüt-Show, eine neuartige Non-Stop-Revue mit Tanz und Tingeltangel, wird jedoch flugs von der Konkurrenz kopiert. Mrs. Henderson hat die zündende Idee, zwischen den Musicalnummern splitternackte Frauen auftreten zu lassen, und rettet so das Theater vorm Bankrott. Die Mädchen dürfen sich laut Zensur aber nicht bewegen und stehen angestrahlt wie Statuen in fantasievoll-exotischen Kulissen herum. Atmende Stillleben in antiken Posen und mit Muskelkrampf - so war Nacktheit Kunst statt Sünde.
Biestige Grande Dame
Die unverwüstliche Judi Dench, einem großen Publikum als James Bonds gestrenge Chefin bekannt, spielt die legendäre Theaterbesitzerin, die 1944 starb und ihrem Impresario den Betrieb vermachte, als imposante Grande Dame, deren Auftritte Szenenapplaus herausfordern. Einesteils eine monströs taktlose Egoistin, die alles "höchst amüsant" findet, andererseits eine Person voller Courage und Intelligenz, sprüht sie nur so von bissigen Bonmots und bringt Impresario Van Damm dauernd aus dem Konzept. Insgeheim jedoch nährt sie eine stille Liebe zu ihrem nicht minder selbstbewussten Theaterdirektor, der die alte "Streitaxt" vor Wut schon mal auf den Schrank setzt. Ko-Produzent Bob Hoskins als Van Damm hat angesichts Hendersons impertinenter Grandezza zwar wenig Spielraum. Doch er scheut nicht davor zurück, sich zur Stimmungsauflockerung, um die Mädchen zum Ausziehen zu bewegen, selbst einen Striptease hinzulegen, was seine Chefin lediglich zur Bemerkung nötigt "Sie sind ja doch Jude!"
Frears gelingt das Kunststück, in seinem Film so viel Nackte wie lange nicht mehr zu zeigen und jegliche Schlüpfrigkeit zu vermeiden. Statt Sex gibt es köstlich trockene Pointen der Lady besonders in jenem Dialog, in dem sie dem Zensor Lord Chamberlain seine Zustimmung dazu abluchst, die weiblichen Midlands zu zeigen. Dabei konzentriert sich der weitgehend unsentimentale Film stets auf den Theaterbetrieb, statt einzelne Charaktere zu beleuchten und gewährt nur bei Kelly Reilly ("L'Auberge espagnole") als Bühnenblondine Maureen auch charakterlich tiefere Einblicke. Mit Kriegsanbruch wird der Ton ernst - besonders als sich Mrs. Henderson als Second-Hand-Churchill aufführt und ihr Etablissement auch bei Bombenangriffen als unverzichtbar zur Wehrertüchtigung der jungen Soldaten deklariert: "We never close". Selbst diesem patriotischen Kitsch gewinnt der nostalgische Theaterfilm noch Humor ab und entlässt den Zuschauer ebenso gerührt wie glänzend unterhalten.
Birgit Roschy/AP