ARD-Krimi "Mord in Eberswalde" Pädophile? Gibt's nicht im Sozialismus!

Vor mehr als 40 Jahren tötete ein Kochlehrling in der DDR drei Jungen. Die Behörden jagten anfangs einem Phantom hinterher. Dem Fall des Kindermörders Erwin Hagedorn geht jetzt ein TV-Film nach.

Mit durchschnittener Kehle werden die beiden Jungen in einem Wald entdeckt. Unzählige Messerstiche bedecken ihre schmalen Körper. Es ist Frühsommer 1969 in der Kleinstadt Eberswalde, unweit von Ost-Berlin. Bevor der Mörder gefasst wird, muss noch ein dritter Junge sterben. Im September 1972 wird der 20-jährige Kindermörder Erwin Hagedorn hingerichtet.

Der Film "Mord in Eberswalde" zeichnet diesen spektakulären Kriminalfall der DDR nach. Die WDR-Produktion ist an diesem Mittwoch (20.15) im "Ersten" zu sehen. Die Suche nach dem rätselhaften Täter wird begleitet vom Konflikt zweier Ermittler und früherer Schulfreunde. Fast beklemmend steht im Raum: Wäre das dritte Opfer ohne ideologische Verbohrtheit zu retten gewesen?

Der eine, Kommissar Heinz Gödicke (Ronald Zehrfeld), ist bei der Volkspolizei in Eberswalde, der andere, Stefan Witt (Florian Panzner), Major bei der DDR-Staatssicherheit. Das angespannte Verhältnis eskaliert, als Carla (Ulrike C. Tscharre) für den nachdenklichen und fast allzu guten Kommissar den strebsamen, auf Karriere bedachten Stasi-Offizier verlässt. Dieser warnt den Rivalen unverblümt: "Versuch nicht mit den großen Hunden um den Block zu ziehen, wenn Du nicht hoch genug pinkeln kannst."

"Es gibt keine homosexuellen Sadisten in Eberswalde"

Die Stasi bestimmt die Ermittlungen, auch die SED-Führung ist wegen des fehlenden Fahndungserfolgs nervös. Doch als Gödicke die Frage aufwirft, ob der Kindermörder psychisch krank und ein Opfer seiner pädophilen Neigungen ist, stößt er auf blanke Ablehnung. "Es gibt keine homosexuellen Sadisten in Eberswalde - es gibt solche Objekte im Sozialismus nicht", presst Stasi-Major Witt hervor. Parallelen zum westdeutschen Serientäter Jürgen Bartsch, der vier Kinder tötete, darf es auch nicht geben.

Der Fall wird zu den Akten gelegt, obwohl Gödicke warnt, dass die tickende Zeitbombe erneut zuschlagen könnte. Im Herbst 1971 wird wieder ein Junge in Eberswalde ermordet. Die Hartnäckigkeit des Polizisten zahlt sich nun aus. Erwin Hagedorn (Sergius Buckmeier) wird gefasst. Fast erleichtert gesteht der alles - regungslos, monoton. Wie ein Monster wirkt er nicht.

Regisseur und Grimme-Preisträger Stephan Wagner hat nach einem Drehbuch von Holger Karsten Schmidt inszeniert. Es sei auch ein Film über einen Mord, der von einem Staat begangen wurde, sagt Wagner laut WDR-Mitteilung. Schuld, Menschlichkeit, Umgang mit Straftätern, die Macht der Stasi - all das beleuchtet der Streifen an dem einzelnen Fall und bezieht daraus seine Spannung.

Das letzte Todesurteil der DDR

Bei der Darstellung des DDR-Alltags gibt es aber ein paar durchaus verzichtbare Klischees - so ständig wehende DDR-Fahnen an grauen Häusern. Auch ein Dialog zum "antifaschistischen Schutzwall", der Mauer, wirkt eher aufgesetzt.

Mit der Erschießung von Hagedorn wurde in der DDR das letzte Todesurteil in einem zivilen Fall vollstreckt. SED-Chef Walter Ulbricht hatte das Gnadengesuch abgelehnt. Erst 1987 schaffte die DDR die Todesstrafe ab. Ein geplanter "Polizeiruf 110" zum Fall Hagedorn wurde im DDR-Fernsehen nie gezeigt. Das Filmmaterial wurde beschlagnahmt.

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Jutta Schütz, DPA

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