Langsam gewöhnt sich Julia Jentsch an den großen Auftritt. Als beste europäische Schauspielerin nahm der 27-jährige "Sophie Scholl"-Star am Samstagabend in Berlin den Europäischen Filmpreis entgegen. Nach dem Silbernen Bären bei der Berlinale und dem Deutschen Filmpreis ist dies bereits die dritte große Auszeichnung für Jentschs beeindruckende Darstellung der Widerstandskämpferin der "Weißen Rose" im Dritten Reich. Auch der Europäische Publikumspreis für die beste Schauspielerin ging an Jentsch, ebenso wie an "Sophie Scholl"-Regisseur Marc Rothemund.
"Ich empfinde die Auszeichnung als große Anerkennung", sagt Jentsch ernst - und plötzlich ist das leichte Zittern in ihrer Stimme verschwunden. "Aber es geht vor allem um die Geschichte von Sophie Scholl und darum, dass sich so viele Menschen wie möglich den Film ansehen, darüber nachdenken und mithelfen, dass so etwas nie mehr passieren kann. Dann ist es großartig!"
Großer Sieger des Abends wurde mit gleich fünf Auszeichnungen der Psychothriller "Caché" (Versteckt) des österreichischen Regisseurs Michael Haneke. Das unter die Haut gehende Drama mit Juliette Binoche und Daniel Auteuil in den Hauptrollen wurde als bester europäischer Film ausgezeichnet. Der nicht persönlich anwesende französische Schauspieler Auteuil wurde für seine Rolle als bester europäischer Schauspieler geehrt. Haneke siegte auch in der Kategorie "Beste Europäische Regie", daneben gab es den Kritikerpreis Prix Fipresci sowie eine Auszeichnung für den besten Schnitt.
"Ich komme mir ein bisschen vor wie an Weihnachten", freute sich der sonst eher wortkarge Haneke, als er die Trophäe in Gestalt einer Frau mit Europa-Sternen auf dem Kleid entgegen nahm. "Ich bin sehr zufrieden", meinte Haneke. "Es gibt nicht viel zu sagen, ich habe alles im Film gesagt."
Sean Connery für Lebenswerk geehrt
Der Ehrengast des Abends erschien echt schottisch im lila-grün-karierten Smoking: Der frühere "James Bond"-Darsteller und gebürtige Schotte Sir Sean Connery wurde für sein Lebenswerk geehrt. Für ihn als "europäischen Patrioten" sei dies eine seiner größten Auszeichnungen, sagte der 75-Jährige. Das Politisieren konnte Connery denn auch nicht lassen: "Wenn Schottland unabhängig wäre und eine Stimme in Europa hätte... In Edinburgh gibt es ein Filmfestival, das jetzt seinen 60. Geburtstag feiert. Fragen Sie nach mir, dann bekommen Sie einen guten Platz", meinte Connery, der die nach Unabhängigkeit strebende Scottish National Party unterstützt.
Der sichtlich gerührte französische Filmkomponist Maurice Jarre ("Lawrence von Arabien") erhielt den Europäischen Filmpreis für seinen "Beitrag zum Weltkino". In zwei weiteren Kategorien gab es eine deutsche Beteiligung: Für das beste Drehbuch wurden Hany Abu-Assad (Holland/Palästina) und der Deutsche Bero Beyer für den Film "Paradise Now" ausgezeichnet. Der Preis für die beste Kamera ging an Franz Lustig für den Wenders-Film "Don't Come Knocking". Den Fassbinder-Preis als "Europäische Entdeckung" erhielt der Film "Anklaget" (Angeklagt) von Jakob Thuesen (Dänemark). Als bester nichteuropäischer Film wurde der Streifen "Good Night, and Good Luck" von George Clooney (USA) ausgezeichnet.
Familientreffen für die europäische Filmbranche
Die von Heino Ferch ("Die Luftbrücke") professionell moderierte Gala mit rund 1200 Zuschauern war wieder wie ein Familientreffen für die europäische Filmbranche. Der Präsident der Europäischen Filmakademie, Wim Wenders, hatte im Foyer des ausgedienten Bahndepots eine Küche aufbauen lassen. Dort kochte Wenders - vielleicht als Anspielung auf die vielen TV-Kochshows - zusammen mit Kollegen und Köchen für seine Gäste.
Das Kulinarische sollte sich wie ein roter Faden durch die Preisverleihung ziehen, was allerdings nicht ganz aufging. Der auf der Bühne gedeckte Tisch mit Spezialitäten aus ganz Europa hatte wenig Bezug zu den Preisträgern. In der Küche wurden dafür Schauspieler wie Hannelore Elsner, Hanna Schygulla und Vadim Glowna sowie Regisseure wie Volker Schlöndorff, Dani Levy und Jean-Jacques Annaud verköstigt.