Ein Heimatfilm der ganz untypischen Art und ein sehr bemerkenswerter, dabei nie anstrengender Beitrag zur Integrations- und Migrationsdebatte: Regiedebütant Philipp Kohl (Jahrgang 1983) legt mit "Transnationalmannschaft" eine erstaunliche Dokumentation über ein erstaunliches Stadtviertel vor: den Mannheimer Jungbusch mit Bewohnern, die zu über 60 Prozent einen Migrationshintergrund haben. Stimmungsvolle Bilder hat Kohl eingefangen, mitten im Fantrubel der Fußball-WM 2010. Sein Erstling entstand ohne großartige Filmförderung, mit Unterstützung indes von Institutionen wie etwa dem Landeskriminalamt Baden-Württemberg.
Mustafa, der Trainer, Suzanna, die Polizistin, Yesim, die Kellnerin, Bashir, der Gemischtwarenhändler oder auch Saki, der Gastronom - sie haben afghanische, serbische, türkische oder griechische Wurzeln und sie erzählen davon, wie es ist, in Mannheim zu leben, im Jungbusch, dem einstigen Rotlichtbezirk und heutigen Szeneviertel. Warum man bei der WM für Argentinien und Deutschland jubelt, obwohl man doch eigentlich für die türkische Mannschaft ist, warum Mesut Özil kein "Verräter" ist und warum man sofort in der "Nationalmannschaft Mannheim" spielen würde, wenn es dergleichen nur gäbe. Vor allem aber schwärmen sie von der großen Liebe, ihrer eigentlichen Heimat: dem Jungbusch.
Regisseur Kohl erklärt im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa denn auch, der Film sei eine "Liebeserklärung" an die Stadt Mannheim und deren Viertel, "zum einen, weil ich selbst dort aufgewachsen bin, zum anderen, weil es wirklich beeindruckend ist, wie dort das Zusammenspiel unterschiedlicher nationaler Hintergründe funktioniert". In der Tat zeichnet Kohls Doku ein höchst positives Bild vom Zusammenleben der Kulturen im Jungbusch zur WM 2010. Ein derart harmonisches Bild, dass man sich zuweilen fragt, ob der Regisseur nicht das ein oder andere Problem bewusst ausblendet.
Kohl aber - er hat Ethnologie studiert, sitzt noch an der Magisterarbeit - berichtet, er habe kaum etwas weggelassen, außerdem gebe es im "Subtext des Films genug, was an Negativem mitschwingt". Der Regisseur verweist auf zwei Buben, die sich kurz vorstellen im Film mit gebrochenem Deutsch: "Was für eine Zukunft", fragt sich Kohl, "hat man, wenn man als Neunjähriger so ein Deutsch spricht?". Auch an anderer Stelle geht's um Sprachkompetenz, da plädiert eine Lehrerin für die Zweisprachigkeit der ihr anvertrauten Kinder.
Nebst der kongenialen, meist ins Orientalische tendierenden musikalischen Untermalung - die Kompositionen stammen vom Regisseur selbst - ist es die agile Kamera von Peter Kozana (auch er aus Mannheim), die das bunte Treiben noch vergnüglicher macht: immer dicht dran an den Protagonisten, dabei stets respektvoll und nie wirklich aufdringlich. Bemerkenswert auch, auf wie vielen Ebenen der Film funktioniert. Kohl erzählt nicht nur von einer transnationalen Gemeinschaft, er zeigt auch sehr schön, wie das Sport-Ereignis WM den Alltag einer Großstadt vollends in Beschlag nimmt.
Nicht zuletzt macht der Film Mut, macht sich Philipp Kohl mit seiner "Transnationalmannschaft" stark für ein multiethnisches und respektvolles Miteinander. Auch wenn der Regisseur nicht allzu viel hält vom Begriff "Multikulti". Ihm sei es wichtig gewesen, mittels des Neologismus "Transnationalmannschaft" ein "Zeichen zu setzen und mal ein anderes Wort zu benutzen". Zudem soll der Film dazu anregen, "dass wir unsere Vorstellungen von Nation und nationaler Zugehörigkeit reflektieren". Selbst die aber, die sich im Kino um Fragen solcher Art nicht weiter kümmern möchten, dürften an Kohls lebensfroher Doku ihren Gefallen finden. Ob Fußball-Fan oder nicht.