Interview mit "Dr. House" "Ich war schon vorher 'ne fiese Socke"

5,6 Millionen Zuschauer - "Dr. House" ist in Deutschland ein Mega-Erfolg. Als Fernseharzt braucht Hugh Laurie eine Gehhilfe - die Frauen lieben ihn trotzdem. Was ist das für ein Typ, der nun schon in der vierten Staffel herumdoktert? Ein Gespräch über 15-Stunden-Arbeitstage, Fachchinesisch und Fernbeziehungen.

"Dr. House" ist in Deutschland ein Riesenerfolg. Warum ist Ihrer Meinung nach "Dr. House" so beliebt?

Ich denke, es liegt daran, dass jeder von uns gerne glauben würde, dass es da irgendwo irgendjemanden gibt, der auf alles eine Antwort hat. Wir sind alle ein wenig desorientiert, in der Welt, in der wir leben. Keiner durchschaut, was vor sich geht. Alle gehen mehr oder weniger ängstlich durchs Leben, in der Hoffnung, dass irgendwer intelligent zielstrebig oder skrupellos genug ist, eine Lösung zu finden. Dass es jemanden gibt, der einem aus der Patsche hilft. Vielleicht ist das bloß eine Superman-Phantasie, aber für mich ist das jedenfalls eine beruhigende und tröstliche Vorstellung.

Sie spielen Dr. House seit vier Jahren und kennen ihn recht gut. Was lieben und was hassen Sie an ihm?

Was ich am meisten an ihm hasse ist, dass ich jeden morgen um sechs Uhr auf der Matte stehen muss und mindestens einen 15-Stunden-Arbeitstag vor mir habe (lacht). Nein, es gibt eigentlich nichts, was ich an ihm hasse. Er hat zwar eine ganze Menge schlechter Eigenschaften, aber mir gefällt diese Mischung aus dunklen und sonnigen Seiten. Mir gefällt, dass er mal ein Kindskopf ist, mal eine unglaublich selbstzerstörerische Genialität an den Tag legt, die ihn zeitweise sogar bis an den Rand des Selbstmords treibt. Die Tatsache, dass er sich manchmal wie ein Achtjähriger benimmt und dann wieder wie ein Racheengel auftritt, um seinen Kopf durchzusetzen, das finde ich sehr reizvoll und interessant. Und daher habe ich ihn nach all den Jahren immer noch sehr, sehr gern.

Wenn Sie 15 Stunden als Dr. House zubringen - beeinflusst das nicht auch Ihr eigenes Verhalten?

Nein, ich war auch vorher schon eine fiese Socke (lacht). Ich verwende meine ganze Energie darauf, diese Figur zu spielen, die Szenen in den Kasten zu bekommen und darauf zu achten, dass sich Dr. House nicht noch in meine Psyche einschleicht.

Was bedeutet Ihnen die Schauspielerei?

Mir gefällt es, Probleme zu lösen. Das hält mich auf Trab. Ich mag es, wenn sich mit anderen Schauspielern in der Gruppe damit auseinandersetzt, wie eine Szene gespielt werden soll, um der Wahrheit näher zu kommen. Die Schauspielerei zwingt einen, sich damit auseinanderzusetzen, was es heißt, ein Mensch zu sein, und was den Menschen antreibt. Wie er sich mit Hoffnung, Angst und dergleichen auseinandersetzt. Aber eigentlich warte ich immer noch darauf, irgendwann einen anständigen Job auszuüben... (lacht).

Als Dr. House müssen Sie sich mit allerlei schlimmen Krankheiten beschäftigen. Wie wirkt sich das aus? Haben Sie sich deswegen zum Hypochonder entwickelt oder sind tatsächlich krank geworden?

Zum Glück bin ich bislang davon verschont geblieben. Heutzutage redet einem das Fernsehen ja ein, dass es für alles eine Lösung gibt. Nehmen wir nur die Sendung "CSI", wo nie ein Verbrecher entkommt, DNA und Computer lösen alle Probleme. Wenn man an einer Arztserie wie meiner arbeitet, wird einem erst klar, wie rätselhaft der menschliche Körper ist, wieviele Menschen jahrelang falsch diagnostiziert werden oder gar nicht. Es gibt unzähige gefährliche Krankheiten, an denen man sterben kann. Ich bin kein Hypochonder, aber wenn man mit diesen Informationen überhäuft wird, kommt man manchmal schon auf dumme Gedanken. Aber das passiert Gott sei Dank nicht allzu oft, sonst könnte ich den Job nicht machen.

Welches Verhältnis haben Sie privat zu Ärzten?

Mein Vater war Arzt. Ich gehe ganz selten zum Doktor, weil ich mit einem aufgewachsen bin. Wenn mir was fehlte, hat er mich zuhause behandelt. Außerdem habe ich großes Glück, dass ich so gesund bin und mich nie mit Ärzten und Krankenhäusern herumschlagen musste. Da ich mit einem Arzt aufgewachsen bin, habe ich große Ehrfurcht vor diesem Beruf. Eine sehr noble Tätigkeit. Ich bin einer, der an die westliche Medizin glaubt, sie hat schließlich Milliarden, wenn nicht Billionen von Menschen das Leben gerettet - und das sollte mehr gewürdigt werden. Wir verdanken ihr unsere Existenz. Wenn es beispielsweise kein Antibiotika gäbe, säßen wir hier vielleicht nur zu zweit.

Wie schaffen Sie es bloß, sich diese endlos langen, komplizierten Sätze von Dr. House zu merken, mit all diesen extrem schwierigen Ausdrücken?

Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich das entspannt angehe. Ich bin nie entspannt! Innerlich bin ich am Kochen (lacht). Ich habe das Glück, dass es mir leicht fällt, Dialoge und Monologe auswendig zu lernen. Aber die Texte sind manchmal schon eine ziemliche Herausforderung. Unsere Drehbuchautoren haben eine riesige Bibliothek an medizinischen Büchern. Wenn Sie da eine Seite aufschlagen, finden Sie garantiert 100 Wörter, von denen Sie noch nie gehört haben. Wir haben ein paar medizinische Berater, die manchmal erst Spezialisten kontaktieren müssen, um eine bestimmte Sache korrekt zu schreiben. Dazu kommt noch, dass ich Engländer bin und mich auf den amerikanischen Akzent konzentrieren muss.

Sie leben in Los Angeles, Ihre Familie lebt weiterhin in England. Wie funktioniert das?

Wir fliegen ständig hin und her und reisen viel. Wir machen das beste daraus. Kinder großzuziehen ist eine Herausforderung, die nie aufhört, egal, wie die Umstände sind. Mein Ziel ist, dass sich meine Kinder nie genieren müssen für das, was ich tue. Meine Kinder sind im Teenageralter, und ich bin sehr stolz auf sie.

Vermissen Sie Europa?

Ich vermisse den Regen (lacht). Und Häuser aus Stein. Es ist einfach ganz was anderes, wenn man in einem Holzhaus versucht, Türen zuzuknallen. Hier sind die Häuser wegen der Erdbebengefahr alle aus Holz. Ich vermisse also am meisten das englische Wetter und Häuser aus Stein.

Für viele Frauen sind Sie nach George Clooney der "sexiest Doctor alive". Wie fühlen Sie sich als Sexsymbol?

Ja, so spaziere ich den ganzen Tag durch die Gegend, als Sexsymbol (lacht). Mir fällt das überhaupt nicht auf. Ich gebe ja zu, dass Dr. House als Typ schon ganz sexy ist. Wie er so auf sensibles Genie macht - das hat schon was, ein bisschen wie Lord Byron. Diese Art von Verletzlichkeit ist attraktiv.

Interview: Frances Schönberger

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