Nahaufnahme Drei Zauberlehrlinge im Geröll

Von Birgit Roschy
Es gibt Geschichten, die zu gut sind, um erfunden zu sein. Das beweist auch die oscarverdächtige Politkomödie "Der Krieg des Charlie Wilson", die eine kaum bekannte Fußnote der Weltpolitik enthüllt.

1980 verbündeten sich ein lebenslustiger Kongressabgeordneter, eine texanische Gesellschaftsdame und ein verkrachter CIA-Agent, um die Sowjetarmee aus Afghanistan zu werfen. Bekannt ist hingegen der Ausgang der Geschichte: Der Rückzug der Russen aus Afghanistan 1989 bedeutete den Anfang vom Ende des Sowjetimperiums. Doch es geht eben nur um den ersten Afghanistan-Krieg und nicht um dessen Nebenwirkungen, welche die Welt noch sehr lange beschäftigen werden. Das Zuschauerwissen um die Folgen verleiht der frivolen Räuberpistole erst ihren schwarzen Humor und macht sie zur Realsatire. Als aber Ende 1979 die Rote Armee in Afghanistan einfiel, interessierte dies den Westen herzlich wenig. Nur der texanische Kongressabgeordnete Charles Wilson merkt auf, als in den TV-Nachrichten ein bekannter Journalist inmitten einer felsigen Einöde mit einem "Teewärmer" auf dem Kopf auftaucht, umringt von wilden Gesellen. Wilson befindet sich zu diesem Zeitpunkt mit Whisky, Koks und barbusigen Mädels in einem Whirlpool: "Good Time Charlie" ist bekannt für sein Lotterleben. Doch er verabredet sich unverzüglich mit seiner alten Flamme, der stramm rechten Gesellschaftslöwin Joanne Herring.

Die Kommunistenfresserin schleppt Charlie erst in ihr Boudoir. Auf Charlies Einwand "Ich bin ein Liberaler" entgegnet sie: "Aber nicht dort, wo es darauf ankommt." Dann beordert sie ihn nach Pakistan zu ihrem guten Freund, Diktator Zia ul-Haq. Angesichts des Elends der afghanischen Flüchtlingslager stellt sich Charlie auf die Hinterbeine und kontaktiert den rüpelhaften CIA-Agenten Gust. Durch dreiste Winkelzüge in der labyrinthischen Bürokratie von Kongress und Geheimdienst kann das Trio eine Milliarde Dollar für verdeckte Aktionen lockermachen. Dazu müssen die drei unmögliche Allianzen einfädeln - etwa einen Israeli dazu zu bringen, Waffen an Diktatoren zu liefern, die Israel von der Landkarte löschen wollen; oder einem Senator erklären, wieso um Gottes Willen man Staaten helfen soll, in denen das Steinigen von Frauen übliche Praxis ist. Auf Eselspfaden und quasi im Rucksack werden neu entwickelte Stinger-Raketen in den «Geröllhaufen» geschmuggelt, mit denen immer fröhlichere Mudschaheddin sowjetische MIGs vom Himmel holen. Zwtl: Tom Hanks als Hallodri und Patriot Von den "Pressepussis" unter "Charlies Angels", wie seine hübschen Sekretärinnen genannt werden, bis hin zur despektierlichen Perspektive auf bigotte orientalische Potentaten ist der Tonfall reichlich unverfroren.

Ein lachendes und ein weinendes Auge

Getragen von einem grandiosen Startrio blubbert Altmeister Mike Nichols’ ("Die Reifeprüfung") temporeiche Inszenierung geradezu über vor Situationskomik und sarkastischen Pointen. Tom Hanks als verschmitzter Schürzenjäger, Patriot und Antikommunist liefert sich ein schauspielerisches Duell mit Philip Seymour Hoffman ("Capote"), der als rotziger Agent fluchen darf, bis die Schwarte kracht. Und nie war eine kalte Kriegerin so sexy wie Julia Roberts als auftoupierte Südstaaten-Domina. Sie sieht der echten Mrs. Herring übrigens sehr ähnlich. Die stramme Blondine plagen heute, wie die beiden anderen Zauberlehrlinge, null Gewissensbisse. Auch der Film strahlt die Überzeugung aus, dass der Krieg o.k. war. Leider "haben wir das Endspiel vermasselt", sagt Charlie, als für den Wiederaufbau das Geld fehlt. Beim Knallen der Korken wird zart angedeutet, dass die Geister, die Charlie rief, zu "Irren von Kandahar" mutieren - und dank der amerikanischen Aufpäppelung ihren Dschihad auf den Westen ausdehnen werden. So betrachtet man die sprühende Komödie mit einem lachenden und einen weinenden Auge und erinnert sich an das Glücksjahr 1989, in dem eine friedlichere Welt so nahe schien wie zuvor.

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