Tag 2 Keine Zeit für Strandleben und Cocktail-Empfang

Das Leben eines Reporters ist nicht leicht: Besonders in Cannes verliert man schnell den Überblick zwischen all den Stars und Sternchen, Pressekonferenzen und Essenseinladungen.

Ein erfahrener Reporter der amerikanischen Filmfachzeitschrift "Variety" hat vor einigen Jahren eine Cannes-Definition aufgestellt, die heute mehr denn je gilt: "Es ist unmöglich, Cannes jemandem zu beschreiben, der noch nie da war. Genauso wie es unmöglich ist, Cannes jemandem zu beschreiben, der da war." Denn Cannes sind mehrere Veranstaltungen auf einmal, unmöglich den Überblick zu behalten. Was die Fernsehsender, Radiostationen und Presseerzeugnisse jeden Abend in ihre Heimatländer schicken – teuer gekleidete Stars, die lächelnd die Stufen zum Gala-Kinosaal im Palais hinaufschreiten, leicht gekleidete Sternchen, die lächelnd die Mittelmeer-Promenade Croisette hinabstolzieren - stellt nur ein winzigen Ausschnitt des Festivals dar.

Mischung aus Messe und Basar

Da sind zum einen die rund 5000 angereisten Journalisten. Sie sehen zwischen zwei und sieben Filmen pro Tag, machen Interviews mit Etablierten und Newcomern und reisen meist blasser ab, als sie angekommen sind. Keine Zeit für Strandleben und Cocktail-Empfang. Wer einmal das tägliche Programm durchblättert, entdeckt zwischen den verhältnismäßig wenigen Pressevorstellungen zudem eine umfangreiche Liste von sogenannten "Market Screenings", rund 100 am Tag. Dabei handelt es sich um Filme, deren Vertriebsrechte erst einmal verkauft werden müssen, bevor sie auf das normale Publikum losgelassen werden. Solche Deals werden in Cannes zu tausenden ausgehandelt und zwar im "Marché du Film", einer Mischung aus Messe und Basar mit 7225 Teilnehmern aus 63 Ländern.

Weil jedes Land seine Nachbarn in Sachen Aufmerksamkeit ausstechen will, überschüttet man Filmemacher, Produzenten und Medienvertreter mit obskuren Einladungen. Drehen Sie doch ihr nächstes Werk in Thailand! Kommen Sie auf das Filmfestival in Moskau! Lassen Sie uns über tschechischen Film reden! Kommen Sie zum Sake-Trinken in den japanischen Pavillon. Na ja, klingt doch auch schon wie ein halber Cocktail-Empfang…

Turtel-Abend

Was die Arbeit dann doch aufregender macht als anderswo, sind die Superstars. Und die sind an diesem zweiten Tag endlich ebenso reichlich vorhanden wie der gestern vermisste Sonnenschein. Jury-Präsident Quentin Tarantino zeigte sich Arm in Arm mit Sofia Coppola ("Lost in Translation") und bestätigt damit endgültig ihre "love affair". Cameron Diaz, die ihre Stimme dem Wettbewerbsbeitrag "Shrek 2" lieh, turtelte mit Justin Timberlake im Hotel "Eden Roc". Wo auch Antonio Banderas, Melanie Griffith und Eddy Murphy Zimmer gefunden haben.

Und für die außer Konkurrenz gezeigte antike Schlachtplatte "Troja" trieben gleich vier gutaussehende Männer die nach oben offene Kreisch-Skala in ungeahnte Höhen: Sean Bean, Eric Bana, Orlando Bloom und Brad Pitt. Die schönste Feststellung während der Pressekonferenz: Die Kämpfe zwischen Griechen und Trojanern seien für Pitt doch nichts Neues, schließlich hätte er eine griechisch-stämmige Frau, Jennifer Aniston. Pitt, der in "Troja" entweder nackt oder in einem Männerrock vor der Kamera steht, antwortete hintergründig: "Ich kann dazu nur sagen: Sie mochte mein Kostüm, ich sollte es mit nach Hause bringen." So einfach bringt man Gerüchte um eine Ehekrise zum Verstummen.

Matthias Schmidt

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