John Travolta legte sich mit dem Bauch auf den Tank seiner Harley-Davidson und klappte die Beine auf den Rücksitz. Seine Schauspielkollegen Tim Allen und William H. Macy zogen mit ihren Motorrädern auf gleiche Höhe und röhrten begeistert in den Fahrtwind; die Herren knatterten mit 80 Stundenkilometern über Kaliforniens Pacific Coast Highway. An einer Ampel kurbelte ein Autofahrer sein Fenster herunter und fauchte: "Ihr fahrt wie verdammte Vollidioten! Ihr seid Vollidioten!" "Nein, Sir, das sind wir nicht", gab William H. Macy vornehm zurück. "Wir sind Hollywood-Schauspieler!"
Die Episode ereignete sich vor einigen Wochen, als die Biker-Komödie "Wild Hogs" in die US-Kinos kam und zu Werbezwecken die Hauptdarsteller sich wie im Film in Lederjacken und auf heiße Kisten schmissen. Mehr als 135 Millionen Dollar hat das krude Räder-Werk allein in den USA seitdem eingespielt - und William H. Macy zum ersten Mal tatsächlich in die Nähe dessen gerückt, was man so unter einem Hollywood-Schauspieler versteht. Einen, der gut dafür bezahlt wird, dass er sich durch und durch unnatürlich verhält. Einen, dem die Leute den größten Blödsinn abkaufen, auch wenn Kritiker empfehlen, lieber einen Liter Motoröl zu trinken als in den betreffenden Film zu gehen. Einen Star.
Macy - Wer ist das eigentlich?
William Hall Macy Jr. ein Star?! Ein Liebling der Massen? Dieselben Kritiker heulen an dieser Stelle auf wie ein Chopper an der Ampel, wenn sie grün wird. Macy war immer ihr Darling, ihre Entdeckung; soll sich das Eintritt zahlende Volk doch für Tom Cruise oder Brad Pitt begeistern. Macy war immer der, an dessen Name sich kaum ein Zuschauer erinnern konnte, wenn er ihn in der Kneipe nach dem Kino loben wollte ("der so‘n Gesicht hat wie ‘ne Bauchrednerpuppe, weißt schon"). War immer der, der nie das Mädchen abbekam und noch seltener den Wunsch im Publikum weckte, so sein zu wollen wie er. Grandioser Loser, nöliges Weichei. "Ich weiß gar nicht, weshalb ich so oft Verlierer spiele", sagt William Macy vergnügt. "Mir geht es ganz prächtig!"
Der 57-Jährige, der von seinen Fans - den Kritikern - als bester Nebendarsteller wahlweise seiner Generation oder des Universums gelobt wird, muss sich neuerdings daran gewöhnen, dass Touristenbusse vor seinem Haus in den Bergen von Hollywood die Fahrt verlangsamen und ein Fremdenführer aus dem klimatisierten Inneren herausgestikuliert: Da wohnen sie, William H. Macy und seine Frau Felicity Huffman! "Einmal kamen wir gerade vom Joggen zurück", gluckst Macy, "was gaben wir wohl für einen glamourösen Anblick ab."
Eine ganz normale Ehe
Seit seine Frau mit ihrer TV-Serie "Desperate Housewives" weltweit in Millionen Wohnzimmern zu Gast ist - sie spielt die bodenständigste dieser Vorstadtgöttinnen -, muss das Paar mit Paparazzi und anderen Haken des Ruhmes rechnen. Wenn also Felicity was Doofes anzieht, ziert sie plötzlich Klatschheftchen. Und stritten die zwei in aller Öffentlichkeit, wäre genau die erschüttert. Was natürlich nie vorkommt, weil Macy und Huffman zufällig eines der glücklichsten Paare der Filmwelt sind.
Vor bald 25 Jahren haben sie sich kennengelernt. Er war Schauspiellehrer in New York, sie, gerade 20, seine Schülerin. "Ich schwöre, ich habe sie nicht angerührt, bis sie ihren Abschluss gemacht hat", sagt er. "Erst viel später! Stunden später!" In einem Radio-Interview blödelten die beiden über das Problem, Beruf und Privates zu trennen. "Neulich musste ich zusehen, wie Felicity im Fernsehen mit einem Anderen rumgemacht hat", brummte er.
Darauf sie: "Mein Gott, ich habe ihm einen Kuss gegeben. Einen Kuss! Das war alles. Bill dagegen in 'The Cooler' war splitterfasernackt mit Maria Bello, die zehn Jahre jünger ist als ich..."
"Das war kein Kuss."
" ... und toll aussieht. Und..."
"Du hast ihn nicht geküsst, du hast..."
"Hör auf jetzt!"
"Du hast in seinem Mund förmlich herumoperiert!"
"Sie wiegt zehn Pfund weniger als ich, und du bist nackt herumgelaufen, und sie nahm deinen kleinen William und die Zwillinge in der Hand!"
"Ja ja, mach du nur deine Witze", grummelte er. "Wenn ich dich andere Männer küssen sehe, halte ich mir weiterhin die Augen zu und singe laut, damit ich nichts höre."
Lebensweisheiten
Kürzlich veröffentlichte Huffman in den USA einen Ratgeber für Männer, wie sie gut bei Frauen ankommen. Leseprobe zum Kapitel Vorspiel aus "A Practical Handbook for the Boyfriend": "Wie aus jedem Kochbuch bekannt, heizt man erst den Ofen an, ehe man den Braten reinschiebt." Macy sieht ein bisschen so aus, als bekäme er rote Ohren. "Ich habe ihr gesagt, sie solle das Sexuelle reduzieren", murmelt er. "Ansonsten ein sehr praktisches Buch." Er persönlich fand ihre Tipps hilfreich. "Öfter mal anrufen, das mag sie", sagt er beglückt. "Und immer zuhören. Und wenn man beim Weghören ertappt wird, sagen: Schatz, du siehst so hübsch aus heute, ich kann mich gar nicht konzentrieren."
Macy ist, obschon als glückloser Gatte in "Fargo" 1996 bekannt geworden, ein glücklicher Bursche. Sagt er selbst. Er liebt seine Frau und seine Töchter, sieben und fünf Jahre alt. Und seinen Beruf. "98 Prozent der Schauspielerei", sagt er, "ist Handwerk. Mich nerven Kollegen, die ihren Text nicht können und denken, ihr Supertalent reiche aus. Sie quatschen dann in jeder Aufnahme was anderes und halten ihr Glas mal links, mal rechts." Macy blickt angewidert. "Ich bin gut vorbereitet. Ich kann meinen Text. Ich bin zuverlässig. Regisseure lieben mich."
Harte Arbeit
Sein Arbeitsethos hat er von David Mamet gelernt. Der Dramatiker war, obschon nur vier Jahre älter, sein Schauspiellehrer an der Uni, wo der junge Herr Macy gerade sein Studium der Tiermedizin hingeschmissen und seine Liebe zum Kiffen entdeckt hatte. Wenn ihr das Spielen nicht ernst nehmt, könnt ihr gleich wieder verschwinden, schnarrte Mamet in der ersten Stunde. Macy blieb.
In Chicago gründeten die beiden ein Theater, Macy triumphierte in Mamets wortgewaltigen, aggressiven Stücken. Um die Miete zu zahlen, jobbte er als Barkeeper und warb für Deoroller. Auf zehn Jahre Theater in Chicago folgten zehn Jahre Broadway und Off-Broadway in New York. Schließlich verschlug es ihn nach Los Angeles: Doktorspiele bei "E.R.", dann einige kleine, feine Kinorollen. Als er das Drehbuch zur schwarzen Komödie "Fargo" las, rief er die Regisseure Joel und Ethan Coen an. "Ich sagte: Wenn ich diese Rolle nicht bekomme, erschieße ich euren Hund", erzählt er stolz.
Man darf sich da nicht vertun bei Mr. Macy: Er ist ein netter Kerl. Aber was seinen Job angeht, da versteht er keinen Spaß. Und die Konkurrenz im eigenen Haus? "Du bist so viel besser als ich", gurrt Huffman. "So viel klüger." Macys Ohren leuchten. Fragt sich, wer da wirklich klüger ist.