Angeblicher Antisemitismus-Vorfall Geständnis aus Furcht vor den Kosten? So teuer war der Prozess für Gil Ofarim

  • von Gerrit-Freya Klebe
Sänger Gil Ofarim sitzt neben seinem Anwalt im Verhandlungssaal des Leipziger Landgerichts
Sänger Gil Ofarim (l.) mit seinem Anwalt Alexander Stevens im Verhandlungssaal des Landgerichts Leipzig
© Matthias Wehnert / Action Press
Gil Ofarim hat zugegeben, dass er gelogen hat. Der angeblich antisemitische Vorfall im Westin Hotel Leipzig hat sich nie zugetragen. Für den Sänger bedeutet das nicht nur den Totalverlust seiner Glaubwürdigkeit, sondern auch einen erheblichen finanziellen Schaden.

Am 28. November gestand Gil Ofarim im Saal 115 im Landgericht Leipzig seine Lüge. Er sei nicht, wie zuvor an Eides statt versichert, im Hotel Westin Leipzig antisemitisch diskriminiert worden. Unwahr sei auch, dass ihn Hotelmitarbeiter Markus W. am 4. Oktober 2021 aufgefordert habe, seine Kette mit dem Davidstern abzunehmen, bevor er einchecken dürfe.  

"Die Vorwürfe treffen zu. Herr W., ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen, es tut mir leid." W. nahm die Entschuldigung an. Das Verfahren gegen Ofarim wurde gegen eine Geldauflage eingestellt. Bestandteil der Einstellung ist ein außergerichtlicher Täter-Opfer-Ausgleich, in dem Ofarim die Schadensersatzansprüche des Hotelmitarbeiters anerkannt hat. Über die Höhe haben beide Seiten Stillschweigen vereinbart.

Gil Ofarim: So viel Geld kostet ihn der Prozess

Rechtsanwalt Jürgen Möthrath, Präsident des Verbandes Deutscher Strafverteidiger: "Üblich sind für einen solchen Sachverhalt Beträge bis zu 2000 Euro. In Anbetracht des öffentlichen Interesses und des Umstandes, dass der Mitarbeiter hier länger und mehr im Fokus stand, sind Beträge zwischen 5000 und 10.000 Euro durchaus denkbar."

Doch die finanziellen Konsequenzen von Ofarims Lüge sind weitaus größer, wie sich leicht nachrechnen lässt.

Der teuerste Posten dürften die Kosten für sein Anwaltsteam sein. Norbert Schneider, Mitglied des Deutschen Anwaltvereins, rechnet vor: "In diesem Bereich werden Vereinbarungen geschlossen, etwa auf Stundenbasis. Dabei sind 300 oder 400 Euro die Stunde nicht ungewöhnlich." Möglicherweise sei auch eine Pauschale oder ein Tageshonorar vereinbart worden. Rechtsanwalt Möthrath hält sogar einen Stundensatz von 500 Euro pro Stunde für möglich.

Ofarim hatte nicht nur einen, sondern gleich vier Anwälte zu seiner Verteidigung engagiert. "Einer hätte es auch getan, zumal direkt zu Beginn ein Geständnis absehbar gewesen sein muss", sagt Norbert Schneider. Die Kosten könnten somit schnell im sechsstelligen Bereich liegen. 30.000 oder 35.000 Euro pro Anwalt seien denkbar. Denn das Team war nicht nur an den sechs Prozesstagen für Ofarim tätig, das Ermittlungsverfahren dauerte fast zwei Jahre. Zeit, in der seine Anwälte ihren Klienten immer wieder beraten und Zeugen befragt haben dürften – und mit Sicherheit entsprechende Honorare in Rechnung gestellt haben.

Gil Ofarim muss Kosten der Gegenseite tragen

Angesichts dieser beträchtlichen Summen fallen die Auslagen der Gegenseite, für die Ofarim ebenfalls aufkommt, kaum ins Gewicht. Denn für den Anwalt von Hotelmitarbeiter Markus W. werden nur pauschale Kosten im Rahmen der gesetzlichen Vergütung abgerechnet, nicht die tatsächlich gezahlten Honorare. Rechtsanwalt Schneider erklärt: "1000 Euro werden bis zur Hauptverhandlung angefallen sein plus 600 Euro für jeden Termin in der Hauptverhandlung." Ofarims Geständnis erfolgte am sechsten Prozesstag – macht also geschätzt 4600 Euro für die Gegenseite.

Immerhin: Prozess- und Gerichtskosten kommen auf Gil Ofarim nicht zu, auch die Auslagen für Zeugen und Sachverständige gehen nicht zu seinen Lasten. Das Verfahren wurde auf Kosten der Staatskasse eingestellt, die Prozessaufwendungen werden von Steuergeldern finanziert.

Eine endgültige Entscheidung über die Höhe aller Kosten fällt zudem erst, wenn Ofarim die vom Gericht verhängte Geldauflage in Höhe von 10.000 Euro an den Trägerverein des Hauses der Wannsee-Konferenz und die Jüdische Gemeinde Leipzig gezahlt hat. Die Zahlung soll zumindest ein symbolischer Akt der Wiedergutmachung sein.

Doch das ist lediglich die strafrechtliche Seite des Verfahrens. Neben Mitarbeiter Markus W. behält sich offenbar auch das Hotel Westin noch vor, Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Dabei werde es laut Anwalt Norbert Schneider vermutlich ebenfalls auf eine außergerichtliche Einigung hinauslaufen. Rufschädigung und Umsatzeinbußen könnten geltend gemacht werden. Wobei es laut Schneider schwierig werden dürfte, den geschmälerten Gewinn nachzuweisen. Der Aspekt der Rufschädigung sei für die Hotelkette vermutlich aussichtsreicher.

Waren für Ofarim womöglich also auch finanzielle Gründe ausschlaggebend, in dem Verfahren so abrupt die Reißleine zu ziehen? Jürgen Möthrath, Präsident des Verbandes Deutscher Strafverteidiger, formuliert es so: "Die Einstellung wählt man in der Regel, wenn man mit einer Verurteilung rechnen muss, da es so zu keiner Verurteilung und keinem Eintrag in das Bundeszentralregister kommt. Der Umstand, dass man weitere Verhandlungstage und dabei auch Anwaltskosten spart, kommt dann in der Regel als zusätzliches Motiv hinzu."

Quellen: "Gala", "Süddeutsche Zeitung", "Bild"

PRODUKTE & TIPPS