Sex findet im Kopf statt, guter Sex sowieso. Sicher nicht bei den ersten Malen mit seinem Partner, bei denen die mit reichlich Hormonen gepimpte Realität es locker mit jeder erotischen Fantasie aufnehmen kann. Doch mit der Zeit pendelt sich die Lust auf den anderen ein. Völlig normale Sache. Das Kopfkino braucht nur wieder eine kleine Starthilfe. Kein Problem, wenn Paare locker über ihren Sex reden könnten, tun sie aber nicht, weiß die Autorin Jasmin Wollesen aus den Kommentaren zu ihren Büchern. Unter dem Namen A.J. Blue arbeitet sie in der ersten Reihe des Kopfkinos: Sie schreibt erotische Bücher. Mit mehr als 500.000 verkauften Exemplaren ihrer Serie "Herren der Liebe" stand sie mit den beiden jüngsten Bänden der Serie über zwei Wochen auf Platz 1 der Amazon-eBook-Charts.
Heißes zum Hören: Diese neun Erotikhörbücher machen Lust auf mehr
Autorin: Margaux Navara
Sprecherin: Maike Luise Fengler
Drei aus unterschiedlichen Gründen vom Leben frustrierte Frauen suchen Ablenkung auf einer Kreuzfahrt im Mittelmeer. Die Reise verläuft jedoch ganz anders, als gedacht. Die maritime Variante von "50 Shades of Grey"...
Hier geht es zur Hörprobe.
"Ich war wirklich erstaunt, wie offen die Menschen plötzlich mit mir über ihre Sexualität reden wollten. Dabei bin ich keine Paartherapeutin, sondern schreibe lediglich erotische Fantasien auf", erinnert sich die Hamburgerin. Offenbar waren ihre Leser begeistert, jemanden gefunden zu haben, der Sex-Fantasien gegenüber aufgeschlossen ist. Eines sei ihr dabei schnell klar geworden: Selbst in den glücklichsten Beziehungen wird eher ungern über unerfüllte erotische Wünsche geredet.
Lieber ein Doppelleben, als seine Wünsche anzusprechen
Nicht wenige flüchteten lieber in ein sexuelles Doppelleben, anstatt dem Partner ihr Verlangen anzuvertrauen. Leider, sagt Wollesen, offenbarten gerade Frauen ihren Männern nur ungern, was sie anmacht: "Das ist so eine Frauensache. Sobald sie ihre Wünsche aussprechen, sind diese schon entzaubert." Das formulierte Gedankenspiel wirke dann eher, als sollte es dem Mann zwecks Umsetzung eingepflanzt werden. Wenig erotisch. Also wird geschwiegen und unterschwellig gehofft, der Mann möge von allein darauf kommen. Das klappt leider selten, weil Männer in Sachen Sex anders tickten.
Zwar hätten Männer wie Frauen Spaß am Sex, doch der Blickwinkel darauf sei meist ein völlig anderer. Er fährt auf den Akt an sich ab, sie hingegen turnt eher der Weg zum Sex an. Frauen errege die Situation, in der die Hauptdarsteller sich begegnen, der Mann die Frau charmant und doch bestimmt umwirbt, sie auf den Flirt vorsichtig einsteigt – bis beide schließlich übereinander herfallen. Die meisten Männer hätten hier bereits längst den Finger auf der Vorspultaste, weiß Wollesen. Nicht von ungefähr ist die erotische Literatur mehr Frauensache. Die allermeisten erotischen Geschichten werden von Frauen geschrieben, in Hörbüchern von Frauen vorgetragen und von Frauen gekauft.
Frauen wollen begehrt und wahrgenommen werden
Frauen wollen begehrt, wahrgenommen und erobert werden, so Wollesen. Und je charmanter und romantischer der Mann sich dabei anstellt, desto heißer der Sex, den er dann genießen darf. Dabei ließen sich viele Frauen in ihrer Fantasie durchaus gern dominieren.Von wegen Blümchensex. Das erklärt für sie auch den großen Erfolg von "50 Shades of Grey" und die wahre Flut an erotischen Geschichten, die auf den weichgespülten BDSM-Roman folgte.
Männer! Hört Erotik-Geschichten von Frauen für Frauen!
Ihr täten die Männer durchaus leid. Nicht nur, dass sie sich manchmal schwer in weibliche Wünsche einfühlen könnten, sie bekämen oft auch wenig Hinweise von ihren Frauen. Vielmehr sollten sie erahnen, was das Objekt ihrer Begierde möchte und es dann zum richtigen Zeitpunkt in angemessener Form auch umsetzen. Überall lauerten da Fallstricke.
Erotische Geschichten könnten Männern zumindest eine Idee davon geben, was Frauen wirklich anmacht. Sie müssten noch nicht einmal lesen oder verschämt mit einem Buch in der Bahn sitzen: Die meisten Geschichten gibt es als dezentes Hörbuch. Während beim Buch die eigene Fantasie für die passende Stimme sorgt, entscheidet in der Audiofassung allein das Können der Sprecherin - in fast allen Fällen ist es tatsächlich eine Frau - über den "Knistergrad" der Atmosphäre. Eine nicht ausgebildete Stimme wirkt bei erotischen Hörbüchern wie die Neonröhre im Schlafzimmer.
Von Anwaltshure bis Vögelbar
Die Auswahl an Sex und Erotik ist reichhaltig. Von kurzen Texten über 30 Minuten mit männerfreundlich eindeutigen Titeln wie "Die Anwaltshure" oder "Vögelbar" über den erotischen Kreuzfahrtroman um drei Freundinnen in "Sex on Board" bis zum zwölfteiligen Zyklus "Year of Passion“, bei dem die Eventmanagerin Jenna die Protagonisten eines "Männerfotokalenders" im Wortsinn handverlesen auswählt – einen im Januar, im Februar, im März… Die literarischen Lücken füllen erotische Audio-Meditationsübungen und Podcasts, in denen noch bei ihren Eltern wohnende 18-jährige Mädels mit einem Lolli im Mund schmatzend ihre sexuellen Geheimnisse offenbaren. Das Angebot ist so breit gefächert wie das Sexleben selbst.
Richtig spannend werde es, wenn Paare das gleiche Buch lesen oder hören und darüber redeten, meint Wollesen. Sie kenne Fälle, in denen die Partner auf diesem Umweg so einiges über die geheimen Wünsche des Anderen erfahren hätten. Man habe schließlich nicht direkt über sich gesprochen, sondern über eine Geschichte. Die Botschaften kämen aber trotzdem an.
Einen Unterschied gebe es doch noch: Männer seien eher bereit, sie auch tatsächlich umzusetzen, glaubt Wollesen. Zwar hätten auch Frauen vielschichtige Fantasien, wie spontanen Sex mit Fremden, Bondage oder einen Dreier – doch würden sie diese nicht Realität werden lassen. Es bleibt ein prickelndes Spiel im Kopf. Oft ist das auch besser so – für alle Seiten.
