Bis vor wenigen Jahrzehnten konnte man in einer Hamburger Kneipe unter anderem noch echte Schrumpfköpfe bestaunen: Ende des 1900 Jahrhunderts hatten Seefahrer angefangen, ihre Mitbringsel aus fremden Teilen der Welt zu Käpt'n Haase zu tragen, einem Kneipenwirt, der sie an seinen Wänden und unter der Decke aufhängte und ausstellte. Zu den Kunstwerken erzählte der Kneipier Schauermärchen und Seemannsgarn – sagt man ihm nach. Nach diversen Umzügen und Besitzerwechseln kann man die Sammlung in Harrys Hafenbasar heute in der Hafencity besichtigen – und sogar das ein oder andere Stück kaufen!

Derart schaurig-schöne Exponate haben Menschen allerdings schon viel früher begeistert, der Taschen-Verlag hat ihnen einen Bildband allerfeinster Aufmachung gewidmet. Er führt durch europäische (Groß-)Städte, in denen Sammlungen existieren, die schon vor Jahrhunderten von faszinierten Wissbegierigen angelegt worden sind. Was wächst tief unten im Meer? Wie sehen Menschen von innen aus? Welche Tiere leben in anderen Teilen der Erde? Diese Fragen haben sich die Menschen auch schon gestellt, als das Reisen in exotische Länder und auf andere Kontinente nur wenigen vergönnt war. Und auch damals waren es vor allem Seefahrer, die von ihren Rundreisen mitbrachten, was ihnen besonders sehenswert erschien.

Überall in Europa existieren Wunderkammern
Muscheln, Korallen, Elfenbein, Gesteinsarten, Knochen, Versteinerungen und das, was "Künstler" aus diesen Materialen verarbeitet haben, sind nur ein Bruchteil dessen, was der XXL-Bildband "Cabinet of Curiosities" zeigt. Viele der Exponate, die in Wunderkammern über ganz Europa verteilt sind, könnten heutzutage gar nicht mehr entstehen – manche aus Artenschutz-Gründen, andere, weil diese Art der Zurschaustellung sich heute von selbst verbietet.

Was manche Nachfahren möglicherweise als Kitsch oder Staubfänger entsorgt haben, blieb in Kuriositätenkabinetten erhalten und auch heute noch anzuschauen. Und was das für Wunderkammern sind! Was Massimo Listris "Bilderbuch" zeigt, lässt uns staunen, manches sieht selbst 2020 noch "futuristisch" aus. Die liebevolle Gestaltung des Buches mit seinen rosametallicfarbenen Introseiten oder etwa einer dreifach ausklappbaren Doppelseite für Elfenbeinkunst sorgt sogar für eine gewisse Ehrfurcht – auch vor den Opfern, die die Exponate vor vielen, vielen Jahren gefordert haben.
Massimo Listri ist 1953 in Florenz geboren und hat sich und seine Fotografie schon mit 17 Jahren auf Kunst und Architektur spezialisiert. Er hat bereits 70 Fotobände veröffentlicht.