Wer hätte schon jemals etwas vom Schleswig-Holstein-Haus in Schwerin gehört? Oder gar von Ausstellungen, die dort stattfinden? Inzwischen berichtet selbst die "New York Times" über diesen Mäusewinkel der Kunstwelt. Denn in Schwerin wird Arno Breker präsentiert, Hitlers Lieblingsbildhauer. Und wer Nazikunst zeigt - und auch nur den Hauch eines Verdachts auf sich zieht, einen Mittäter zu verklären -kommt sofort auf die schwarze Liste der Politisch Korrekten. Dieser Effekt kann durchaus gewollt sein, denn eine andere Chance, in New York das Schweriner Schleswig-Holstein-Haus ins Gespräch zu bringen, gibt es wohl kaum. Doch das würde natürlich keiner der Beteiligten zugeben.
In jedem Fall ist die Provokation gelungen, war sie nun gewollt oder nicht. Ende vergangener Woche forderte der Bundesverband Bildender Künstler (BBK), der nach eigenen Angaben mehr als 10.000 Künstler vertritt, öffentlich die Schließung der Schau. "Im Prinzip läuft die Ausstellung darauf hinaus, Breker hoffähig zu machen", schimpft BBK-Sprecher Werner Schaub im Gespräch mit stern.de. Seine Kollegin Ines Diederich vom Schweriner Landesverband des BKK legt noch einen obendrauf: "Das ist eine Verherrlichung, Inthronisierung und Rehabilitierung Brekers", sagt sie. "Jeder Tag, an dem die Ausstellung weiter läuft, ist ein Skandal."
"So schlecht kann der nicht sein"
Diese Ansicht hat sich der BBK sozusagen wissenschaftlich bestätigen lassen. In einer Art Minigutachten schreibt der Berliner Kunsthistoriker Christoph Zuschlag, Mitarbeiter der Forschungsstelle "Entartete Kunst" an der Freien Universität, die Ausstellung sei eine "verbrämte" Apologie. Zuschlag erregt sich unter anderem darüber, dass im Begleitband auf frühe jüdische und homosexuelle Freunde Brekers verwiesen wird, um zu belegen, dass der Bildhauer nicht von Anfang an der NS-Ideologie anhing. Auch die - als Frage formulierte - These im Begleitband, ob man Brekers Arbeiten nicht in die gesamteuropäische neoklassizistische Strömung während 30er und 40er Jahre einordnen müsse, betrachtet Zuschlag als Versuch einer Verharmlosung. "Und was sollen die in aller Breite zitierten positiven Äußerungen prominenter Künstlerkollegen sowie Ansammlungen von Brekers späteren Prominentenporträts im letzten Ausstellungsraum denn anderes sagen als: Seht her, wenn solche bedeutenden Zeitgenossen hinter Breker stehen beziehungsweise sich von ihm porträtieren lassen, kann der doch so schlecht nicht sein?"
Wackliger Kompromiss
Tatsächlich wurde die Schweriner Schau in Zusammenarbeit mit Brekers Witwe Charlotte erstellt - sie lieh die Exponate aus und regulierte die Einblicke in seinen Nachlass. Es wäre naiv anzunehmen, sie hätte nicht dafür gekämpft, ihren verstorbenen Mann in ein möglichst positives Licht zu tauchen. Obendrein hat das magere Ausstellungsbudget von 55.000 Euro verhindert, vorab gründliche Recherchen anzustellen. Schon im Vorfeld der Ausstellung war deshalb klar, dass nicht mehr als ein wackliger, angreifbarer Kompromiss zwischen den Perspektiven der Witwe und dem kritischen Bewusstsein der Ausstellungsmacher herauskommen kann. Das hätte vermieden werden können, wenn eines der größeren, etablierten Museen auf Breker eingestiegen wäre. Aber: Wer mag sich schon an Nazikunst die Finger verbrennen?
Täglich 400 Besucher
Der Schweriner Kulturdezernent Hermann Junghans jedenfalls ließ sofort nach der Attacke des BBK verkünden, die Schau werde weiterlaufen. "Wir hatten von vornherein nicht den Anspruch, Breker in Gänze erklären zu können", rechtfertigt sich Junghans im Gespräch mit stern.de. Es sei vielmehr darum gegangen, eine Diskussion in Gang zu setzen, und das sei gelungen. "Es wird mehr über den Zusammenhang von Kunst und Ideologie gesprochen, außerdem haben wir die Breker Forschung angestoßen." Junghans bezog sich mit dieser Äußerung unter anderem auf den stern-Artikel, der nachweist, dass Breker bis ins hohe Alter Kontakte ins rechtsextreme Milieu gepflegt hat. Außerdem freut sich Junghans natürlich über die PR-Effekte für seine Stadt. Täglich strömen etwa vierhundert Besucher in die Ausstellung, der Begleitband muss nachgedruckt werden, das kleine Schleswig-Holstein-Haus ist in aller Munde. Dass sich ein Kulturdezernent diese "Erfolge" nicht nehmen lassen will, ahnte auch BKK-Sprecher Schaub, als sein Verband öffentlich die Schließung forderte. "Das ist das erste Mal, dass wir eine solche Forderung stellen. Aber sie wird vermutlich ohne Wirkung verhallen."