"Deutschland sucht den Superstar" Triumph der Angepassten

  • von Björn Erichsen
Es war ein Abend voller Überraschungen: Erst qualifizierte sich der brave Buskohl-Nachrücker Martin Stosch für das Finale von "DSDS". Und dann hatte auch RTL allen Grund verblüfft zu sein - trotz der riesigen Medienpräsenz der letzten Wochen rutschte die Quote der Show ab.

"Max Buskohl ist Geschichte." Das Halbfinale von "Deutschland sucht den Superstar" war noch keine drei Minuten alt, da legte Moderator Marco Schreyl das Thema der Woche zu den Akten. In einen kleinen Filmchen, noch vor dem Vorspann, hatte RTL seine Sicht der Dinge deutlich gemacht: "Ich bin freiwillig gegangen", musste Max Buskohl ein letztes Mal die inzwischen offizielle Version seines Abgangs abnicken - nur um gleich darauf von seinen ehemaligen Mitstreitern für sein formatschädigendes Verhalten abgewatscht zu werden: "Ich glaube, dass er es irgendwann bereuen wird", gab Lisa Bund zu Protokoll und Mark Medlock pöbelte: "Scheißaktion, scheiße, dass du gegangen bist, Drecksack."

Ein paar offene Worte über die Rolle des Senders beim Buskohl-Ausstieg vermisste man ebenso wie etwa eine kleine Entschuldigung bei all den Anrufern, die sich abgezockt fühlten, da sie beim letzten Mal brav für Buskohl angerufen hatten, obwohl dessen Abschied bereits vorher absehbar gewesen war. Aber das hatte man wohl auch nicht erwarten können. Selbstredend fiel auch keine Silbe zu Stefan Raab, der den "TV-Skandal des Jahres" ("Bild") genutzt hatte, um quotenheischend und schließlich geschmacklos - mit einem nachempfundenen Geiselplakat der RAF - um einen Auftritt von Buskohls Band "Empty Trash" bei "TV Total" zu buhlen.

Finale Taschengeldreserven freigesetzt

Bei RTL konzentrierte man sich lieber auf das Wesentliche: Anrufanreize schaffen. Diesmal war die allzu rührig dargebotene "Rückkehr des Martin Stosch" Garant dafür, dass die Drähte glühten: das Comeback des braven Bübchens, dessen Traum in der Vorwoche schmerzvoll zerplatzt war und der nun eine zweite Chance erhielt. "Ich will das Ding hier gewinnen, vielleicht ist hier ja doch nicht alles umsonst gewesen", hauchte Stosch artig und sichtlich dankbar in das Mikrofon.

Mit Erfolg: Dass sich Nachrücker Stosch gegen Bund durchsetze, ist eine faustdicke Überraschung. Im pubertierenden Fanlager des 16-Jährigen hat der Schock der Vorwoche offenbar letzte Anrufhemmungen purzeln lassen und finale Taschengeldreserven freigesetzt. Um keinen Preis wollte man sich noch einmal die Augen rot weinen müssen, mit aller Macht galt es, den doppelten Rausschmiss des Lieblings zu verhindern.

"Guter Durchschnitt, mehr nicht"

Die Gesangseinlagen, mehr denn je nur notwendiges Nebengeräusch, spielten für das Ergebnis keine Rolle: Stosch trug seine drei Songs, die diesmal von den Jury-Mitgliedern ausgewählt wurden, passabel vor, bewies aber bei "Rockin’ All Over The World" von Status Quo erneut, dass sein bühnenreifes Repertoire auf langsame Schmuse-Songs begrenzt ist. Etwa das seichte "I Swear" von All-4-One, das ihm nicht nur Lob, sondern auch ein Dutzend langstieliger Rosen aus dem Publikum einbrachte. "Guter Durchschnitt, mehr nicht", brachte ausnahmsweise Heinz Henn Stoschs Gesamtleistung auf den Punkt.

Lisa Bund könnte diesmal ihre Neigung zur Zickigkeit zum Verhängnis geworden sein - die kleine Diva beschwerte sich wortreich über den von Anja Lukaseder ausgesuchten Song "Geile Zeit" von Juli und intonierte diesen entsprechend emotionslos. Ihr Ausscheiden am Schluss ertrug sie äußerlich mit Fassung, jedoch verriet ihr Blick, wie sehr sie litt.

Gipfel der Anbiederung

Bohlen-Liebling Medlock gefällt sich indes mehr und mehr in seiner Rolle als Vorzeigesuperstar. Seine Interpretation von "(Sittin’ On) The Dock Of The Bay" von Otis Redding zeigte zwar, dass er sich gegenüber dem Casting musikalisch deutlich weiterentwickelt hat, als er an diesem Song noch fast verzweifelt war. Der Vergleich offenbarte ebenfalls, dass sich der ehemals impulsiv-renitente Freak um des Erfolges willen bereitwillig sämtliches Profil hat abschleifen lassen. Noch immer irgendwie individuell, jedoch mit maximaler Anpassungsbereitschaft und auf größtmögliche Harmonie in der DSDS-Familie bedacht.

Sein Versuch, den immer dümmlicher inszenierten Streit zwischen Bohlen und Henn zu schlichten ("Kindergarten"), war noch nicht einmal der Gipfel der Anbiederung - der kam erst nach seiner erfolgreichen Finalqualifikation, als er sich mit Bohlen jubelnd in den Armen lag.

Planungssicherheit mit glattgeschliffenen Sängern

Die Einschaltquoten der Halbfinalshow sind - und das ist die nächste Überraschung des Abends - gesunken. Mit 2,52 Millionen Zuschauern in der werberelevanten Zielgruppe und einem Marktanteil von 29,5 Prozent ist DSDS zwar Spitzenreiter des Samstagabends, jedoch dürfte man ob der medialen Dauerpräsenz der Vorwoche bei RTL wohl etwas mehr erwartet haben.

Die Traumquoten früherer Jahre wird es daher wohl auch in der nächsten Woche nicht geben, wenn DSDS, mehr als neun Monate nach Beginn des ersten Castings, endlich den neuen Superstar gebiert. Wer letztlich gewinnen wird, lässt sich kaum prognostizieren: Medlock gilt als Favorit, jedoch wird das Stosch-Lager wieder alle Kräfte mobilisieren und kräftig anrufen, soviel ist sicher. Die brave Finalpaarung wird aber keinen echten Star hervorbringen, der die ganz großen Massen anzieht. Aber RTL hat immerhin zwei glattgeschliffene Sänger beieinander, die vor allem eines garantieren: Planungssicherheit.

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