Gary Jules Mit "Mad World" aus dem Underground nach oben

Mit seinem Song zu dem Film "Donnie Darko" wurde Gary Jules quasi über Nacht berühmt. Dabei war sein Album "Trading Snakeoil For Wolftickets" schon seit drei Jahren fertig.

Gary Jules hat eine Stimme, die es mit Art Garfunkel aufnehmen kann. Wenn er den Tears-for-Fears-Klassiker "Mad World" zu sparsamer Piano-Begleitung singt, erscheint der jetzige Erfolg wie vorprogrammiert. Aber Jules kam mit langem Anlauf: Sein Album "Trading Snakeoil For Wolftickets" (Sanctuary) war schon vor drei Jahren fertig, und seine jetzt zum Superhit avancierte Cover-Version blieb zunächst unbeachtet.

Als das Lied dann aber im Soundtrack seines Freundes Michael Andrews für den Film "Donnie Darko" im dramatischen Finale eingesetzt wurde, setzte die Aufwärtsbewegung ein.

"Es war eine Art zweieinhalbjährige Vertrauensbildung mit Grass-Roots-Unterstützung", berichtet der 34-jährige Kalifornier. "In England ging es senkrecht in die Charts." Vorläufiger Höhepunkt: Platz eins in den britischen Weihnachtscharts - die begehrteste Position des Jahres, weil im Vereinigten Königreich vor Weihnachten traditionell die meisten Platten verkauft werden. Jules hatte angesichts der angetretene Star-Prominenz einschließlich diverser Pop-Idol-Sieger niemand auf der Rechnung.

Es müssen nicht immer Casting-Shows sein

Sein Erfolg fiel aber nicht vom Himmel, er kam aus der Underground-Szene. Und seine Geschichte zeigt, dass es auch ganz anders als mit Casting-Shows und anderen in der Musikindustrie üblichen Mechanismen gehen kann.

Ein Film mit Kultstatus

"Das Lied begann (in den Staaten) bereits populär zu werden, bevor der Film herauskam", erzählt Jules. Die Antriebsenergie für den kommenden Hit nahm zu, als "Donnie Darko" in die Kinos kam - der Film wurde zwar kein "Blockbuster", bekam aber Kultstatus. "Als die DVD herauskam, wurde 'Mad World' noch populärer" beschreibt Jules den weiteren Werdegang.

Unterstützung von wichtigen DJs

Dann kam England, und dort wurde es anders vermarktet. Sie warben für den Film für das Independent-Kino. "Es wurde eine Art Underground-Hit. Wir beobachteten eine zunehmende Internet-Aktivität - wir gingen auf die Download-Seiten von Kazaa und LimeWire und gaben 'Mad World' ein. Und es ging sofort 'ding-ding-ding': Man konnte es von 50-60 Leuten herunterladen. Es begann, sich zu verbreiten. In England wünschten es sich mehr und mehr Leute im Radio. Mehrere wichtige DJs (Moderatoren) unterstützten den Song - sogar bevor die Plattenfirma sich einschaltete. Es gab keine Vermarktungsstrategie, es funktionierte mit einer eigenen Energie. Je mehr 'Mad World' im Radio gespielt wurde, desto mehr wurde es von den Leuten verlangt - und dann war es auf einmal ein großer Hit."

Ein Opfer der Firmenfusion

In seinem jetzt auch in Deutschland veröffentlichten Album besingt Jules seine Wahlheimat Los Angeles; die harte Zeit, die er durchmachte, als sein erster Plattenvertrag sich durch eine Fusion in Nichts auflöste: Nachdem A&M von einem Konkurrenten übernommen wurde, war für ihn kein Platz mehr. "Trading Snakeoil For Wolftickets" erzählt von den freundlich erzählten Lügen im privaten und beruflichen Alltag. "Es ist hart, das Geschäft zu lernen, seine Musik zu verkaufen. Und manchmal scheint es auch ein schmutziges zu sein, insbesondere, wenn dir die Leute Schlangenöl für Wolfscheine andrehen, Versprechungen machen, die sie nicht einhalten können oder gar nicht die Absicht haben zu halten. Und viel Mist erzählen, nur um sich selbst wichtig zu machen."

Literaturstudium als Zwischenschritt

Die Enttäuschung nach dem geplatzten A&M-Deal überbrückte er mit einem Studium der Englischen Literatur - seinen Fähigkeiten als Texter sei das sicherlich zugute gekommen, sagt er lächelnd. Und geholfen hat auch eine völlig von der Musikindustrie abgekoppelte Szene: "In Amerika hat es immer tourende Underground-Bands gegeben; Bands, die touren und touren und tonnenweise Geld machen. Obwohl ich ihre Musik nicht ertragen kann - es sagt etwas über den Underground, über Leute, die unabhängig aufnehmen: Es hat immer eine Alternative gegeben. Die etablierte Musikindustrie verlässt sich auf die Pop-Idol-Herstellung. Zum Glück haben wir gleichzeitig die Technologie, das Internet und das Home-Recording. Vor allem das Equipment ist so erschwinglich geworden und wird viel genutzt; fast jeder kann selbst ein professionelles, qualitativ hochwertig klingendes Album machen. Das bringt es natürlich mit sich, dass es viel Schrott gibt, aber auch, dass Leute, die in keine Schubladen passen, Musik veröffentlichen können."

Positive Funktion von Musikdownloads

Ryan Adams und Norah Jones nennt Jules als prominente Beispiele für Musiker, die es durch touren und Mundpropaganda nach ganz oben geschafft haben. "Ich denke auch, dass herunterladbare Musik und Leute, die Songs tauschen, auf eine merkwürdige Weise zur Veränderung beitragen. Weil sie eine andere Art Musik verbreiten. Es ist wie eine neue Welt."

Und in dieser neuen Welt haben auch die klassischen Singer-Songwriter wieder einen Platz. "Ich habe immer akustische Gitarre gespielt und gesungen. Und mich haben immer wieder Leute gefragt: 'Wie kommt es, dass niemand Platten macht, die so wie deine Lieder klingen?'" Jules hat einfach selbst Hand angelegt: "Trading Snakeoil For Wolftickets" wurde nach seinen Angaben auf der Stereoanlage eines Freundes abgemischt; die Produktionskosten hätten bei rund 100 Dollar gelegen.

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Uwe Käding, AP

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