Natürlich ist es kein alter Mann, der da gebeugt auf die Bühne schlurft. Im Tuxedo, der einige Nummern zu groß ist. Mit mächtigem Bart, der schon sehr, sehr grau ist. Der nach ein paar Metern stehen bleibt und sich kämmt mit großer, ausladender Geste - wer macht so etwas schon noch? Es ist Helge Schneider, der mal wieder auf Tournee ist. Oder immer noch auf Tournee ist? Irgendwo im Land, daran haben wir uns ja gewöhnt, klebt stets ein Hinweis darauf, dass Helge Schneider demnächst wieder in der Stadt ist.
Doch vor knapp drei Jahren musste er eine Konzertreise abbrechen, weil sein Körper streikte. Und demnächst, so heißt es, könnte er sich tatsächlich für ein Weilchen zurückziehen. Also: Lieber noch einmal nach dem Rechten sehen, zum Beispiel in Cottbus. Vor der Stadthalle kündigen die Plakate "Pretty Joe und die Dorfschönheiten" an, aber egal, was draußen drauf steht, drinnen gibt es immer einen bunten Abend mit Helge Schneider, mit - diese Verknappung muss mal erlaubt sein - Quatsch und Musik.
Frieden mit dem "Katzeklo"
Die Cottbusser sind erschienen, um Spaß zu haben, und Helge Schneider kommt ihnen schnell entgegen. Nach einer Instrumentalnummer zu Beginn des Abends, für die es höflichen Applaus gibt, stimmt er schon "Katzeklo" an, seinen Erfolgssong, den er manches Mal verflucht und lange Zeit aus dem seinem Programm verbannt hatte. Mittlerweile aber scheint er seinen Frieden damit geschlossen zu haben. Das Publikum darf mitklatschen und sogar mitsingen - solch eine Schunkelseligkeit hat der Meister früher schon mal mit einer Runde "Strafjazz" bestraft.
Diesmal wird der 20 Jahre alte Hit zu einem Drama auf Leben und Tod, vor dem Happy End geht es um Haarverlust im großen Stil, Flucht in höchster Not und noch dramatischere Dinge. Hier, wie auch bei "Es gibt Reis, Baby" oder "Meisenmann", läuft Schneider zu großer Form auf, indem er zu alten Nummern ganz neue Geschichten erzählt. Auch andere Klassiker wie ein Essen im China-Restaurant "Mykonos", die Stimme von Udo Lindenberg und Witze über Peter Maffay können sich 2014 noch gut hören lassen.
Hat er uns da eigentlich verarscht?
Von Tour zu Tour tritt Schneider mal mit kleiner, mal mit größerer Band auf. Am längsten dabei ist mittlerweile der Teekoch Bodo. Dazu begleiten ihn sechs Musiker, seit einer Weile spielt auch Peter Thoms wieder mit. In den Neunzigern war er Schneiders Schlagzeuger, heute macht er es eine Nummer kleiner und klopft auf Kongas. Mit den anderen Musikern sorgt Thoms für einen souveränen Rahmen, wenn der Chef nur mal eine Runde Musik spielen will. Eine Flamenco-Gitarre zupfen. Oder bei "Mr. Bojangles" sich am Synthesizer austoben.
Der Entertainer von der Ruhr hat sich vorbereitet auf den Auftritt am anderen Rand der Republik. Er versucht sich am sorbischen Namen für Cottbus, er erzählt, dass er seine Band vom Arbeitsamt im benachbarten Fürstenwalde hat. Nach zweieinhalb Stunden ist Schluss; die Cottbusser dürfen auf dem Weg nach Hause noch grübeln: Der Wechselgesang mit der linken und der rechten Hälfte des Saals - hat Schneider sich da über sie lustig gemacht? Und Sergej Gleitmann, der mit dem sensationellen Bart, der sich nur für zwei Kurzauftritte auf der Bühne blicken ließ - was hat es mit dem eigentlich auf sich?
Schön zu wissen, dass Helge Schneider immer noch eine ordentliche Portion Irrsinn gut ist. Aber er ist auch ja erst 58 Jahre alt. Ein alter Mann ist er noch lange nicht.