Noch immer haben viele den Pete Doherty im Kopf, der einst mit Kate Moss zusammen war. Die Schöne und das Biest. Der offensichtliche Junkie, der Journalisten aus blutigen Spritzen bespritzte. Skandalnudel, abgewracktes Genie, irgendwo zwischen unberechenbar und unzurechnungsfähig. Der britische Musiker, der essentieller Teil der Indiebands "The Libertines" und "Babyshambles" ist.
Einerseits schüttelte er mit Leichtigkeit Indie-Hymnen wie "Time For Heroes", "What Katie Did" oder "Fuck Forever" aus dem Ärmel, andererseits vergaß er Termine, machte Albumaufnahmen zu Geduldsproben, brach Konzerte frühzeitig ab oder begann sie mit Stunden Verspätung. Selbst Dohertys Fans hatten ihn in den späten 2010er Jahren vielfach aufgegeben. Jetzt spielte er solo in Hamburg – und bewies, dass selbst einer wie er sich berappeln kann.
Pete Doherty spielte live in Hamburg
Schon seit einem guten Jahr gab es überraschende Signale. Doherty solle clean sein, heißt es. Die Jubiläumstour mit den "Libertines" lief geschmeidig, ein neues Solo-Album entstand. Und in Hamburg steht er tatsächlich überpünktlich auf der Bühne des Mojo Clubs. Die dunklen Haare sind inzwischen ergraut, ein paar gesunde Pfunde haben den früheren Heroin-Chic ersetzt. Das Konzert ist ausverkauft. Und Doherty gibt sich gut gelaunt und tiefenentspannt – zwischendurch schlürft er zufrieden Fanta. Limo statt Alkohol. Er lobt den Softdrink gar als "großartige deutsche Erfindung" und bewirbt sich humorig als dessen nächstes Werbegesicht.
Der 44-Jährige steht allein mit seiner Gitarre auf der Bühne. Mehr braucht es auch nicht: Er schrammelt ein paar Akkorde und singt mit seiner seelenvollen, leicht brüchigen Stimme eine Nummer nach der anderen. Das ist es, was er tut und was er sogar dann noch konnte, als sonst nichts mehr ging. Er spielt ein paar neue Stücke und ein paar ganz alte. Songfetzen, die er vor 25 Jahren zusammen mit Kompagnon Carl Barât begonnen, aber nie beendet hat – und die er jetzt quasi in Echtzeit vor dem Publikum in eine fertige Form bringt. In "Sucks and Blows" geht es um Punks in Frankfurt, die er mal getroffen hat. Die putzige Zeile "You're an Indie Ubermensch" sorgt für Lacher. Dazwischen Hits, Hits, Hits, die er nonchalant ins Mikro schnurrt, als wäre es nichts.
Indie-Hits ohne Ende
Manchmal kräht jemand aus dem Publikum einen Wunsch, dann guckt der Brite auf seine mitgebrachte Liste, runzelt die Stirn und erläutert, warum er diesen Gefallen nicht tun könne. "Dazu kommen wir noch", sagt er, oder: "Ich hab schon versucht, den zu lernen, aber ich hab's nicht hinbekommen". Einmal sagt er dann: "Fuck it, ich spiel den jetzt".
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"The Beatles: Die Audiostory"
Wer weiß, ob es das Indra in Hamburg heute noch geben würde, wenn die Beatles 1960 dort nicht ihren ersten Auftritt gehabt hätten. Vermutlich nicht. Auf jeden Fall beginnt die Karriere der erfolgreichsten Band dort, in einem kleinen Club auf der Reeperbahn. Damals stand übrigens noch Stuart Sutcliffe am Bass und Pete Best saß statt Ringo Star am Schlagzeug.
Im Hörbuch "The Beatles: Die Audiostory" erzählen Thomas Bleskin, Daniel Oberdorf und Ralph Guhlke die Karriere des Liverpooler Quartetts detailgetreu nach: vom ersten Aufeinandertreffen John Lennons mit Paul McCartney bis zur Auflösung der Band 1970. Für jeden Musik-Fan ein MUSS.
"The Beatles: Die Audiostory" hier bei audible.de.
Eigentlich wollte er sich relativ chronologisch durch seine musikalische Biografie arbeiten: Erst die frühen "Libertines"-Sachen, dann "Babyshambles" und späte "Libertines", dann, so kündigt er an, für das Hamburger Publikum einen Song vom späteren Solowerk "Hamburg Demonstrations". Ganz so kommt es nicht: Doherty und das Publikum fühlen sich so heimelig im Mojo Club, dass der Indierocker immer wieder Anekdoten auspackt. Er erzählt von seinen ersten Auftritten in Pubs, der Zusammenarbeit mit Carl Barât, von Drogen. "But we made it", sagt er dem Publikum mit trotzigem Stolz, und meint damit vor allem sich selbst. "We made it through the rain!" Wir haben es da durch geschafft.
Anderthalb Stunden waren zu kurz
Nach anderthalb Stunden gibt ihm ein Roadie ein dezentes Zeichen: Die Zeit ist um. Leider, bevor es einen Song von der Hamburg-Platte zu hören gab, oder die ebenfalls versprochene Indie-Hymne "Fuck Forever". Doherty wirkt darob ebenso betrübt wie die Fans – man hat den Eindruck, er hätte locker noch eine Stunde weiterspielen mögen, hätten nicht Club und Crew andere Pläne. Aber genau deshalb war es ein guter Abend. Ein fröhlicher Pete Doherty, ein gebanntes Publikum, die merkwürdige Magie der Musik. Und Fanta. Man gönnt dem Mann alle Fanta der Welt und hofft, dass es ihn nie wieder nach etwas anderem begehrt.