Frau Vega, es ist gerade ein Jahr her, dass Michael Jackson gestorben ist. Was halten Sie von dem Gedenk-Trubel, und dass er plötzlich zur Legende ernannt wird...
Oh, eine Legende war er vorher auch schon. Das hat er doch die ganze Zeit kultiviert. Es ist nur intensiver geworden, weil er nicht mehr da ist.
Finden Sie nicht, dass sein Tod auch eine reinigende Wirkung auf Jacksons angeschlagenes Image hat?
Das war bei anderen Musikern auch schon so. Nehmen Sie Jimi Hendrix, Janis Joplin oder Jim Morrison. Der Tod hat sie transformiert, hat sie in andere Gefilde getragen, die sie vorher fast schon bewohnt haben, ganz sicher aber nach ihrem Tod. Da findet eine Umwandlung statt.
Haben Sie Michael Jackson jemals getroffen?
Nein, nie. Das war ein anderes Universum. (lacht)
Wer ist in Ihrem?
Ich liebe Musiker wie Leonard Cohen. Er hat Musik gemacht, als ich Teenager war. Jetzt bin ich in den 50ern, und er macht immer noch Musik. Und es geht ihm besser denn je. Oder Patti Smith. Sie tourt, schreibt, macht Musik, fotografiert. Es geht nicht um den Hype, sondern um die Arbeit. Für sie und für mich auch.
Ist es schwierig, dem Hype nicht zu erliegen?
Als ich Ende der 80er den großen Erfolg hatte, hat es sich immer etwas seltsam angefühlt. So wie eine Entzündung, die man im Körper hat: Man ist aufgeregt, einem ist heiß, und dann kühlt es ab. So war es für mich. Als "Luka" und "Tom's Diner" so groß wurden, habe ich dem Ganzen ehrlich gesagt nicht getraut. Ich habe gedacht, das beruhigt sich bald wieder. Teilweise war es auch so, teilweise aber auch nicht. Mein Name ist immer noch mein Name, meine Stimme meine Stimme, meine Songs meine Songs. Das verliert man nicht. Aber man verliert einen Teil des Beifalls, die Fotografen...
Ich dachte, auf die verzichtet man gern...
Und ich mache ja auch nichts Wildes. Ich trinke Tee, rede mit meiner Tochter... Das Besondere an mir ist im Herzen und im Kopf. Das kann man nicht fotografieren.
Ist das allgemeine Interesse an den Äußerlichkeiten größer geworden?
Ich glaube, es war schon immer so, nur die Technik hat sich verändert. Es gibt mehr davon. Der Wunsch, das Image zu kontrollieren ist uralt, der liegt in der menschlichen Natur.
Für Ihr neues Album haben Sie alte Songs neu aufgenommen. Sehr sparsam, nur mit Stimme und Gitarre. Suchen Sie nach so etwas wie dem Originalzustand der Songs?
Es geht auch um die Rechte an den Songs. Meine Alben werden nicht mehr hergestellt. Außerdem bin ich ununterbrochen auf Tour und erfinde die Songs für die Bühne immer wieder neu. Da habe ich gedacht: Ich besitze zwar nicht die Masterbänder der alten Aufnahmen, aber die Songs gehören mir. Und wenn jeden Abend Leute kommen, um sie zu hören, warum kann ich sie nicht aufnehmen, um zu sagen: Das habe ich gemacht, das ist meine Arbeit, das ist die klarste, einfachste Version dieses Songs, die ich in diesem Augenblick vortragen kann. Mehr Akustik, Wärme, Menschlichkeit geht gerade nicht.
Entschuldigen Sie die Frage, aber ist es manchmal nicht langweilig, immer wieder die gleichen Songs zu spielen?
Deshalb muss man sie immer wieder neu erfinden. Ich gebe zu, es gibt Augenblicke, da singe ich und merke, dass ich an etwas anderes denke. (lacht) Ich muss ihnen immer wieder Leben einhauen - für mich selbst.
Warum nicht nur noch neue Songs?
Weil ich die alten Stücke liebe! Es entspricht meinem Temperament und meiner Persönlichkeit, daran festzuhalten. Ich erzähle immer wieder die gleichen alten Geschichten. Ich denke nicht linear, ich gehe nicht vorwärts und vergesse, was war. Bei mir sind das mehr Kreisbewegungen. Dinge aus der Vergangenheit kommen wieder, suchen mich heim. Etwas, das vor 20 Jahren real und präsent war, ist es für mich auch heute noch. So lebe ich.
Wie kommen Sie dann mit dem großen Erfolg klar, der nicht mehr ist?
Es geht immer nur um dich und deinen Kampf, den du führst. Erfolg in der Vergangenheit hat damit nichts zu tun.
Die wenigsten Leute funktionieren so.
Das stimmt. Am Anfang, als ich Alben herausbrachte, die sich nicht mehr millionenmal verkauften, war ich auch enttäuscht. "Gute Güte, dieses Album hat sich nicht eine Million Mal verkauft!" (lacht) Aber da kommst du drüber weg. Musst du ja. Und wenn ich darüber nachdenke, bin ich eben kein Promi. Ich bin Künstlerin. Ich will durch die Stadt laufen und etwas in mein Notizbuch schreiben, es überarbeiten und in anderer Form wieder ausgeben. Mein Schicksal ist es, das Leben auszuspionieren. Und das geht nicht, wenn man dabei die ganze Zeit fotografiert wird.
Ich will Ihnen noch eine lustige Geschichte zum Thema Ruhm erzählen: In New York kommen immer wieder Leute auf mich zu und sagen: Wow, Sie sehen genauso aus wie... Cynthia Nixon. Ein anderes Mal war es Isabella Rossellini. Es ist immer jemand anderes als ich. (lacht)
Zdenek Nemec/CTK/DPA Die eingängigen Melodien von Suzanne-Vega-Songs wie "Luka" und "Tom's Diner" gehören zum Soundtrack einer ganzen Generation. In den 80ern kam man an dieser glasklaren Mädchenstimme einfach nicht vorbei. "Solitude Standing" (1987) hieß das Hit-Album. Sechs weitere hat Suzanne Vega seitdem gemacht, ausgelotet, was geht, ohne auf Mainstreamtauglichkeit zu achten, und sie geht immer wieder auf Tour. Das neueste Album heißt "Close-Up Vol.1, Lovesongs" und eröffnet eine Reihe mit Neuvertonungen alter Songs. Das nächste soll "Peoples and Places" heißen.