"Gottschalk Live"-Premiere im Ersten Gute Quote, genervte Kritiker

Unterhaltsamer Abend oder zerhackte Ego-Show? Thomas Gottschalks ARD-Vorabendpremiere war gelungen - was die Quote betrifft. Von der Presse gab es ein paar warme Worte und jede Menge scharfe Kritik.

Entertainer Thomas Gottschalk hat mit seiner neuen ARD-Vorabendshow einen gelungenen Einstand gefeiert, zumindest was die Quote angeht: 4,34 Millionen Zuschauer sahen am Montagabend die Premiere der halbstündigen Sendung "Gottschalk live", die von jetzt an immer montags bis donnerstags um 19.20 Uhr läuft. Der Marktanteil lag bei sehr guten 14,6 Prozent. Das ist deutlich über dem Senderschnitt am Vorabend. Im vergangenen Jahr hatte "das Erste" in der Zeit zwischen 18 und 20 Uhr gerade einmal durchschnittlich 8,4 Prozent Marktanteil.

Fraglich ist allerdings, wie lange das große Zuschauerinteresse anhält. Wenn das Publikum die Sendung genauso honoriert wie die Kritiker, dürfte die Quote schon heute Abend absacken. In der Presse fand sich neben einigen warmen Worten für Deutschlands Show-Titan jede Menge scharfe Kritik. Ein Überblick:

"Süddeutsche Zeitung": Jetzt hilft nur noch ein Eisbärbaby

Kann sowas wirklich jemandem Spaß machen außer dem Moderator selbst, beschleicht einen beim Zuschauen die bange Frage? Dieses bemüht gemütliche Studio, diese unterwürfigen Mitarbeiter, diese lahmen Gags, die vielen Werbeunterbrechungen, dazwischen ein Gast, viele Ankündigungen über Partizipationsmöglichkeiten der Zuschauer via Internet, aber Zeit zum Erzählen bleibt eigentlich nicht - und die noch verbleibenden paar Minuten füllt der TV-Titan, wie er sich selbst am selben Morgen noch in der Bild-Zeitung bezeichnete, mit seinem neuen oder alten Lieblingsthema: sich selbst. … Bleibt dem Gastgeber ganz zum Schluss, vor dem Publikum auf die Knie zu fallen, für den Folgetag ein Eisbärbaby zu versprechen und in gespielter Verzweiflung zu betteln: "Ich brauche jeden Zuschauer!". Auch das ist natürlich Show. Thomas Gottschalk braucht das Publikum längst nicht mehr. Das Publikum ihn aber auch nicht, wie diese Sendung eindrucksvoll bewiesen hat.

"Tagesspiegel": Premieren-Panne

Gottschalk wirkte wie ein Gast, wo er doch Gastgeber sein soll. Live ist grausam, weil jeder Fehler, jede Schwäche sichtbar wird, doch eine Sendung nur mit Schwächen ist halt eine schwache Sendung. … Wünschenswert wären echte Themen, Gespräche, die ansatzweise Gespräche sind, eine Dramaturgie, die der Produktion eine echte Chance gibt. Muss "Gottschalk live" rein den ARD-Werbeeinnahmen dienen? Dann ist die Sendung schon am Ende, noch ehe sie begonnen hat. Außerdem ist sie dermaßen auf Gottschalk zentriert, dass sofort auffällt, wie sehr der Master unter "Sprechdurchfall" leidet. Wahrscheinlich wird er nach Worten pro Sekunde bezahlt. Die Premiere war panne. Das wird sich ändern. Sie zeigt zugleich die Größe der Aufgabe, die vor Gottschalk liegt. Warum soll das Fernsehvolk, das beim ARD-Vorabend nicht zu Hause war, bei "Gottschalk live" heimisch werden?

"Spiegel Online": Gleich geht's weiter

Es ist nicht möglich, auch nur einen halben klaren Gedanken zu fassen, wenn in wenigen Sekunden schon wieder die nächste Werbeunterbrechung droht. Leider ist es diese nervige Verhackstückung, die als erster Eindruck hängen bleibt von der Premiere der neuen Gottschalk-Show. Und das ist durchaus schade. Denn in den wenigen Minuten, die dem Moderator unterbrechungsfrei zugestanden wurden, konnte man am Montagabend einen Thomas Gottschalk erleben, der präsenter und motivierter wirkte als bei vielen seiner "Wetten, dass..?"-Auftritte der vergangenen Jahre.

"Basler Zeitung": Gottschalks Selbstgespräch

Thomas Gottschalk nahm den Sendetitel "Gottschalk Live" etwas gar wörtlich und zelebrierte vor allem sich selber. Dafür bremste ihn sein neuer Arbeitgeber ständig aus.

"Frankfurter Rundschau": Heute gibt's bei Thomas Häppchen

Auf dem Papier stimmt das Konzept schon - und zu Beginn der Show hat Gottschalk es auf den Punkt gebracht: "35 Jahre haben Sie mich in Ihr Wohnzimmer gelassen - jetzt lasse ich Sie in meins." Bevor es mit der ausgeruhten Vorabend-Plauderei richtig losgehen kann, muss Gottschalk aber noch ein ernstes Wörtchen mit seinem neuen Programmdirektor reden. Denn am größten Manko von "Gottschalk live" ist der Gastgeber gar nicht selbst schuld. Es ist jedenfalls eine ziemlich beknackte Idee der ARD, die nicht einmal 30 Minuten dauernde Sendung gleich mehrere Male durch Werbung zu unterbrechen. Dadurch sieht die Live-Show nämlich aus wie Flugzeugessen: Das gibt's auch nur in Häppchen.

"Faz.net". Ich brauche jeden Zuschauer

Dieser Mann war Mister Morning und Mister Late Night. Dieser Mann gab der Supernase ein Gesicht und Garfield eine Stimme. Er kennt die Welt und die Welt kennt ihn. Dieser Mann macht alles klar“: Dem Intro seiner Sendung muss Thomas Gottschalk noch etwas mehr Taten folgen lassen. Etwas mehr „Haltung und Relevanz“, die der verantwortliche Redakteur Carsten Wiese in der Redaktionskonferenz forderte, der wir beiwohnen durften, wäre ganz schön. Oder überhaupt etwas Relevanz. Damit Thomas Gottschalk nicht, wie zum Ende dieser seiner ersten Sendung im Ersten, jedes Mal auf die Knie rutschen und sagen muss: „Ich brauche jeden Zuschauer“.

"Der Westen": Gottschalk Live verkommt zur Dauerwerbesendung

Wäre die Werbung doch das Einzige gewesen, was nervte! Viel schlimmer war, dass Gottschalk genau das kultivierte, was schon bei "Wetten, dass..?" ein Grund zum Wegschalten war: Gottschalk wirkte fahrig, warf Jahreszahlen durcheinander. Dafür warf er sich seinem Gesprächspartner umso mehr an den Hals. Mehrfach betonte Gottschalk, wie sehr ihm Herbigs aktueller Film gefalle. Der Komiker seinerseits durfte ungebremst für seinen Streifen werben (was wiederum zum Werbe-Fernsehen passte). Schlimmer geht nimmer.

"DWDL.de": Ausflug in die Werbezone

Die Sendung hat gewiss viel Potenzial - das wurde in den ersten 15 Minuten deutlich. Thomas Gottschalk hat das Zeug dazu, der Nation zu erklären, was los ist mit den Klums und Seals dieser Welt. Wer, wenn nicht er, wäre für ein solches Format besser geeignet? Man sollte ihm und seinem Team also die Zeit geben, "Gottschalk Live" zu entwickeln und die Zuschauer damit zu überraschen. Am ehesten würde das für den Anfang mit mehr Zeit und weniger Unterbrechungen gelingen. Schade, dass bei der ARD darauf im Vorfeld offenbar niemand gekommen zu sein scheint.

"Evangelisch.de": Gemütlich, sympathisch, zerstückelt

So ein bisschen erinnert Gottschalk an einen netteren Harald Schmidt. Ein paar Geschehnisse des Tages kommentiert er in den ersten 13 Minuten, darunter die Trennung von Seal und Heidi Klum, stellt seine Redaktion vor, und dann kommt der Gast, heute Bully Herbig, dessen größten Erfolg ("Schuh des Manitu") Gottschalk einfach mal 20 Jahre vorverlegt. Gottschalk kokettiert mit seiner eigenen Prominenz und mit den Kontakten, die er in die Welt der Reichen und Schönen hat, aber man merkt ihm an, dass er das alles schon seit Jahrzehnten macht. Im Wohnzimmerambiente sitzt er ganz entspannt mit Bully Herbig zusammen, scherzt mit seinen Mitarbeitern und bringt seine ganze Souveränität und Erfahrung ins Spiel. Man hat so ein bisschen das Gefühl, dass Gottschalk hier die Gelegenheit nutzt, einfach mal zu machen, was er will. … Die Werbung in der Sendung nervt allerdings ziemlich – einmal 60 Sekunden, dann zehn Minuten später noch mal 30 Sekunden, dann fünf Minuten später nochmal Werbung und auch noch das Wetter. Lasst den Mann einfach machen, liebe ARD! Wenn im gebührenfinanzierten Fernsehen Werbung sein muss, dann macht drei Minuten zwischendurch. Aber Gottschalks Gemütlichkeit so zu zerstückeln, irritiert ziemlich.

mad

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