Der perfekte Lidstrich verrät es: Die flackernden Augen auf der Leinwand sind geschlossen, aber unverkennbar die von Adele. Lange sehen die Fans am Samstagabend in der Arena nur dieses Bild:
Dann blicken die Augen endlich auf – und Adele ist zurück in Berlin. Ohrenbetäubender Jubel, als die britische Sängerin im bodenlangen Glitzerkleid auf der Bühne erscheint und ihren Hit „Hello“ anstimmt. Schon beim zweiten Refrain singt das Publikum aus vollem Halse mit: ein Gänsehaut-Auftakt.
Adeles letzter Auftritt in der deutschen Hauptstadt ist fünf Jahre her, damals trällerte sie allerdings in einem deutlich kleinern Club. Mittlerweile stehen bei ihr zuhause zehn Grammys und ein Oscar im Schrank - Zeit für ihre erste Arena-Tour. Gut zwei Stunden singt sich Adele die Seele aus dem Leib, doch keine Sekunde spürt man, dass sie in einem Stadion vor 15.000 Menschen steht. Mal bittet sie ein Mädchen für Selfies auf die Bühne, dann lässt sie sich von einem Zuschauer aus Mexiko die Adresse geben und lädt ihn zur Show in seiner Heimat ein.
Adele die Plaudertasche
„Wenn ich könnte, würde ich jeden von euch kennenlernen. Ich plaudere wirklich sehr gern“, sagt die 28-Jährige und das ist fast schon untertrieben.Wer zum Adele-Konzert kommt, kriegt nicht nur die markante Stimme, sondern auch eine schlagfertige Gastgeberin präsentiert. Die Anekdoten aus ihren Shows machen unter den Fans seit Tourbeginn die Runde. In London versuchte Adele sich erstmals am Twerken – eher versehentlich. In Kopenhagen bot sie zwei homosexuellen Schweden spontan an, für sie als Leihmutter einzuspringen: „Ich hätte so gern ein Kind mit einem Schweden!“
Und auch in Berlin nutzt sie jede Gelegenheit zum Scherzen. „Oh mein Gott! Das T-Shirt hab ich auch, mit Lionel Richie drauf! Hast du etwa gedacht, der spielt heute?“, spricht sie einen Fan an. Adele flucht, singt, plappert mit starkem Londoner Akzent drauf los. Und immer wieder ist ihr dreckiges Lachen zu hören:
„Wer ist ein echter Fan und möchte mein Schweißtuch?“
„Ich hab mir heute einen schlimmen Sonnenbrand geholt. Zum Glück bin ich in schwarz-weiß auf der Leinwand und ihr seht das nicht!“
„Geht ihr ins Berghain? Nein? Die deutschen Clubs müssen dann wohl voll mit Engländern sein!“
Ausverkauft in wenigen Minuten
Es ist das erste von insgesamt sechs Konzerten in Deutschland, neben Berlin ist Adele auch je zwei Abende in Hamburg und Köln zu Gast. Die Tickets waren wie überall auf ihrer Welttournee innerhalb von Minuten ausverkauft. Auf dem Schwarzmarkt wurden sie für mehrere Tausend Euro gehandelt, am Samstagmorgen gab es im Netz noch Angebote um die 250 Euro. Auch vor der Halle versuchen unzählige Fans ihr Glück – meist vergebens.
Die, die drin sind, bekommen diese unvergleichliche Mischung zwischen perfekt vorgetragenen Balladen und derb-witzigen Plaudereien serviert. Viele Zuschauer sind extra aus dem Ausland angereist. „Wer von euch kommt aus Frankreich? Aus Finnland? Aus Neuseeland? Wow, ich kann es nicht glauben! Wo kommt ihr noch her? Aus Ecuador? Fuck, wirklich? Ich bin so international! Ich muss es jetzt fragen: Kommt jemand von euch aus dem All?!“, ruft Adele ins Publikum.
Beim großen Finale zu „Rolling in the Deep“ flattern dann Konfetti-Streifen aufs Publikum nieder. Es ist ein letzter Diva-Moment, bevor sich Adele herzlich winkend verabschiedet. „Jetzt muss ich erst einmal duschen!“
