"Bauer sucht Frau"-Bilanz Harmonie statt Häme

Noch nie gab es so viele Paare am Ende einer "Bauer sucht Frau"-Staffel wie diesmal. Während man sich früher über die ungelenken Balzversuche schwer vermittelbarer Landwirte beömmelte, feiert die Sendung inzwischen die alle Grenzen sprengende Kraft der Liebe.

Ein knorriger, tief religiöser Milchbauer an der Peripherie Bayerns trifft auf eine hochemotionale Thailänderin, die aus dem hohen Norden Deutschlands angereist ist und der das karge bäuerliche Leben so fremd ist wie der katholische Glaube. Gab es je eine unwahrscheinlichere Konstellation für eine Liebesgeschichte? Und doch wurde aus Josef und Narumol 2009 ein Paar. Das Paar des Jahres, zumindest aber doch der fünften Staffel der RTL-Sendung "Bauer sucht Frau". Was sich vor den Augen eines Millionenpublikums abspielte, schien tatsächlich ein kleines Wunder zu sein: Von den Kameras der RTL-Show sorgfältig eingefangen, erblühte hier eine Liebe, die sämtliche kulturelle Barrieren überwand und zwei schwer vermittelbare Individuen zueinander führte. Das Publikum konnte gar nicht anders, es musste Josef und Narumol in sein Herz schließen.

Es ist wichtig, sich die Popularität dieses Paares zu vergegenwärtigen, will man den Erfolg der gerade abgelaufenen sechsten Staffel verstehen: Bestand bei früheren Ausgaben der Kuppelshow der Reiz vor allem darin, sich über die ungeschickten Flirtversuche schwer vermittelbarer Landwirte wie Schäfer Heinrich zu amüsieren, so hat der Erfolg von Josef und Narumol den Machern der Sendung klar gemacht, dass es auch anders geht: "Bauer sucht Frau" funktioniert nicht nur aus niederen Beweggründen wie Spott und Hohn, sondern - im Gegenteil - auch über Sympathie. Die Zuschauer können sich in gleichem Maße für die Bauern freuen, die hier eine Frau gefunden haben.

Über allen thronen Rosi und Willy

Zum Finale von "Bauer sucht Frau" gab es gleich zwei Rekorde zu feiern: Die am Montagabend zu Ende gegangene Staffel war mit durchschnittlich 8,00 Millionen Zuschauern pro Folge die erfolgreichste in der Geschichte der Sendung. Und noch nie zuvor gab es so viele Paare wie diesmal: Marcel und Katja haben sich verlobt, Jenny ist bei Martin eingezogen, Anja und Johannes bekommen beide Kinder - wenn auch nicht voneinander -, Lukas und Stina führen eine glückliche Wochenendbeziehung.

Über allen thronen Rosi und Willy, die ein ähnlich unwahrscheinliches Paar sind wie zuvor Josef und Narumol. Nichts sprach dafür, dass die resolute Imbissköchin und der in Liebesdingen gänzlich unerfahrene Landwirt zusammenfinden könnten. Gleich zu Beginn musste Rosi mehrfach auf den Tisch hauen. Zunächst rüffelte sie den Bauern wegen mangelnder Stallhygiene: "Das tut mir im Herzen weh, wenn ich das sehe." Beim Abendessen wies sie den 49-Jährigen wegen seiner Schmatzgeräusche zurecht, als sei er ein kleiner Junge. Sie drohte sogar mit Abreise: "Wenn es jetzt so ist wie es ist, muss ich mir leider überlegen, ob ich bleiben kann." Die Spannungen zwischen den beiden waren unübersehbar.

Doch dann geschah das Unwahrscheinliche, das Romantiker gerne als das Wunder der Liebe bezeichnen: Willy gab sich Mühe, Rosi registrierte es mit Wohlwollen - und zwischen beiden entwickelten sich Gefühle. Die Sympathien der Zuschauer hatte das Paar jedenfalls auf seiner Seite. Denn die beruhigende Botschaft für das Publikum ist: Wenn sogar die dicke Rosi und der bis dato unberührte Willy ihren Topfdeckel finden - dann besteht für all die alleinstehenden oder unglücklich verbandelten Menschen vor den Fernsehern auch noch Hoffnung auf das perfekte Glück.

Was heißt schon "für immer"?

Dass es das nicht gibt, auch für die RTL-Bauern nicht, spart die Sendung freilich geschickt aus. Während Moderatorin Inka Bause noch von der "Liebe des Lebens" säuselt, dass zwei Menschen "für immer" zusammenbleiben wollen und "nicht einen einzigen Tag getrennt sein wollen", hat so manche im Sommer erblühte Liebe den Winter nicht mehr erlebt. Die große Aufgabe, die frischen Gefühle in ein gemeinsames Leben und einen Alltag zu überführen - sie setzt erst ein, wenn die RTL-Kameras schon längst weitergezogen sind.

Denn natürlich reicht es eben nicht aus, dass sich Verena in Volker verknallt hat. Die Frage ist: Sind die Gefühle so groß, dass sie ihre liebliche bayerische Heimat aufgibt und ins herbe Ostfriesland zieht? Und selbst wenn sie dazu bereit wäre: Findet sie in der dünn besiedelten Region wieder eine Anstellung als Schuhverkäuferin? Zudem rufen Medienberichte - etwa über die von Johannes geschwängerte Exfreundin - in Erinnerung, dass die im Fernsehen ausgestellte Liebe nicht immer so unschuldig ist, wie sie zu sein vorgibt. Dass auch Dritte beteiligt sein können, deren Gefühle verletzt werden - trotz aller im TV zur Schau gestellten Harmonie.

Den Fernsehzuschauern entgehen all diese Probleme freilich. Sie können daheim weiter von der großen Liebe träumen, die vielleicht auch eines Tages sie selbst ereilt. Dass hier von den alltäglichen Schwierigkeiten, der Beziehungsarbeit, gar nicht erzählt wird, könnte zu dem falschen Schluss verleiten, wahre Liebe löse alle Probleme. Das mag weitere Frustrationen im Leben der Zuschauer verursachen. Entspannen können sie sich dann, wenn das nächste Mal wieder die Kraft der großen Liebe gefeiert wird - bei der siebten Staffel von "Bauer sucht Frau".

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