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Filmklassiker Warum die geniale "Karate Kid"-Fortsetzung "Cobra Kai" so viel besser ist als andere Remakes

Alte Rivalen: Johnny Lawrence (William Zabka, l.) und Daniel LaRusso (Ralph Macchio)
Alte Rivalen: Johnny Lawrence (William Zabka, l.) und Daniel LaRusso (Ralph Macchio)
© Everett Collection / PictureLux / Netflix / YoutubeRed / Picture Alliance
Seit Neujahr läuft die dritte Staffel von "Cobra Kai" auf Netflix, die vierte ist bereits angekündigt. Aus gutem Grund. Das "Karate Kid"-Remake ist großartige Unterhaltung. Vor allem, weil die Macher nicht den selben Fehler begehen, wie viele andere, die sich an Neuauflagen von altem Stoff wagen.

Ein abgewrackter blonder Mittfünfziger hockt vor einem Kiosk und isst ein Stück Pizza. Hinter ihm belästigen vier Halbstarke einen Mitschüler. Sie kippen ihm eine Flasche pinkfarbenen Magensaft über den Kopf, schubsen ihn herum und schlagen ihn. Der Junge fliegt gegen die Motorhaube des Wagens des Mittfünfzigers, woraufhin der sich einschaltet. Die Bullies sollen den Jungen in Ruhe lassen, fordert er. Die aber attackieren stattdessen ihn, und der Mann versohlt ihnen kräftig den Arsch. So schon hundert Mal in hundert verschiedenen Filmen gesehen. Doch "Cobra Kai" ist anders. Gerade als der Held die Störenfriede besiegt hat, stürmt von hinten ein Polizist heran. Er brüllt: "Lassen Sie den Jungen in Ruhe!", sprüht dem Helden Pfefferspray ins Gesicht. Der Mittfünfziger wird die Nacht in Polizei-Gewahrsam verbringen.

Die Szene aus der ersten Staffel des "Karate Kid"-Remakes "Cobra Kai" ist sinnbildlich für die gesamte Serie. Wer hier Held und wer Bösewicht ist, ist nie ganz klar. Die Grenzen sind fließend. Das ist in der aktuellen TV-Landschaft grundsätzlich zwar nichts Neues. Spätestens seit den "Sopranos" ist es der geneigte Zuschauer gewohnt, dass der Held einer Serie nicht immer heldenhaft daherkommt.

Was den Reiz von "Cobra Kai" aber ausmacht: Es spielt im Universum der "Karate Kid"-Trilogie aus den 80er-Jahren. Und damals war, wie in vielen Werken dieser Zeit, sehr wohl und sehr platt klar, wer Held und wer Bösewicht war. Die Protagonisten waren eingeteilt in Schwarz und Weiß – buchstäblich, anhand ihrer Karate-Outfits. Hier der erhabene Karate-Junge, trainiert von einem kauzigen Japaner, dort die bösen Halbstarken von einem skrupellosen Sensei zur dunklen Seite der Macht geführt.

Das Remake hinterfragt die Rollenverteilung von damals, allein schon, weil es die neue Geschichte nah und eng am damaligen Antagonisten erzählt. Cobra Kai hieß das Dojo, in dem die Bösewichte trainierten und Johnny Lawrence ist der Blondschopf, der den wohl legendärsten Tritt der Filmgeschichte ins Gesicht bekam. Die neue Serie dreht sich hauptsächlich um ihn, um sein verkorkstes Leben, das nach seiner Cobra-Kai-Zeit als Teenager nie wieder in die richtigen Bahnen gelenkt wurde.

"Strike First. Strike Hard. No Mercy" ist das Motto der Karate-Dojos Cobra Kai
"Strike First. Strike Hard. No Mercy" ist das Motto der Karate-Dojos Cobra Kai
© YouTube Red/Courtesy Everett Collection / Everett / Picture Alliance

"Cobra Kai" ist ein liebevoll gemachtes Remake

Glücklicherweise haben die Macher nicht den bekannten Fehler gemacht, erfolgreiches Material aus der Vergangenheit einfach mit neuen Gesichtern nochmal fast genauso zu erzählen. Weil das ja lang genug her ist und ja schonmal funktioniert hat. Nein. "Cobra Kai" erzählt die Geschichte von damals weiter, und zwar mit den Gesichtern von damals. Zwar ist Mr.-Miyagi-Schauspieler Pat Moria leider in der Zwischenzeit verstorben, aber "Karate Kid" Daniel LaRusso ist von der Originalbesetzung wieder dabei, sogar seine Mutter wird noch von derselben Schauspielerin gespielt, der böse Sensei taucht wieder auf und für eine Folge in Staffel zwei gibt es auch ein Wiedersehen mit vielen aus der damaligen Cobra-Kai-Gang. Das allein macht einen großen Teil des Charmes der Serie aus. Purer Nostalgie-Faktor. "Karate Kid" war einer der großen Filme meiner Kindheit und "Cobra Kai" ist eine Reise zurück in diese Kindheit mit den Stars von damals, nur eben knapp 35 Jahre später.

Dabei hilft auch der Überraschungsfaktor, weil keiner der "Karate Kid"-Stars danach eine allzu große Karriere hingelegt hat. Die meisten Gesichter hat man auch wirklich seit den 80er-Jahren nicht mehr gesehen.

Nun aber sind aus den Teenagern Männer jenseits der 50 geworden. Johnny hat sich von dem Tritt ins Gesicht nie wirklich erholt, ist ein Alkoholiker und Versager, der in einem Zwei-Zimmer-Appartement haust und von seinen schäbigen Jobs gefeuert wird. Daniel LaRusso hingegen hat eine wunderschöne Frau, zwei Kinder, lebt in einer riesigen Villa und ist Inhaber eines Autohaus-Imperiums – Stichwort: "Auftragen, Polieren." 

Überall in der Stadt erinnern Werbeplakate mit dem Gesicht seines einstigen Erzfeindes Johnny an seine nicht verarbeitete Schmach. In seinem Frust eröffnet er das "Cobra Kai"-Dojo neu, was Daniel gar nicht gefällt und die Geschichte nimmt ihren Lauf. Dabei geht es viel um Rivalität, allerdings stets mit einem Augenzwinkern. Als sich Johnny und Daniel in einer Folge bereits in Karate-Stellung gegenüberstehen, denkt man, dass gleich die Fäuste fliegen. Doch dann kommt Daniels Frau aus dem Haus und löst mit einem lässigen Spruch die angespannte Situation auf. In der nächsten Szene trinken alle zusammen drinnen Kaffee.  

Viel Witz in den Dialogen und Zug in der Story

Überhaupt ist "Cobra Kai" verdammt witzig. Vor allem Johnny Lawrence ist ein geradezu sensationell geschriebener, facettenreicher Charakter. Er wirkt wie ein Überbleibsel aus einer anderen Zeit. Als hätte man ihn 1989 auf Eis gelegt und gerade erst wieder aufgetaut. Er hat kein Smartphone und nicht den blassesten Schimmer vom Internet und all diesem modernen Zeug. Er beleidigt ständig alles und jeden als "Pussy", spricht von "Babes" sowie "echten Männern" und scheitert mit unbeholfenen Macho-Anmachversuchen. Nicht selten verstört er mit seiner wenig politisch korrekten Wortwahl seine jugendlichen Schüler, die im 21. Jahrhundert aufgewachsen sind – was für großartige, witzige Dialoge sorgt.

Zwar ist die Handlung hier und da etwas gewollt und die schauspielerischen Leistungen sind nicht immer aus dem obersten Regal, der Nostalgiefaktor hat halt seinen Preis. Insgesamt ist die Story aber kurzweilig, fesselnd und sehr unterhaltsam. Zehn Folgen à 30 Minuten hat eine Staffel und die sind fix durchgesuchtet. Die Dialoge sind geistreich und lustig und vor allem der Charakter Johnny Lawrence macht "Cobra Kai" zu einer außergewöhnlich guten Serie. 

Das sehen wohl auch nicht allzu wenige Zuschauer so. "Cobra Kai" war 2018 auf YoutubeRed etwas unter dem Radar gestartet. 2020 sicherte sich dann Netflix die Rechte, wo die ersten beiden Staffeln ab August zu sehen waren. Seit Neujahr läuft Staffel drei, die vierte ist bereits angekündigt und die fünfte offenbar in Planung.

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