Es ist wie Kaugummi unter dem Schuh. Wenn sich Marco Schreyl kurz vor Mitternacht in der Entscheidungsshow von "Deutschland sucht den Superstar" mit langen, seichten Sätzen gemächlich in Richtung Endergebnis säuselt. Am Samstagabend mussten Nelson, Kim und Manuel die Tortur besonders lang ertragen. Die Ungewissheit, den Kamera-Zoom, das grölende Publikum. Und Schreyl. "Knappe Entscheidung", flüstert der und macht eine Pause. Und noch eine längere zwischen "Ihre Entscheidung" und "Ihre Entscheidung fällt auf..." Und verrät es noch immer nicht. Als Zuschauer möchte man manchmal durch den Bildschirm greifen und dem Mann an die Gurgel. Oder zumindest ein bisschen schütteln, damit er endlich mal zu Potte kommt.
Marco Schreyl ist oft ein Ärgernis. In der aktuellen "DSDS"-Staffel fiel er bisher vor allem durch einige dadaistisch anmutende Brüllmoderationen auf. Mal erzählte er großen Unsinn über Quoten, dann fragte er Kandidatin Steffi Landerer, ob ihre Brüste Namen haben. "Hart an der Grenze zur Butterfahrt-Moderation", urteilte kürzlich der Branchendienst "Meedia" über den Telefonverkäufer aus Thüringen ("Um Himmels Willen, rufen Sie an!"). Er selbst sieht sich als "bösen Jungen", zumindest in der Entscheidungsshow, ansonsten sei sein Job vor allem "Jury und Kandidaten gut aussehen zu lassen." Obwohl Schreyl nun schon seine fünfte Staffel moderiert, wirkt er manchmal immer noch wie ein Fremdkörper im DSDS-Getriebe, irgendwo verklemmt zwischen servilem Bohlen-Höfling und trieborientierter Rampensau.
Weniger laut, weniger schlüpfrig
In Lautstärke und Schlüpfrigkeit hielt Schreyl sich dieses Mal zurück, so dass "Happy Holiday Hits" eine seiner besseren Mottoshows wurde. "Ich bin ihr Animateur" grüßte er anfangs flockig mit Sonnenbrille und Hawaii-Hemd, ebenso wie das Studio voll auf Beachparty getrimmt. Seine erste Amtshandlung des Abends: schleimen beim Chef. "Ein Forschungsinstitut hat herausgefunden: 83 Prozent aller Jugendlichen finden Dieter Bohlen fair", lieferte er Bohlen eine Steilvorlage für dessen Lieblingsmonolog: Den über das "knüppelharte und brutale" Showgeschäft, in dem er sich aber, was für ein Glück, als Einziger so richtig auskennt. Was Bohlen halt so erzählt. Schreyl hat das sicher schon ein paar Dutzend Mal über sich ergehen lassen müssen, das gehört nun mal zum Leben im Windschatten eines "Pop-Titans" (Schreyl).
Beim Selber-lustig-sein gibt es allerdings noch Schwierigkeiten. So drückte Schreyl Publikumsliebling Thomas Karaoglan, der während der Woche für eine Teenager-Massenhysterie in einem Einkaufszentrum gesorgt und dabei all seine 4000 Autogrammkarten verteilt hatte, grinsend einen Stapel eigener Autogrammkarten in die Hand. Und niemand, schon gar nicht der nur noch eine Handbreit vom Größenwahn entfernte "Checker", verstand so recht, was das sollte. Und wer möchte überhaupt von dem 1,93-m-Athleten mit diesen Worten in die Werbepause verabschiedet werden: "Bleiben Sie dran, es gibt noch tolle Titel an unserem kleinen Buffet. Das Dessert ist auch noch dabei. Das bin ich, groß und knackig."
Den Kandidaten hilft Schreyl allerdings tatsächlich, und das nicht allein, weil er selbst noch der schlimmsten Gesangsstümperei etwas Positives abgewinnt. Am Samstag nahm er Nelson in den Arm, nachdem der "Summer Jam" reichlich nervös vorgetragen hatte, vor allem weil seine (noch nervösere) Mutter erstmals im Publikum saß. Dem "kleinen Tuschkasten", Kim Debkowski, wischte Schreyl anschließend ganz behutsam den verschmierten Lippenstift von der Oberlippe. Und schaute auch ernsthaft betroffen, als Bohlen die 17-Jährige für ihr dünnes "La Isla Bonita" (Madonna) aber so richtig fertig machte: "Deine Stimme klingt so emotional, als würde sich diese Désirée Nick die Hornhaut von den Brustwarzen hobeln", ätzte Bohlen völlig überzogen. Schreyl schluckte, für Widerworte gegen "Papa Dieter" reichte es dann aber doch nicht.
Schock am Ende
Den "bösen Jungen" gab Schreyl erst kurz vor Mitternacht: Zunächst erlöste er Kim, und damit schien die Sache eigentlich klar zu sein: Manuel fliegt im hohen Bogen raus, wie von der Jury vorhergesagt. Doch am Ende von Schreyls langer Rede wartete tatsächlich eine Eruption: Nelson ist raus. Schock! Keiner konnte es fassen, der junge Mann schon gar nicht. Sekundenlang stand Nelson da, wie erstarrt, dann flossen Tränen. Man kann von dem "Talentwettbewerb" "DSDS" halten, was man möchte. Aber einen solchen emotionalen Moment kollektiven Erstarrens bekommen derzeit nicht viele Shows im deutschen Fernsehen hin. Und daran hat auch Bad-Boy Schreyl seinen Anteil. Auch wenn man manchmal durch den Bildschirm greifen und ihn kräftig durchschütteln möchte.