Gleich mal vorweg, denn ich befürchte, ich werde sonst als kinderlose, spaßbefreite Journalistin abgestempelt: Ja, ich habe Kinder. Die bestimmt auch, wenn sie älter sind, sehr viele spannende, lustige, beeindruckende Dinge können. Ob sie diese Talente jemals in der Öffentlichkeit vorführen werden, sei dahingestellt. Wo sie aber niemals, niemals, niemals auftreten dürfen, ist bei "Little Big Stars". Einer angeblichen Unterhaltungssendung für die Familie, ausgestrahlt zur besten Insbettgehzeit, Sonntagabend. Schon dieses Konzept erschließt sich nur schwer, denn die Zielgruppe sind Familien mit schulpflichtigen Kindern. Die sicher nicht bis 22.30 Uhr wach bleiben, wenn am nächsten Tag um 8.00 Uhr die Schule losgeht.
Moderiert wurde diese Enttäuschung von Thomas Gottschalk. Das Besondere, so die Stimme aus dem Off: "Kein Wettbewerb, keine Jury, nur Gewinner und glückliche Kinder."
"Little Big Stars" - "Talentshow" mit Kindern
Tja, äh, nun. Glücklich mögen die Kinder gewesen sein. Und Talent an sich ist ja ein dehnbarer Begriff, zum Glück wurde eben kein Kind bewertet. Natürlich gab es in der Show tolle Beiträge, wie das kleine Mathegenie Jonas, den Turner Ali, Kletterin Ana oder die singende Schlagzeugerin Eduarda. Es gab auch vollkommen durchschnittlich talentierte Kinder wie den Insekten "kochenden" Tibo, der eigentlich ohne Gottschalks Hilfe nichts schaffte. Oder den siebenjährigen Ringer Liam, der in einem Showkampf gegen einen Erwachsenen antreten musste. Ob talentierte Kinder oder nicht, diese Bewertung soll für die Sendung überhaupt keine Rolle spielen. Nicht alle Eltern wollen einsehen, dass ihre Kinder ganz wunderbarer Durchschnitt sind, dass nicht in jedem von uns ein Supertalent schlummert. Und wer dann trotzdem seine Kinder vor die Sat.1- Kameras zerrt, nun, der wird sich in 20 Jahren bei der Familienfeier hoffentlich den einen oder anderen Kommentar anhören müssen.
Furchtbare Postproduction bei "Little Big Stars"
Was diese Sonntagabendsendung aber so unerträglich machte, war die furchtbare Postproduction. Die Sendung wurde aufgezeichnet und anschließend zusammengeschnitten, vermutlich um sie aufzupeppen. Herausgekommen ist dabei aber leider totaler Schrott. Sehr viele schnelle Schnitte, ständiges Einblenden von panischen / aufgeregten / interessierten Zuschauern, all das sollte die Sendung lebendig erscheinen lassen. Sie wirkte dadurch aber wie eine Sitcom. Sie wissen schon, dieses eingespielte Lachen, der falsche Applaus, der einen Glauben machen soll, das, was man da gerade sieht sei urkomisch und unterhaltsam. Das mag bei "The Big Bang Theory" funktionieren, aber nicht bei einer Familiensendung. Bei "Little Big Stars" sorgte dieser Kniff dafür, dass zuschauen eigentlich keine Option mehr war. In den ersten zwei Minuten wurde bereits ein Best of der schönsten Bilder eingespielt und an dieser Stelle hätte sich das Ausschalten bereits gelohnt. Aber nein, stattdessen ging es quälende zwei Stunden und 15 Minuten weiter durch dieses Ärgernis.
Die Kinder und ihre kleine Show wurden im Akkord abgefrühstückt, das Eine ging, das Nächste kam sofort. Es gab keinerlei Überleitung, keinen Spannungsbogen, kein Nichts. Offensichtlich glaubte Sat.1, dass dies nicht notwendig ist, Fließbandarbeit fürs geneigte Publikum muss reichen. Anfänglich fragte ich mich noch, ob der Anheizer, derjenige, der das Publikum vor Ort bei Laune hält und zum Klatschen und Lachen animiert einfach besonders gut war. Selbstverständlich nicht, statt dessen war da einfach ein Schnittmeister am Werk.
Thomas Gottschalk gab alles - Sat.1 versaute es
Im Vorfeld wurde den Kindern, die alle für einen kurzen Plausch auf der Couch bei Thomas Gottschalk Platz nahmen, sicher ein Drehbuch in die Hand gegeben. Die Dialoge wirkten so einstudiert, dass Fremdschämen ein neues Niveau erreichte. Da zwinkerte der 66-Jährige einer Kandidatin schon mal zu, damit sie, wenn ihr schon der Text entfallen war, sie doch wenigstens die Utensilien für den nächsten Gag besorgen konnte.
Thomas Gottschalk ist übrigens von aller Schuld frei zu sprechen, außer von der, dass er glaubte, die Sendung wäre gut gemacht. Er sprach sehr nett und auf Augenhöhe mit den Kindern, ließ sich auf sie ein und es war ihm anzumerken, dass er mit Freude bei der Sache war. Die Gespräche erinnerten an "Wetten dass..?", hier hatten die Prominenten ja auch mal mehr und mal weniger zu sagen. Gottschalk half den Stars durch den Abend und tat selbiges für die Kinder. Ihn und die Kinder trifft die Kritik an der Sendung also nicht, sondern die Regie und die Menschen, die es im Anschluss an die Aufzeichnung so vermurkst haben.
"Little Big Stars" ist der Beweis dafür, dass man eine nette Idee mit Effekthascherei und schlechtem Zusammenschnitt ins Aus manövrieren kann. "Wir unterschätzen die Talente unserer Kinder", meinte Gottschalk. Sat.1 überschätzte aber auch die Wirkung von hohlem Gelächter und schlecht gemachtem Fernsehen, sage ich.
