ProSiebenSat.1 "Fernsehen für Bekloppte!"

Das italienische Medienimperium von Silvio Berlusconi hat Interesse am Kauf der Sendergruppe ProSiebenSat.1. Selbst Italiener sind entsetzt, dass ihr "Fernsehen für Bekloppte" nach Deutschland exportiert werden könnte.

Viel nackte Haut versus Politdebatten, tänzelnde Blondinen versus Musikantenstadl: Unterschiedlicher als in Italien und Deutschland könnten die TV-Programme zweier Länder nicht aussehen. Falls die Mailänder Mediaset-Gruppe des Ex-Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi tatsächlich das Rennen um den Kauf der größten deutschen Sendergruppe ProSiebenSat.1 macht, müssen sich die Fernsehzuschauer von Koblenz bis Kiel demnächst auf "einen Kulturschock" gefasst machen, wie die Zeitung "La Stampa" zuletzt bemerkte.

"Fernsehen, das den Augen und Ohren wehtut" - selten zuvor hatte ein italienisches Blatt das "TV alla Italiana" so kritisch unter die Lupe genommen. Normalerweise akzeptieren die Menschen auf der Appenin-Halbinsel das seichte Gehopse und Gesinge, das ihnen vor allem auf Berlusconis Privatkanälen vorgesetzt wird, ohne großes Murren.

"Unerträglich peinliche Show"

Die rund sechs Stunden dauernde Sonntagnachmittagsshow "Buona Domenica" auf Canale 5 etwa wird allwöchentlich von über 2,5 Millionen Italienern verfolgt. Dabei versuchen sich "Stars" aus den zahlreichen Reality-Shows als Schnulzensänger, ehemalige "Big Brother"-Konkurrenten pöbeln lautstark Kandidaten des "Insel-Duells" an und halb entblößte TV-Sternchen zeigen viel Bein und Busen. "Eine unerträglich peinliche Show ohne Idee und Konzept", sagt eine in Rom lebende Hamburgerin.

"Quiz & Kitsch", umschrieb "La Stampa" denn auch das Programm von Italiens Privatkanälen: "Nicht, dass Deutschland Seifenopern, amerikanische Serien und grausame Talentwettbewerbe komplett ignoriert. Aber es sollte gemäßigt sein und mit einer relativen Würde", kommentierte das Blatt. "Und jetzt sollen tatsächlich diese Sendungen, die den Italienern so gefallen und bei denen man immer irgendetwas gewinnt, wenn man auf superleichte Fragen antwortet, nach Deutschland exportiert werden? Nein danke!" Auch Franca Ciampi, die Ehefrau des ehemaligen Staatspräsidenten Carlo Azeglio Ciampi, urteilte schon vor Jahren: ""Fernsehen für Bekloppte!"

Doppelrolle als Medienzar und Politiker

Überhaupt sei es Berlusconi gewesen, der die nackten Schönheiten mit Stöckelschuhen und Hotpants erstmals ins Fernsehen gebracht habe, sagt der römische Soziologieprofessor Franco Ferrarotti. "Wegen des großen Erfolges hat er damit auch die öffentlich rechtlichen Sendeanstalten gezwungen, das Konzept zu imitieren."

Auf Kritik in Deutschland stößt vor allem Berlusconis "Doppelrolle" als Medien-Milliardär und Politiker. Auch von der Opposition im eigenen Land wurde der smarte Manager schon vor Jahren angegriffen, weil er seine TV-Sender für den Wahlkampf nutzte und politische Parteinahme selbst in den Abendnachrichten auf der Tagesordnung steht. So hat etwa der Nachrichten-Chefredakteur des Berlusconi-Senders Rete 4, Emilio Fede, nie einen Hehl aus seiner Vorliebe für den früheren Regierungschef gemacht.

"Deutsche Führungsschicht müsste mit Blindheit geschlagen sein"

Im Wahlkampf Anfang des Jahres wurde Rete 4 gar zur Zahlung von 250.000 Euro verurteilt, weil der Kanal das Mitte-Rechts-Lager wesentlich häufiger zu Wort kommen ließ als die Mitte-Links-Herausforder. "Deutschland ist hingegen stolz auf die Qualität seiner Nachrichtenprogramme, die nie ins Banale abgleiten", meinte "La Stampa".

Bisher liegt Berlusconis Einzug ins deutsche TV aber noch in weiter Ferne, lediglich von einem "unverbindlichen Angebot" ist die Rede. "Ob es so weit kommt, ist noch sehr unsicher", heißt es in Branchenkreisen. Auch Ferrarotti ist mehr als skeptisch: "Das italienische TV-Modell könnte in Deutschland nicht funktionieren, da müsste die politische Führungsschicht schon mit Blindheit geschlagen sein."

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Carola Frentzen/DPA

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