Tiere und Kinder ziehen immer, haben sie sich bei RTL gedacht. Oder mit Dieter Bohlens letzten Worten (zumindest am gestrigen Abend): "Was soll es Emotionaleres geben als Kinder, die singen?!" Eben. Und so durften denn nun erstmals für sein Castingshow-Format zehn kleine Mädchen und Jungen zwischen 8 und 13 Jahren ran, die "DSDS Kids" – was tut selbst ein vermeintlicher Pop-Titan nicht alles, wenn der einstige TV-Abräumer im Quotentief hängt und immer weniger Deutsche den Superstar suchen mögen…
Kritik an dem Konzept hatte es im Vorfeld bereits reichlich gehagelt – und Pädagogen dürften ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt gesehen haben. Denn Tränen flossen reichlich bei den sieben Kindern, die am Ende vom Fernsehpublikum rausgewählt wurden, die Kameras konnten gar nicht so rasch wegschwenken. Und an den Empfang für die "Verlierer" am Montag in ihren Klassen wollen wir lieber nicht denken: Die Kleinen würden als "mediale Objekte vermarktet", hatte der Medienpädagoge Bernd Schorb bereits vorab auf stern.de gewarnt, dies könne zu traumatischen Erlebnissen führen; und seine Kollegen warfen den Eltern vor, den Nachwuchs für ihre eigenen Ziele zu funktionalisieren – zudem müssten die Juroren die Leistungen ehrlich beurteilen, den Kindern die Unwahrheit zu sagen, wäre unfair.
"In den Proben warst du besser"
Was denn zumindest die beiden weiblichen Jurorinnen dennoch fleißig taten: "Toll", "sooo süß", "unglaublich", "ganz großartig" – Michelle Hunziker und Dana Schweiger hatten zwar Mühe, vollständige Sätze zu artikulieren, doch dafür überschlugen sie sich in Superlativen. Wo mancher Altersgenosse der Nachwuchssänger sich vor dem Fernseher vor lauter schiefen und falschen Tönen die Ohren zuhielt, schienen die beiden Frauen völlig schmerzbefreit – aber vielleicht hörten sie es auch tatsächlich nicht, schließlich hatten sie ja bislang mit Musik in ihrem Promi-Dasein noch nicht allzu viel zu tun.
Bohlen war da ehrlicher, ohne gleich in seine sonstigen bissig-bösen Kommentare zu verfallen: "Irgendwie hast du da die Tonlage verdaddelt", merkte der Chef-Juror etwa an oder stellte fest, dass der Titel "ein bisschen zu schwierig war – in den Proben warst du besser". Was bei der elfjährigen Selina dennoch dafür sorgte, dass sie zu einer "kleinen Zicke" mutierte – dabei hatte der 58-Jährige seine Kritik noch sehr höflich formuliert…
Ein weichgespülter Verbal-Terminator
Doch in eben dieser Zurückhaltung verlor die Sendung auch einen ihrer Attraktionspunkte: Ein weichgespülter Verbal-Terminator ist eben nicht wirklich unterhaltsam – und fast so langweilig wie der nur nette Moderator Daniel Aßmann. Oder der süße Luca Hänni, der vergangenen Sonnabend die neunte DSDS-Staffel gewonnen hatte und aus Marketing-Gründen hier nun gleich nochmal seinen Siegersong präsentieren durfte und zumindest bei den DSDS Kids für hysterische Ausbrüche sorgte.
Ansonsten schleppte sich die Sendung mit zunehmendem Verlauf immer mehr dahin, zumal unter den zehn Mädchen und Jungen kaum ein echtes Gesangstalent auszumachen war, einmal abgesehen von der zehnjährigen Gala, die an Amy Winehouse in Kindertagen erinnerte, allerdings in "Rolling in the Deep" von Adele gnadenlos in der Intonation verrutschte. Und entsprechend nicht unter den besten Drei landete, die sich wie die Sieger aus den kommenden beiden Folgen für das Finale am 25. Mai qualifizierten.
Während der zwölfjährige Besnik offenbar mit der Ballade "Someone like You" die Herzen vieler Mädels rührte, dürfte bei Timmy die Coolness den Ausschlag für die Finalqualifikation gegeben haben. Und Alysha, mit acht Jahren die Jüngste im Feld, beförderte Bohlen persönlich in die nächste Runde, als er nach ihrem Vortrag von Ke$has "Tik Tok" vor der zur pinkfarbenen Prinzessin Ausstaffierten auf die Knie ging: "Sowas von Talent – könnt ihr mir die einpacken und als Geschenk mitgeben?"
Zwei Werbeblöcke in 135 Minuten
Nun, am Ende durfte Alysha dann erst noch einmal mit Mama und Papa nach Hause gehen – und auch sonst scheint die Zugkraft doch nicht so groß gewesen zu sein wie vom DSDS-Kopf und dem Sender erhofft. Zumindest nicht bei den Werbetreibenden: Ganze zwei Werbeblöcke hatten die RTL-Macher zusammenbekommen für die 135 Minuten. Offenbar zu wenig für die beste Sendezeit: Die kommenden DSDS Kids-Folgen laufen nur noch am Freitagabend. Kinder allein ziehen eben doch nicht überall.
Vielleicht schickt man ja die Mädchen und Jungen beim nächsten Mal einfach gemeinsam mit ihren Lieblingskatzen, -dackeln und Kanarienvögeln auf die Bühne – oder Onkel Dieter ersetzt seine beiden Drei-Wort-Assistentinnen einfach durch zwei Kühe. Tiere nämlich gehen immer. Garantiert.