Ein singender Kommissar, Abschied eines Gehirntumors, Fleischwürste, pinke Pudel, mampfende Handtaschen, Tote im Gulli, Zirkus-Halligalli - mangelnde Dichte an Skurrilitäten kann man der "Tatort"-Episode "Schwindelfrei" nicht unterstellen. Schon die ersten beiden Fälle von Ulrich Tukur alias LKA-Ermittler Felix Murot verblüfften durch Dialoge mit einem Krebsgeschwür und dem Charme früher Edgar-Wallace-Verfilmungen. Die Frage, ob das gut war, hat die Zunft der Kritiker gespalten.
Ideale Vorraussetzungen also für Diskussionen auf Twitter über Sinn, Inhalt und Tukurs Gesangseinlagen. Die Kommentare unter dem Hashtag #tatort bewegten sich von "zauberhaft" und "schräg aber großartig" bis hin zu "ziemlicher Mist", "Durchdrehbuch" oder resigninativem "ich brauch erst mal ein Verdauungsschnäpschen".
Um was ging es eigentlich?
Gleich am Anfang stirbt Lilly, also der Gehirntumor den Kommissar Murot zwei Folgen lang in seinem Kopf trug. Frei von Schwindel und mit neuem Lebensmut geht er richtig einen drauf machen in Fulda. Also in den Zirkus. Ein cleverer Schachzug im Drehbuch, denn nichts verspricht mehr Suspense als abgewracktes Gauklerpulk. Vom Schreckpotential eines Clowns ganz zu schweigen. Dennoch: Um was es wirklich ging, war vielen lange nicht klar. Zwar gab es ordentlich Tote, aber Lust zum Ermitteln schien bei dem Kommissar nicht aufzukommen.
Wie wurde es umgesetzt?
Die Umsetzung der durchgeknallten Story trieb einen Keil in die Welt der 140-Zeichen-Rezensionen. Die Kameraarbeit von Karl-Friedrich Koschnick erhielt viel Anerkennung. Einige Kniffe in der Inszenierung und so manche Drehbuchfinte wurden jedoch eher mit Ironie bedacht. Wie etwa die Idee, dass Ermittler Murot zu Beginn des Films den Fernseher ausschaltet, just in dem Moment als der Vorspann des Tatorts zu Ende ist und ihn am Ende einschaltet als der Abspann beginnt. Ein "Tatort"-schauender "Tatort"-Kommissar.
Eine der meistzitierten Zeilen aus dem Film war der Satz: "Er hat mir eine Fleischwurst angeboten." Der kleine, fesche Sex-Witz kam bei vielen gut an. Andere Dialogzeilen hätten vor der Skriptabgabe vielleicht noch mal auf inhaltliche Wiederholungen geprüft werden sollen.
Die Suche nach dem Mörder
Ein typischer "Tatort" richtet den Fokus gegen 21.32 Uhr auf eine Person, die von den Ermittlern für den Mörder gehalten wird. Treue Zuschauer wissen dann: Die Kommissare liegen mit ihrem Verdacht natürlich falsch. Der wahre Mörder wird frühestens 21.43 Uhr überführt. Nun ist ein TTT (Tukur-Tumor-Tatort) kein typischer "Tatort" und alles ist möglich.
Gretchenfrage: Wie hielt es Tukur mit der Realität?
Nichts schien wirklich, alles war möglich. Wie eine Fortsetzung von "Schwindelfrei" aussehen könnte, hält vielleicht ein Blick in die Fernsehgeschichte bereit.
Und dann war da noch das Casting. Kann ein dicker Hexenmeister wie Harry Potter auf dem Besen reiten?
Fazit
Zweigeteilt fällt das Fazit aus. Die einen konnten "Schwindelfrei" nichts Gutes abgewinnen, wechselten irgendwann lieber zum ZDF, um den Jahresrückblick mit Markus Lanz mit Häme zu überziehen. Für Alf Frommer - von dem auch das Zitat der Überschrift entliehen ist - war dieser Mordfall einfach zuviel. Andere waren schlichtweg begeistert. Der Quote stand die Clownerie aus Fulda nicht im Weg. Mit mehr als neun Millionen Zuschauern und 26,4 Prozent Marktanteil, war dieser "Tatort" für die ARD ein voller Erfolg.