- 4 von 5 Punkten
- Gelungener Episodenfilm von Star-Regisseur Oliver Hirschbiegel
Worum geht's?
Der Mediziner Dr. Björn Kehrer (Markus Knüfke) wird um Mittnacht zu einem Notfall an den Bremer Hafen gerufen. Dort angekommen, findet er niemanden vor. Stattdessen rast plötzlich ein Auto auf ihn zu und erfasst ihn. Kehrer führte eine Hausarztpraxis und behandelte ehrenamtlich Geflüchtete und Obdachlose. Seine Arzthelferin Kirsten Beck (Lisa Jopt) beschreibt ihn als Gutmenschen und Samariter. "Er hat sich um alle gekümmert: Religion, Hautfarbe – egal. Auch, ob die versichert waren oder nicht." Trotzdem scheint sie etwas zu verbergen und gerät so ins Visier der Ermittlerinnen Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) und Linda Selb (Luise Wolfram). Ebenfalls verdächtigt wird die Aktivistin Ann Gelsen (Anna Bachmann). Deren Bruder ist Spastiker und Dr. Kehrer verweigerte ihm die Behandlung – nun liegt der Junge im Koma und kämpft um sein Leben. Und da wäre noch die Besatzung eines Frachters, der zum Zeitpunkt des Mordes im Hafen ankerte. Was haben die Männer gesehen oder haben sie gar selbst etwas mit dem Fall zu tun?
Warum lohnt sich der Fall "Und immer gewinnt die Nacht"?
Wie will man sein Leben führen? Was machen gesellschaftliche Zwänge und familiäre Erwartungen mit einem Menschen? Gibt es einen Ausweg aus Elend und Armut? Diese Fragen bilden die zentrale Klammer des Films. Drehbuchautor Christian Jeltsch und Regisseur Oliver Hirschbiegel erörtern sie wie bei einem Episodenfilm anhand verschiedener Schicksale. Da ist die Arzthelferin als alleinerziehende Mutter von drei Kindern, die Aktivistin, die sich in eine Tochter aus reichem Hause verliebt und gemeinsam mit ihr containert, um das Essen an Bedürftige zu verteilen, oder der Tabakunternehmer, der trotz Lungenkrebs weiterhin seine Zigarren pafft. All diese Personen eint ihre Beziehung zu dem getöteten Arzt. Wie diese Verbindungen Schritt für Schritt aufgedröselt werden und am Ende alles zum Mörder führt, ist spannend und kurzweilig inszeniert.
Was stört?
Neben der eigentlichen Aufklärung des Mordes gibt es eine Parallel-Handlung, die zum Teil in Kopenhagen spielt und sich auf die Vergangenheit von Ermittler Mads Andersen (Dar Salim) bezieht. Der arbeitete als Undercover-Agent, bevor er den Polizeidienst in Bremen antrat. Auch wenn es schön ist, den "Tatort" kosmopolitisch zu sehen, so stört das Hin- und Herspringen bisweilen die Erzählstruktur.
Die Kommissare?
"Zurück oder nur zu Besuch?", mit diesen Worten begrüßt BKA-Ermittlerin Linda Selb ihren Kollegen Mads Andersen. Der sollte in Kopenhagen für einen Job im Innenministerium angeworben werden, entschied sich aber dagegen. In Bremen ermittelt er auf eigene Faust, währen die Kolleginnen Selb und Moormann meist im Doppelpack unterwegs sind. Die eine punktet mit morbidem Humor, die andere mit Fachwissen. Ein Duo mit Potenzial. Auf Dauer muss klar sein, ob Mads Andersen zum Ermittlerteam gehört oder nicht. Im dritten Bremer-Fall, der 2022 ausgestrahlt wurde, war er nicht dabei.
Ein- oder ausschalten?
Sehenswerter zweiter Fall des neuen "Tatort"-Teams aus Bremen. Wer ihn noch nicht kennt, sollte einschalten.
Die "Tatort"-Folge "Und immer gewinnt die Nacht" wurde erstmals am 12. Dezember 2021 ausgestrahlt. Die ARD wiederholt den Fall am Freitag, 8. September 2023, um 22.20 Uhr.