"Tatort": Der Wüstensohn
20.15 Uhr, ARD
KRIMI
Durchdringender Blick aus tiefdunklen Augen, aufbrausendes Gemüt, noble Gastfreundschaft, stets hübsche Frauen um sich und eine Handvoll Koks vor sich - so hat man sich also den Sohn eines arabischen Prinzen vorzustellen. Es ist ein Spiel mit sämtlichen Klischees, die der "Tatort" in seiner Folge "Wüstensohn" dem Zuschauer zumutet.
Und das ist mitunter sehr ermüdend. Nasir al Yasaf ist der Sohn des Emirs von Kumar - ein Kunstbegriff, damit sich die Drehbuchautoren Alexander Buresch und Matthias Pacht nicht in diplomatische Scharmützel verfangen. Er genießt das Leben mit sämtlichen diplomatischen Vorzügen in München. Bis sein Freund Karim auf seinem Villengrundstück ermordet wird. Die Kommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) kommen in ihren Ermittlungen nicht weit. Die Leiche dürfen sie nicht untersuchen, den Prinzen nicht befragen, den Computer des Toten nicht beschlagnahmen. Sobald sie einen Schritt in Richtung Lösung des Falls gehen, grätscht der Konsul von Kumar dazwischen. Oder seine Handlanger. Oder der Oberstaatsanwalt. Oder die bayerische Politik. Oder die deutsche Wirtschaft.
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Denn was wie ein Mord aus Eifersucht aussieht, ist eine Verstrickung aus wirtschaftlichen und politischen Interessen zwischen Deutschland und dem arabischen Raum. Es geht um Rüstungsexporte (schöne Anspielung an Panzer-Deals mit Saudi-Arabien) und U-Bahn-Bau (schöne Anspielung an die Stoiber-Zeiten). Während diese Seitenhiebe gelungen sind, nervt die Klischee-Häufung. Kamele im Vorgarten, verschleierte Frauen in Schuhgeschäften, der Emir-Spross ist Teppichhändler und zur Untermalung tönt sehr häufig, sehr aufdringliche orientalische Musik.
Ungewöhnlich ungestüm ist dieser Münchner "Tatort". Bei der ersten Szene fühlt man sich geradezu an eine Schweiger-Folge erinnert. Die Dialoge zwischen den Ermittlern sind lustig bis heiter, versteigen sich jedoch gelegentlich: "Schmieriger Teppichhändler", "Kameltreiber, blöder". Bittesehr, das muss nicht sein!
Umso gelungener die Referenzen und Seitenhiebe auf die Zeit des Gaddafi-Sohns Saif al Arab, der jahrelang in München lebte und recht unbehelligt blieb - trotz Schlägereien und Rasereien ohne Führerschein. Der erhielt - ebenso wie der "Tatort"-Prinz - wohlwollende Unterstützung aus den oberen Führungsriegen von Polizei, Politik und Wirtschaft. Daran beißen sich Batic und Leitmayr 90 Minuten die Zähne aus. Im wahren Leben dauerte die Prinzenregentenschaft vier Jahre.
Ein TV-Tipp von Swantje Dake, Teamleiterin Nachrichten beim stern