Das Reich der "Primaten der Park Avenue" ist vergleichsweise klein. Es reicht vom Central Park im Westen bis zur Lexington Avenue im Osten, von der 60. Straße im Süden bis ungefähr zur 96. Straße im Norden. In diesem Rechteck Manhattans regiere das Geld und der Status, schreibt Autorin Wednesday Martin in ihrem neuen Buch "Primates of Park Avenue". In den Luxuswohnungen mit Millionenwert wohnen demnach Väter, die wegen der vielen Arbeit so gut wie nie zu Hause sind, Mütter, die stets makellos geschminkt und angezogen Haushalt und Kindermädchen managen und von ihrem Perfektionszwang in den Alkohol getrieben werden, und Kinder, die nur das Beste vom Besten bekommen und zu ultimativen Statussymbolen werden. Kurzum: ein weltweit einzigartiges Universum für sich.
Martin ist Anthropologin und wollte dieses Universum und seine Bewohner für ihr neues Buch studieren. Die im US-Bundesstaat Michigan geborene Schriftstellerin war da selbst gerade mit Mann und Sohn, dem kurz darauf ein zweiter folgte, an die New Yorker Upper East Side gezogen und lebte mitten zwischen ihren Forschungsobjekten.
Feldforschung im eigenen Viertel
Das als eine Art Enthüllungsbuch aus dem Leben der Superschönen und Superreichen vermarktete Buch löste dann auch schon im Vorfeld heftige Diskussionen aus. "Reiche Upper-East-Side-Mütter geraten in Panik wegen eines Enthüllungsbuchs", titelte das Boulevard-Blatt "New York Post". "Alle sind sauer und haben Angst." Nach zahlreichen Beschwerden ergänzte der Verlag das Buch um einen Hinweis, dass Details in dem Buch vor der Veröffentlichung verändert worden seien, um darin vorkommende Personen zu schützen.

So einen Wirbel um das Buch habe sie nicht erwartet, sagt Autorin Martin der Deutschen Presse-Agentur. "Mutterschaft und Reichtum sind Reizthemen - und anscheinend noch viel größere, als ich mir vorgestellt hatte." Sie habe die Identitäten aller in dem Buch vorkommenden Menschen aber bestens geschützt, verteidigt sich die blonde zierliche Frau - und so sei nun auch niemand sauer auf sie. "Alle meine Freunde und Bekannten auf der Upper East Side haben mir gerne geholfen und freuen sich jetzt über meinen Erfolg." Das Buch steht seit der Veröffentlichung auf der Bestsellerliste der "New York Times" und die Filmrechte sind auch schon verkauft.
Schönheit und Vitamin B
"Primates of Park Avenue" liest sich durchaus amüsant und lässt staunen: Mindestens 100.000 Dollar (rund 91.000 Euro) kostet Martin zufolge alleine das Schönheitsregime einer Frau auf der Upper East Side - darin enthalten sind unter anderem Friseurbesuche, Make-up-Beratung, Gesichtsbehandlungen, Fitnesstrainer, regelmäßige Maniküre und Pediküre sowie natürlich Kleidung, Schuhe und Handtaschen.
Die Kosten für die Betreuung der kleinen Kinder und später für die exklusiven Privatschulen der großen machen mindestens noch einmal so viel aus, wie die Autorin vorrechnet. Je mehr Kinder desto besser, lautet demnach die Kalkulation: Kinder sind Statussymbole und zeigen, dass das viele Geld für ihren Unterhalt vorhanden ist. Um diese Kinder von den besten Privatschulen aufnehmen zu lassen, brauchen die Upper-East-Side-Mütter aber nicht nur Geld, sondern müssen auch die richtigen Leute kennen.
Perfekte Fassade
Mutter ist auf der Upper East Side ein Vollzeitjob. Männer sind Martin zufolge an der Kindererziehung so gut wie nicht beteiligt, sie verdienen währenddessen das viele Geld. Die Mütter sind dagegen schon morgens, wenn sie die Kinder zur Schule bringen, angezogen wie auf einem Haute-Couture-Laufsteg und müssen auch sonst stets die perfekte Fassade aufrechterhalten.
Die Welten der Männer und Frauen seien auf der Upper East Side streng getrennt, schreibt Autorin Martin, sogar bei festlichen Abendessen gebe es manchmal verschiedene Tische für sie. Wenn die Frauen Haus, Kinder und Fassade gut unter Kontrolle hätten, bekämen sie am Ende des Jahres einen "Ehefrauen-Bonus". Der Perfektionszwang treibe die Frauen zu Alkohol und Beruhigungsmitteln - und im fortgeschrittenen Zustand dann zu Treffen der Anonymen Alkoholiker an der noblen Madison Avenue in einer Kirche zwischen zwei Luxuskleidungsgeschäften.
Verlust der Objektivität
"Amüsant, scharfsinnig und manchmal extrem teuflisch" sei das Buch, urteilte die "New York Times". Aber es hat auch einen großen Makel: Mit der ständigen Betonung des wissenschaftlichen Hintergrunds und ihres Anthropologie-Studiums will die Autorin das Buch auf angestrengte Art und Weise zu mehr als nur einem Klatsch-und-Tratsch-Schmöker machen. Gleichzeitig weiß und schreibt sie selbst, dass sie die größte Sünde aller Anthropologen begeht: eins werden zu wollen mit dem Forschungsobjekt - und damit jede Objektivität abzulegen. "Ich habe mich danach gesehnt, in diese Gesellschaft aufgenommen zu werden." Der angeblich wissenschaftliche Zugang sei albern, urteilte auch die "New York Times". "Da hatte jemand ein Buch zu füllen und musste das Motto einhalten, egal ob es Sinn hat oder nicht."
Martin hat die Upper East Side inzwischen längst schon wieder abgehakt. Mit ihrer Familie ist sie auf die Upper West Side auf der anderen Seite des Central Parks gezogen und hat bereits ein neues Buch fertig. "Das handelt von Downtown Manhattan 1989 - schon wieder eine ganz andere Welt."