Neustart Lehrer, dem Herzen zuliebe

Mit 41 bekam Ralph Gietz Herzprobleme. Gemeinsam mit seiner Frau krempelte er sein Leben um. Massiven Arbeitsstress tauschte Gietz gegen ein Studium und einen neuen Beruf.

Am Anfang war dieser diffuse Druck in der Brust - beim Wandern, Treppensteigen, Einkaufen. Erst nur leicht, dann bei der geringsten Anstrengung. Das Herz? Doch nicht mit 41! Ich, der frühere Leistungssportler, konnte das sein? Es konn­te: Mir wurden Stents in die verstopften Herzgefäße eingesetzt. Wie sollte es weiter­gehen? Meiner Frau ging es nicht besser.

Wir waren nach unserem Studium nach Belgien gezogen und arbeiteten in gut bezahlten Jobs bei einer Bank - mit allem, was dazugehört: Verkaufsdruck, Termin­stress, Ärger mit Kollegen und Kunden. Gratis dazu: privater Frust nach schmerzlich verlaufenden Scheidungen. Und nun wurde es auch noch eng, im wahrsten Sinne! Inner­ halb von sechs Wochen kündigten wir beide 2005, ohne Anschlussjob und Anrecht auf Stütze. Verrückt, doch wir nahmen unser Leben in die Hand, weg aus der Karriere­mühle!

Das Tollste im neuen Leben? Nicht mehr verkrampft bei den Besten sein zu müssen

Das Resultat unseres persönlichen "Zukunftsseminars" war: Kommunikation ist unsere Stärke, wir wollen sie in den Dienst anderer Menschen stellen. Meine Frau startete Weiterbildungen in Familien-­ und Symptomaufstellungen. Ich ging wieder zur Uni, mein Berufsziel: Lehrer für Wirtschaftswis­senschaften am Gymnasium, in Belgien sagen wir Athenäum.

Auch gesundheitlich ging es uns besser. Parallel, wir mussten Geld verdie­nen, importierten wir deutschen und öster­reichischen Wein - hierzulande genauso exotisch wie Weine aus Kroatien oder Oregon. Und mancher Genuss­-Belgier fand Gefallen - wir lernten viele nette Menschen kennen und schätzen. Wie gut das tat!

Inzwischen sind wir in unserem neuen Leben angekommen und verleihen Menschen Flügel: meine Frau als Familientherapeutin, ich seit zwei Jahren mit sehr viel Freude jungen Menschen als Wirtschaftslehrer am hiesigen Athenäum. Das Ökonomische ist privat zweitrangig geworden. Das Önologi­sche auch, denn Wein trinken wir nur noch privat. Und das Herz spielt mit: Beim letzten Check-­up war die Kardiologin hochzufrieden - was will man mehr?

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Aufgezeichnet von Andrea Schaper

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