Auf der Pariser Fashion Week ging der Trend in diesem Frühjahr zur Übergröße. Wurden bisher Glamourgirls wie Dita Von Teese oder hippe Intellektuelle wie Sofia Coppola als Ehrengäste protegiert, war diesmal eine wilde Wuchtbrumme der Star: Beth Ditto, mit 95 gewaltigen Kilo, verteilt auf knapp 1,55 Meter Körpergröße. Wie ein Kurven-Tsunami mischte die 28-jährige Sängerin der amerikanischen Postpunkband The Gossip die spindeldürren Models auf, kiekste, als Karl Lagerfeld ihr seine Aufwartung machte, tanzte mit ihrer Busenfreundin Kate Moss - und erklärte Fachfrauen wie Fashion-Kolumnistin Suzy Menkes und Designerin Stella McCartney den Schick: "Querstreifen an dicken Körpern sind endlich in. Und Übergewichtigen steht Miu Miu einfach phänomenal!" So fachsimpelt ausgerechnet die Dame, der gerade mal ein Armreif passt, wenn sie in einer Fendi-Boutique stöbert.
Ditto weiß, was sie will - und wer sie ist: "Ich bin eine Mischung aus Sarah Jessica Parker anno 1993, Madonna im 'Cherish'-Video und dem Mülltüten- Look von Missy Elliott", sagte die bekennende Lesbe zur "New York Times". Aber statt ihre Rundungen zu kaschieren, zwängt sich La Ditto in quietschbunte Stretch-Outfits - wie ein Rubens-Gemälde, das der Graffitidose zum Opfer fiel.
Der Hype begann 2006, als der "New Musical Express" die stimmgewaltige Sängerin zum coolsten Menschen im Musikbusiness wählte - und der zornige Rocksong "Standing In The Way Of Control",den sie gegen das Verbot der Homo-Ehe schrieb, weltweit zum Underground-Hit wurde. Dabei geht es Beth Ditto nicht um bloße Provokation. Sie zeigt allen, dass auch Frauen mit dem beinahe dreifachen BMI einer Victoria Beckham ein Recht auf Spaß und Anerkennung haben. Bei ihren Auftritten präsentiert sie sich mit Nachdruck als Size-Zero-Gegenentwurf. Etwa wenn sie bei Konzerten ruft: "Ich hoffe, alle Dicken hier werden heute Nacht flachgelegt!" Oder wenn sie sich wieder einmal in der Öffentlichkeit ihrer Kleider entledigt. Wie zuletzt auf der Fendi-Party vor Karl Lagerfeld und dem Who's who der Modebranche. Bei so viel Wildheit hält die Fashion- Elite verzückt den Atem an und schmückt sich mit Ditto, als wäre sie eine Prada-Tasche.
Doch nicht nur den Modezirkus hat die schrille Rockgöre mit Anker-Tattoos, Achselhaaren und großer Klappe erobert: Sie bastelt am nächsten Album, an einer Modelinie für Übergrößen und zählt Popstars wie Mark Ronson und Debbie Harry zu ihren Freunden. Das neue britische Avantgarde-Magazin "Love" hievte Ditto zu seiner Premiere nackt auf den Titel. "Sie ist eine Ikone unserer Generation", schwärmte Chefredakteurin Katie Grand. Gerade weil Ditto nicht im klassischen Sinne hübsch sei - und man die ultraschönen und dünnen Frauen satt hätte. Beth Dittos Leben, das vor allem maßlosem Genuss gewidmet ist, mag ungesund sein. In diesen mageren Zeiten jedoch kann keiner genug davon kriegen.