Tennis-Legende "Glaube, das Gefängnis war gut für mich": die wichtigsten Aussagen aus Boris Beckers erstem Interview nach der Haft

Ex-Tennisstar Boris Becker (r.) beantwortet die Fragen von Moderator Steven Gätjen
Ex-Tennisstar Boris Becker (r.) beantwortet die Fragen von Moderator Steven Gätjen in einem Interview für Sat.1
© Nadine Rupp/SAT.1 / DPA
Der einstige Tennis-Weltstar Boris Becker, 55, hat sich erstmals in einem Interview nach seiner Haftentlassung geäußert. Die eindrücklichsten Aussagen im Überblick.

Das Gesicht ist kantiger, das Haar kupferblond. Auch äußerlich sind die Erfahrungen hinter Gittern an dem einstigen Tennis-Weltstar nicht spurlos vorübergegangen. Boris Becker, 55, hat insgesamt 231 Tage in britischer Haft verbracht. Eine Zeit, die ihn nach eigener Überzeugung verändert hat. "Ich glaube, ich habe den Menschen in mir wiederentdeckt, der ich einmal war", sagte Becker – der in dem Gefängnis "nur eine Nummer", die A2923EV, gewesen sei – in seinem ersten Interview nach der Freilassung (sehen Sie hier mehr dazu).

In dem vorab aufgezeichneten Exklusiv-Gespräch mit Moderator Steven Gätjen, das am Dienstagabend bei Sat.1 ausgestrahlt wurde, gab sich Becker nachdenklich und reumütig. Die wichtigsten Aussagen im Überblick:

  • "Nein, natürlich war ich schuldig" (auf die Frage, ob er unschuldig im Gefängnis gewesen sei)
  • "Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben Hunger gefühlt. Ich bin zum ersten Mal mit Hunger ins Bett gegangen. (…) Ich habe wochenlang, vielleicht auch monatelang wenig gegessen, bis ich mich besser organisiert hatte." (auf die Frage, welche gesundheitlichen oder physischen Folgen die Haft auf ihn hatte)
  • "Als die Richterin mir 30 Monate gegeben hatte, rutschte mein Herz natürlich in den Keller" (zur Urteilsverkündung)
  • "Sie haben alles getan, mein Leben zu retten. Vielleicht hätte ich mehr Reue zeigen können. (…) Ich habe mein Bestes gegeben" (auf die Frage, ob ihn seine Anwälte richtig beraten hätten)
  • "Es tat mir sehr gut, dass all die Kinder das ehrlich und auch stark angenommen haben. Das hat mich sehr berührt. Das schwierigste war, als ich meiner Partnerin gesagt habe: 'Du musst nicht auf mich warten. (…) Ich weiß nicht, wie lange ich ins Gefängnis muss.'" (über die Momente vor der Urteilsverkündung)
  • "Da geht's ums nackte Überleben, jeden Tag. Jeden Tag gehst Du aus Deiner Zelle raus und kämpfst um Deine Haut – denn die Wächter tun es nicht" (über das Gefängnis)
  • "Ich habe so gezittert (…) Der wollte mir an die Wäsche und hat mir auch verbal erklärt, was er mit mir machen will." (über die Drohungen eines Mitinsassen)
  • "Du wirst in der Zelle wahnsinnig. Du gehst die Wand hoch, die nicht besonders hoch ist. Doch durch den Job nach zehn Tagen hat sich mein Leben etwas normalisiert im Gefängnis." (nachdem er einen Gefängnis-Job als Lehrer für Englisch und Mathe bekommen hatte)
  • "Natürlich war ich beschämt, war es mir mehr als peinlich, dass ich verurteilt wurde"
  • "Gefängnis ist eine andere Welt. (…) Alle sind gleich. (…) Ich glaube auch, dass ich mit einigen Häftlingen ewig verbunden bleibe. (…) Ich glaube, dass ich mit einigen Häftlingen Kontakt behalten werde, hoffe, dass ich sie bald in Freiheit sehen kann." (über Mithäftlinge, die ihm viel bedeutet haben)
  • "Es brauchte ein Gefängnis, dass wir wirklich uns so nahe gekommen sind, wie nie zuvor in der Freiheit" (über seine vielen Gespräche mit Tochter Anna Ermakowa)
  • "Ich hatte nicht einen Moment, wo ich das Gefühl hatte, da bricht jetzt was auseinander oder sie verliert die Geduld oder die Lust oder die Liebe" (über die Beziehung zu seiner Partnerin Lilian De Carvalho Monteiro)
  • "Während der Zeit war es die schlimmste Zeit meines Lebens. (…) Aber vielleicht habe ich das gebraucht. (…) Ich habe mich geläutert. Ich habe meine Fehler eingesehen. (…) Ich habe über Jahre Fehler gemacht, habe falsche Freunde gehabt, war nicht genug organisiert, war nicht detailverliebt, habe mich treiben lassen und wurde vielleicht faul. (…) Ich glaube, dieser Gefängnisaufenthalt hat mich zurückgeholt. (…) Ich glaube, dass ich dadurch eine zweite Chance bekommen habe. Es liegt jetzt an mir, diesen Weg weiterzugehen. (…) Ich glaube, das Gefängnis war gut für mich."
  • "Ein Freund von mir hat mir das angeboten, dass er eine Privatmaschine für mich organisiert (...) Ich wollte nicht in einem Trubel ankommen." (warum er nach der Freilassung mit einem Privatflugzeug in Stuttgart, nach Rätselraten über seinen Aufenthaltsort, gelandet ist
  • "Ich kann Dir ehrlich nicht sagen, wohin ich gehe. (…) Ich habe Ideen, aber ich bin vorsichtig geworden mit meinen Aussagen für die Zukunft. (…) Ich freue mich, ich bin motiviert, ich muss arbeiten." (auf die Frage, wie seine Pläne für die Zukunft aussehen)

Becker war Ende April von einem Gericht in London zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden, weil er Teile seines Vermögens in seinem Insolvenzverfahren nicht ordnungsgemäß angegeben hatte. Er war am Donnerstag schließlich freigekommen. Schon im Vorfeld hatte der Sender erste Zitate aus dem nun gezeigten Gespräch verbreitet (der stern berichtete). 

Steven Gätjen über Boris Becker: "Ich glaube, dass er wirklich willens ist, aufzuräumen"

Moderator Steven Gätjen, der Becker zur Vorbereitung bereits getroffen hat, sagte über ihn: "Ich glaube, dass er wirklich willens ist, aufzuräumen und viele Dinge klarzustellen." Wie Gätjen schilderte, ist ihm persönlich vor allem Beckers Beschreibung der ersten Tage im Gefängnis Wandsworth in Erinnerung geblieben. "Dort sitzen ja nicht nur Menschen ein, die finanzielle Straftaten begangen haben, sondern auch Sexualstraftäter, Mörder und Menschen, die große Raubüberfälle begangen haben. Boris Becker erzählte mir, dass er große Angst davor hatte, in einer Sammelzelle zu landen."

Noch kurz vor seiner Inhaftierung im April hatte sich Becker im Interview mit Apple TV+ emotional gezeigt. "Ich habe meinen Tiefpunkt erreicht. Ich werde sehen, was ich damit anfange", sagte er damals unter Tränen. Wenige Tage später musste er ins Gefängnis. 

Begonnen hatte Beckers Misere in London damit, dass er 2017 von einem Gericht für insolvent erklärt wurde. Eigentlich können solche Verfahren in Großbritannien recht schnell beendet werden. Doch bei Becker zog es sich in die Länge. Es folgten demütigende Episoden: Unter anderem wurden ein Teil seiner Trophäen und andere persönliche Erinnerungsstücke öffentlich versteigert. 

Doch es kam noch schlimmer: Sein Insolvenzverwalter warf Becker vor, Vermögensbestandteile in Millionenhöhe verschleiert zu haben. Die Tennis-Legende musste vor Gericht. In dem Prozess im Frühjahr plädierte Becker in allen Punkten auf unschuldig. Sein Anwalt stellte ihn als einen Mann dar, der oft mit dem Leben als Star außerhalb des Tennisplatzes überfordert war, Entscheidungen oft anderen überließ und sich kaum um die Konsequenzen seines eigenen Handelns kümmerte. Doch die Geschworenen nahmen ihm das nur zum Teil ab und befanden Becker in mehreren Anklagepunkten für schuldig.

Quellen:  Sat.1, Presseportal, mit Material der Nachrichtenagentur DPA

fs

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