Interview mit dem Kronprinzenpaar "Wir müssen unsere Zeit jetzt genießen"

Im Mai 2002, kurz vor ihrer geplanten Deutschlandreise, empfingen der norwegische Thronfolger Prinz Haakon und seine Frau Mette-Marit den stern in Oslo.

Sie kann sehr misstrauisch ihre Stirn in Falten legen, aber wenn der Prinz redet, lächelt sie ihn von der Seite an. Dann berührt ihr linkes Knie ganz zufällig sein rechtes, und wenn er seinen kurzen Vortrag beendet hat, lächelt er zurück. Und streichelt ihre Hand.

Das königliche Schloss von Oslo, zweiter Stock, neben den Privatgemächern des Königs. Sie sitzt auf goldfarbenem Samt und vor goldenen Bilderrahmen. Und daneben ihr Prinz. Er trägt blaue Nadelstreifen, sie einen grauen Anzug. "Wir verliebten uns und wollten den Rest unseres Lebens teilen", sagt er.

Prinzessin Mette-Marit und Prinz Haakon von Norwegen sind so etwas wie Botschafter der Liebe. Sie wurden dazu gemacht, damals, als sie mit der besten Geschichte ins Scheinwerferlicht traten, die Medien kriegen können. Am 25. August 2001 heiratete die bürgerliche, alleinerziehende Mutter Mette-Marit Tjessem Höiby, 28, den künftigen König der Norweger: Haakon, 28, Typ Schwiegermutters Liebling, strahlende Augen, kinderlieb.

"Ich war noch nie so schwach und nie so stark

Sie war ein Scheidungskind aus der Provinz, ein Partygirl ohne Berufsausbildung und ehelichte im Zeitalter der Sekundenluder einen echten Prinzen. Aus Liebe. Trotz des Ruhms. "Ich könnte mir nie vorstellen, unter ständiger Beobachtung zu leben", sagte sie Haakon einst. Sie tut es doch, und Haakon sprach beim Hochzeitsbankett: "Ich war noch nie so schwach und nie so stark. Mette-Marit, ich liebe dich." 7,5 Millionen Menschen glaubten vor deutschen Fernsehern wieder an die Ehe, und der Ullstein-Verlag taufte eine Biografie, die im Original 'Prinsesse mot alle odds' ('Prinzessin gegen alle Widerstände') heißt, natürlich 'Die neue Königin der Herzen'.

Botschafter des jungen Norwegens

Prinzessin Mette-Marit und Prinz Haakon möchten etwas anderes sein als königliche Popstars oder Ikonen des Kitsches: Sie wollen "das junge, moderne Norwegen" darstellen, wie Haakon beim stern-Gespräch sagt, ein Land also, das mehr zu bieten hat als dicke Pullover, Walsteaks und die Band A-ha; ein Land, das Deutschland mit Erdgas, Rohöl und Fahrzeugteilen beliefert und noch dazu mit den klugen Gedanken von Poeten wie Jostein Gaarder.

Darum wird das Paar BMW fahren und Eon besuchen, wenn es ab Sonntag auf Deutschlandtour geht; für den Kanzler reicht es noch nicht, aber immerhin werden die beiden den Kandidaten Edmund Stoiber und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidenten Wolfgang Clement beehren.

Ein weiter Weg für Mette-Marit

"Mein Leben hat sich definitiv verändert", sagt Mette-Marit. Es war ja ein weiter Weg für sie, auch wenn nur 320 Kilometer zwischen dem Königsschloss am Drammensveien 1 in Oslo und dem grauen Holzhaus mit Garten am Lavsangerveien 16 am Rande von Kristiansand liegen. Hier draußen, mit Blick auf die Stadt, döste die kleine Mette-Marit in einer Hängematte in der Sonne. Sie war elf Jahre alt, als sich ihre Eltern trennten.

Ihre Mutter Marit Tjessem ist eine schöne Frau, die heute in der Nordea-Bank in Kristiansand arbeitet. Mutti redet nicht mit Fremden und ist bei Königs deshalb allzeit willkommen. Bei Vati ist das anders. Neulich besuchte die Prinzessin ihre Heimatstadt, und dem Protokoll genügend wurde auch Sven O. Höiby, 65, zum Dinner geladen; aber er sah seine Tochter nur von hinten.

Der Vater der Braut ist fast zwei Meter groß, trägt Hut und ordert in diesem dunklen Pub namens Phileas Fogg erst mal ein Bier. "Damit Sie nicht enttäuscht sind. Schließlich habe ich das Image eines Trinkers", sagt er und lacht.

Höiby plaudert gern

Höiby ist herzkrank und lebt von Sozialhilfe, rund 770 Euro im Monat. Er war Journalist, dann Werbetexter; er verdiente viel Geld und gab mehr Geld aus. "Vor drei Jahren", sagt er, "habe ich mich zur Ruhe gesetzt. Aber dann ging es los." Dann verliebte sich seine Jüngste in ihren Prinzen, und Vati begann einen gründlichen Dialog mit den Medien.

Klar, manchmal leidet Höiby unter seiner Rolle als Außenseiter, aber meistens genießt er sie. Seine Tochter sei "nicht mehr dieselbe", klagt er nun, "sie musste sich verändern. Sie muss jetzt eine Rolle spielen, und es sieht aus, als mache ihr das keinen Spaß. Der Hof erzieht sie zu schnell." Mette-Marit sei "einerseits eine starke Person, aber andererseits sehr sensibel". Also wie er. Doch "ich bin ja nicht mit der königlichen Familie verheiratet". Dann geht er und lässt ein halb volles Bierglas zurück.

"Ziemlich ausschweifend gelebt"

Mette-Marit blieb damals bei ihrer Mutter. Sie ging zur Realschule und langweilte sich, also wurde sie Au-pair-Mädchen in Australien; dann kehrte sie wieder heim und machte 1994 ihr Abitur. Es begann jene Phase, über die Mette-Marit heute nicht mehr sprechen will, die sie aber mal als "Abrechnung mit meiner Jugend" bezeichnet hat; eine Phase, in der sie "ziemlich ausschweifend gelebt" habe.

Irgendwann traf sie einen Kenner der Osloer House-Szene. Die zwei hatten ein exzessives Jahr, inklusive Ecstasy und Kokain. Heute ist dieser Herr in Norwegen als der "Mann aus Lilleström" bekannt, weil er in Lilleström viele interessante Videos und Fotos gebunkert hat, die die Kronprinzessin zeigen. Ganz ohne Krone.

Dem wilden Mann aus Lilleström folgte unter anderen der wilde Morten Borg aus Oslo, vorbestraft wegen Kokainbesitzes. Es war nur eine Nacht, aber verkehren müssen die beiden noch immer - ihr Sohn Marius pendelt heute zwischen Borgs Neubauwohnung und dem königlichen Altbau: Ullevalsveien 67, gut 200 Quadratmeter.

Das Festival und der Prinz

Beim 'Quartfestival', einer Open-Air-Veranstaltung in Kristiansand, kam 1999 der Prinz des Weges, und dieser Haakon, der mit ihr reden wollte und ihr dann auf Knien einen Heiratsantrag machte, muss für Mette-Marit ein ziemlicher Kulturschock gewesen sein. Er war zwar für königliche Verhältnisse erdnah, aber für Erdenmenschen eher königlich aufgewachsen: Zur Geburt gab's Salut aus Kanonen und zum 18. Geburtstag einen Ball mit Margrethe von Dänemark; nach dem Abitur ging's zur Marine und zum Politikstudium nach Kalifornien; das Ausschweifendste in dieser Biografie, jedenfalls vor Mette-Marit, war der Besuch öffentlicher Schulen.

Kein leichtes neues Leben

Für beide erschloss sich eine neue Welt, aber für Haakon war diese Entdeckungsreise einfacher: Er blieb in seiner Rolle. Mette-Marit halten bislang nur 2,8 Prozent der Norweger für "die beste Repräsentantin des Königshauses", und das hat damit zu tun, dass sie in den ersten neun Monaten im erhabenen Dienst vor allem durch Verletzungen und Krankheiten auffiel: Sie leidet an Flugangst, und als sie gerade von den Olympischen Spielen in Salt Lake City zurück war, kam sie mit einer Lungenentzündung ins Krankenhaus. Wieder gesund, brach sie sich beim Skilaufen den rechten Knöchel.

Aber zählt in Wahrheit nicht doch nur das eine? "Ich kann mich glücklich schätzen", sagt sie, "dass ich ihn gefunden habe." Haakon lächelt sie von der Seite an, und als sie ihren Vortrag beendet hat, lächelt sie zurück.

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Ulrike von Bülow

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