Nach dem tödlichen Fenstersturz der Schauspielerin Jennifer Nitsch geht die Polizei mit "hoher Wahrscheinlichkeit" von Selbstmord aus. Darauf deuteten die Gesamtumstände wie auch Befragungen von Augenzeugen hin, teilte die Polizei am Montag mit. Staatsanwaltschaft und Polizei hatten Fremdverschulden bereits ausgeschlossen. Auch auf einen Unfall deute nichts hin, sagte ein Polizeisprecher.
Nitsch war gestern kurz nach 13 Uhr leicht bekleidet - sie trug eine Strumpfhose und ein T-Shirt - aus dem vierten Stock ihrer Altbau-Dachwohnung im Münchner Stadtteil Schwabing gestürzt. Eigenartiges Detail: Sie hielt eine Jeanshose in der Hand, als sie aus 15 Metern Höhe auf dem Boden aufschlug. Reanimierungsversuche des Notarztes blieben ohne Erfolg.
Ein Motiv ist unklar. "Abschiedsbrief war keiner da", sagte ein Polizeisprecher. Medien hatten über psychische Probleme berichtet. Nach Angaben der Polizei sollte die Leiche noch am Montagnachmittag obduziert werden. Die Obduktion könnte Aufschluss darüber geben, ob die Schauspielerin Medikamente oder Alkohol zu sich genommen hatte, wie Zeitungen spekulierten. Um nähere Umstände zu klären, will die Polizei auch den Bekanntenkreis befragen.
Hintergrund: Autoaggression
Selbstmordgefährdete Patienten haben nach Erfahrung von Psychiatern übermäßig häufig Probleme mit der eigenen Aggressivität. Sie können dazu neigen, die Aggression gegen sich selbst zu richten, um andere davor zu schützen. Diese so genannte Autoaggression kann sich in Selbstverletzungen, aber auch in ausgeprägtem Selbsthass und Schuldgefühlen.
An Autoaggression leiden häufig Menschen mit schweren Persönlichkeitsstörungen. Sie wollen sich mit dem selbstverletzenden Verhalten in der Regel wehtun oder bestrafen, ohne sich zu töten. Die Selbsttötung kann allerdings als ultimative Form der Autoaggression auftreten.
Einem Bericht des Online-Dienstes "Bunte.T-Online" zufolge hatte Nitsch seit längerem mit Selbstmordgedanken gespielt. Sie habe an Autoaggression gelitten, weil sie als Kind missbraucht worden war, hieß es. Die Wahlmünchnerin liebte Partys, sei aber privat einsam gewesen, schreiben Münchner Zeitungen unter Berufung auf Freunde der Schauspielerin.
Durchbruch mit "Allein unter Frauen"
Geboren wurde die "deutsche Sharon Stone", wie sie häufig genannt wurde, 1966 in Köln. Nach einer Ausbildung zur Kostümbildnerin fand Nitsch selbst Geschmack an der Schauspielerei und begann ihre Karriere mit kleinen Rollen in Serien wie "Der Alte", "Derrick" oder "Freunde fürs Leben". Der Durchbruch kam mit Sönke Wortmanns "Allein unter Frauen" im Jahr 1991. Wedel engagierte sie 1994 für seinen Vierteiler "Der Schattenmann", in dem sie eine Friseuse mit Verbindungen zur Mafia spielte. Spätestens mit dieser Rolle spielte sich Nitsch nach Meinung vieler Kritiker in die erste Riege der deutschen Schauspielerinnen.