Joschka Fischer Deutscher Riesling - Fischerman's friends

Joschka Fischer hat sich aus Deutschland verabschiedet. Er ist jetzt in Princeton. Aber kann so einer einfach die Heimat verlassen? Nicht ohne meine Weine, sagte sich Joschka und ging noch mal auf Winzertour.

Es war die fröhlichste Dienstfahrt des Joseph Fischer. Schon über Island knallten die Knorken, als er im November 2004 - damals noch Außenminister - nach New York flog. In seiner VIP-Kabine, kaum größer als ein Zugabteil, drängten sich elf deutsche Winzer, die ihm kräftig einschenkten. Fischer hatte sie eingeladen, der US-Presse ihre besten Gewächse vorzustellen: "Ich wollte was tun für unseren Wein." In elf Kilometer Höhe kreisten die Flaschen, schmeckten die Pfälzer Würste himmlisch, Metzgersohn Fischer war in seinem Element: "So 'ne Wurst ess ich lieber als die faden Riesengarnelen vom Catering, die Dinger hängen mir zum Hals raus."

Genau wie die Airline-Bordeaux mit Schraubverschluss: "Mit den Caterern diskutier ich gar nicht mehr über deren schlechten Wein, ich bring mir immer meine eigene Flasche mit. Wir verkaufen uns unter Wert. Unsere Weine sind Weltklasse, aber was trinken die Deutschen? Prosecco. Dabei ist der, den's bei uns gibt, meist ungenießbar." Mit einem Riesling vom Rheingauer Weingut Künstler im Glas himmelte Fischer: "Das können nur die Deutschen!" Und, die Lippen spitzend: "Da kommt man sich vor wie die Hummel an der Blüte." "Gott sei Dank trinkt er wieder", raunten die Winzer.

Viele Jahre hatte Fischer mit Wassertrinkerei genervt, war dünn und grantig geworden. Nun aber, neu verliebt, "schmeckte es wieder" wie einst, wenn er als hessischer Umweltminister mit dem Winzer Wilhelm Haag tafelte. Haag: "Gegen drei Uhr früh rutschte ich schon unter den Tisch, da hat der Fischer noch eine Magnum bestellt." Fischer: "Ich war sehr trinkfest. Aber jetzt pass ich auf. Spüre ich den Alkohol, dann hör ich auf."

Über Kanada muss er ihn doch gespürt haben, denn er blickte zu den Journalisten, die sich in die Weinprobe geschlichen hatten, und raunzte: "Ich bin ja leider oft mit Flaschen auf Reisen, aber so gute wie diesmal waren noch nie dabei!" Dann hob er seine Beerenauslese und wandte sich prostend den Winzern zu: "Euch dagegen würd ich gern immer mitnehmen." So viel Restsüße war selten bei Fischer.

Die Verkostung in der deutschen UN-Vertretung wurde ein Erfolg. Die US-Kritiker schrieben: Nach langen dunklen Jahren ist Wein aus Germany wieder Spitze. Howard G. Goldberg von der "New York Times" schwärmte: "Deutscher Riesling ist kein Wein, er ist ein Geschenk an die Menschheit." "Wenn nur auch die Deutschen das wüssten", seufzte Fischer und schwor, wieder daheim, werde er sich für den deutschen Wein einsetzen.

Es war die heiterste Pressefahrt des Joseph Fischer. Vor der Abreise nach Princeton, wo er - heute Professor - Politik lehrt, bereiste Fischer drei Tage mit dem stern die deutsche Provinz. Ein Bekenntnis zum deutschen Wein, eine Suche nach den besten Tropfen und Adressen für den Fall, dass ihm in Princeton der Wein ausgeht. Den stern im Schlepp, besuchte er berühmte und alteingesessene ebenso wie junge, noch aufstrebende Winzer.

Zu Letzteren gehört Sven Leiner im pfälzischen Ilbesheim, erst 26 Jahre alt, ein Bio- und mit seinen 1,8 Hektar Rebfläche ein Miniwinzer. Aber was macht er für einen großen Wein! Er hat den väterlichen Betrieb vor wenigen Jahren übernommen und sogleich auf den Kopf gestellt: "Mir war klar, dass ich mit billigem Fasswein nur untergehen konnte."

Die Umstellung auf biodynamische Produktion verlief "nicht ganz problemlos, ich bin auch auf die Nase gefallen". Aber nun sieht er, der seine Reben nur bei Vollmond schneidet, langsam Land. Fischer war beeindruckt von einem 2002 Tempranillo, eigentlich eine spanische Rebsorte, von der man nicht ahnt, dass sie auch im Norden gedeihen kann: "Da kommt man nicht drauf, dass das ein deutscher Rotwein ist." Natürlich sei sein Wein "spontan vergoren", sagte Leiner. Spontan vergoren? Als Ex-Sponti klang Fischer das gleich sympathisch, darüber wollte er mehr wissen.

Konventioneller Wein, ergab die Diskussion, ist oft so gedüngt, wie ein Hormonschwein gedopt ist, und seine Reben sind derart gespritzt, dass der frisch gekelterte Most vor Chemie fast steril ist. Mit natürlicher Befruchtung würde daraus schwerlich Wein, weshalb ihn der Winzer gezielt mit Hefekulturen impft, die die Gärung in Gang bringen. Eine Art künstlicher Befruchtung, die dazu noch erlaubt, dass der Kellermeister aus dem Fächer der sogenannten Reinzuchthefen den Geschmack wählen kann. Die schönen Noten von Pfirsich, Zitrus oder Apfel aus dem Weinprospekt sind oft kein Lohn der Arbeit im Weinberg, sondern aus der Retorte. Anders beim Biowinzer, dessen Weine mit nichts gespritzt sind, was der synthetischen Chemie entspringt. Von keinem Gift verdorben liegt der Most und harrt der Hefepilze, die stets durch die Weinbergsluft schwirren und sich gleich für die zuckrigen Anteile interessieren. Diese Bande ist keine ethnisch saubere Truppe, sondern ein wilder Haufen. Spontanvergärung ist eine Art freie Liebe, und der Winzer weiß erst am Ende, wie sein Wein schmeckt. Komplexer jedenfalls, jedes Jahr anders und damit immer spannend.

Hansjörg Rebholz im ebenfalls pfälzischen Siebeldingen - noch kein Biowinzer - gehört gleichwohl zu jenen, deren Wein so begehrt ist, dass die besten Lagen oft ausverkauft sind, bevor sie auf die Flasche kommen. Er begrenzt seine Ernte, im Durchschnitt bringt ihm ein Hektar nur 5500 Liter (andere ernten das Doppelte oder Dreifache). Im Probierraum schenkte Rebholz seinem Besucher einen 2004 Riesling vom Birkweiler Kastanienbusch ein, ein Spitzengewächs, von dem Fischer ebenso begeistert war wie von seinem Spätburgunder, jetzt noch im Barrique und längst nicht abgefüllt, von dem er sich gleich ein Fässchen sicherte - für die Zeit nach der Rückkehr.

Rebholz erzählte von seiner jüdischen Großmutter, die das Nazireich versteckt überlebte. Der Niedergang des deutschen Weins ist auch eine direkte Folge des Naziterrors. Jüdische Weinhändler hatten entschieden Einfluss auf die Qualität. Rebholz: "Als sie vertrieben oder ermordet waren, gab es hierzulande kaum noch Händler, die was von Wein verstanden."

Kein Land vermarkte seinen Wein so miserabel, schimpfte Christian von Guradze, Besitzer des Weinguts Bürklin-Wolf, und lag damit auf Fischers Linie. Guradze hält die deutschen Weingesetze für "schwachsinnig", die Güteklassen wie Spät- und Auslese für "reinen Blödsinn. Wir orientieren uns nur an diesem Scheiß-Zucker", erregte er sich im Restaurant "Zur Kanne" in Deidesheim, das zu seinem Gut gehört.

Auch bei Bürklin-Wolf wird biodynamisch angebaut, der Weinberg Ruppertsberger Hoheburg mit dem Pferd gepflügt, gedüngt mit eigenem Kompost. Guradze konnte das Mittagessen mit dem Gast nicht beenden: "Ich muss heim, wir spritzen heute die Reben mit Kamillentee, das stärkt die Abwehrkräfte." Kein Witz, sondern Voraussetzung für die Spontanvergärung, die auch Guradze propagiert.

Fischer und der Wein - das war keine Liebe auf den ersten Blick. Der Messdiener ("Weihrauch war meine Einstiegsdroge") nahm den ersten Schluck heimlich in der Sakristei, "süßer Messwein aus der Flasche". Zu Hause kam Wein nur sonntags auf den Tisch, "da machte der Vater eine Flasche billigen Kalterer See auf". In den wilden Frankfurter Jahren gab es anfangs nur "Untrinkbares", erst italienische Genossen brachten Flaschen mit, "von denen man nicht gleich blind wurde".

Das große Aha aber lehrte ihn sein Freund, der Bürgerssohn Daniel Cohn-Bendit: "Der hat guten Rotwein angeschleppt und uns auch das Austernessen beigebracht."

In der Politik entdeckte Fischer auch die Grand Crus, die "selbst im trübsten November die Sonne wieder in einem aufgehen lassen". Er trank und trank, bis er im Dezember 96 zu einer Weinprobe eingeladen war, bei der "nur der göttliche Château Pétrus" verkostet werden sollte. Trotz der Versuchung sagte Fischer ab - und rührte acht magere Jahre lang keinen Tropfen mehr an. Obwohl er öffentlich verkündete, ein Rückfall sei "ausgeschlossen", träumte er heimlich weiter von Wein und las weiter "jede Ausgabe der Weinmagazine, die ich abonnierte".

Die Rieslinge von der Nahe gehören heute zu den besten der Welt. In Mannweiler an der Alsenz, einem Nebenfluss der Nahe, arbeiten Martina und Peter Linxweiler im Weingut Hahnmühle. Ihnen hatten die konventionell arbeitenden Kollegen die Pleite vorhergesagt: "Wir haben nur überlebt, weil wir gnadenlos auf Qualität geachtet haben." Als sie vor 20 Jahren den Betrieb übernahmen, waren die Schiefersteillagen verwahrlost. Die Handarbeit im Hang schien nicht zu lohnen, solange man für den Liter Fasswein nur Pfennige bekam. Die beiden krempelten die Hahnmühle auf Biodynamik um. Im Dorf hieß es: "Die spritzen ihr Gift heimlich." Heute gehören ihre Weine zu den besten einer an guten Winzern reichen Region, bei maßvollen Preisen.

Während Deutscher Riesling im Ausland Triumphe feiert, trinken die Deutschen ausländische Weine zu weniger als zwei Euro die Flasche, Aldi dominiert den Markt. "Mir egal", sagt Peter Jacob Kühn selbstbewusst, der in seinem Gut in Oestrich mit das Beste produziert, was im Rheingau wächst - ein Freund der Spontanvergärung auch er. Seine 2004 Auslese vom Doosberg wurde bei der wichtigsten Weinmesse der Welt, der "Vinexpo" in Bordeaux, zum besten Weißwein gekürt. Kühn ist ebenfalls Biodynamiker: "Das macht 30 Prozent mehr Arbeit, lohnt aber. Es ist eine Suche: Wo kommt man hin, wenn man die Natur machen lässt?"

Rudolf Fürst aus Bürgstadt am Main baut auf 17 Hektar Wein an - so umwerfend gut, dass seine Kunden ihm die Flaschen aus der Hand reißen. Wer ein paar Kistchen bekommt, darf sich glücklich schätzen - Fürst ist jedes Jahr ausverkauft, trotz nicht geringer Preise. "In Deutschland", sagt Sebastian Fürst, 25, der einmal den Betrieb vom Vater übernehmen wird, "kannst du nur überleben, wenn du Spitze bist. Schlechten Wein macht das Ausland viel billiger."

Bei einem Glas von Fürsts Spätburgunder vom Centgrafenberg (Fischer: "So gut wie aus Burgund!") schaute der Ex-Außenminister in die Zukunft: "Bis zum Ersten Weltkrieg war Deutschland auch kulinarisch Weltspitze. Wir selbst haben uns das zerstört. Aber wäre es nicht schön, wenn wir es wieder schafften, dorthin zurückzukehren?"

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Von Claus Lutterbeck und Bert Gamerschlag

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