Ist Ihnen das auch schon passiert? Sie sind einer Einladung zum Essen gefolgt und Ihr Gegenüber, das Ihnen gerade noch beim Betreten des Restaurants höflich die Tür aufgehalten hat, verwandelt sich in ein Ess-Monster: Schmatzt, spricht beim Kauen, reinigt sich die Backenzähne mit dem Zahnstocher und schnäuzt in die Serviette, um diese dann auf dem sauberen Tischtuch auszubreiten. Die Situation ist für Sie nicht nur peinlich, sondern bringt Sie in eine Zwickmühle: Mache ich mein Gegenüber auf sein Benehmen aufmerksam oder leider ich still mit?
Es gibt zahllose Möglichkeiten, bei Tisch unangenehm aufzufallen. Kaum ein Gast mag es, wenn sich eine nasse Hundeschnauze auf sein Knie legt, weil der Tischnachbar vom Anleinen nichts hält. Keinem Restaurantbesucher gefällt es, wenn ein - anderer - geltungssüchtiger Gast wegen einer Nichtigkeit die Servicekraft zur Schnecke macht. Kein Kellner hat es gern, wenn ihm unbeaufsichtigte Kinder zwischen den Füßen herum springen. Meist wird das Ganze ohne Worte, doch mit einer moralinsauren Miene quittiert, die die Verursacher kalt lässt.
Wann Sie die betreffende Person zur Seite nehmen sollten
Was aber können Sie tun, wenn sich die eigene Begleitung bei Tisch daneben benimmt? Was, wenn sich Ihr neuer Freund nicht an die Regel "Iss so, dass den anderen der Appetit nicht vergeht" hält? Einen neuen Freund können Sie, selbst wenn er Ihnen grundlegend peinlich ist, ja so schnell auch wieder nicht aus dem Hut zaubern. Was tun Sie, wenn die Person, die Ihnen peinlich ist, Ihr eigener Chef ist? Schließlich müssen Sie ja morgen wieder mit ihm zusammenarbeiten.
"Soll ich meines Bruders Hüter sein?" Das Bibelzitat ist bekannt. Wenn Sie es mit einer sich nicht normenkonform verhaltenden Person gut meinen oder wenn Sie als Ehemann, Bruder oder Vorgesetzter eine Fürsorgepflicht haben oder für das Image Ihres Unternehmens zuständig sind, lautet die Antwort eindeutig: ja. Nehmen Sie die Person bei Gelegenheit zur Seite, teilen Sie ihr mit, dass Sie sie wertschätzen und deshalb auf eine Verhaltensweise aufmerksam machen wollen, die ihr gegebenenfalls schaden könnte. Sie wird Ihnen nicht um den Hals fallen vor Begeisterung, Sie wird wenigstens über Ihr Feedback nachdenken, sie wird es im besten Fall in ihrem Herzen bewegen.
Denken Sie an was Nettes
Sind Sie jedoch nicht befugt, pädagogisch einzuschreiten, ist Frustrationstoleranz angesagt: Gucken Sie weg, hören Sie weg, denken Sie an was Nettes. Vor allem wenn die Person, die schmatzt und eklig kaut, Ihr Chef ist, sollten Sie jeden bissigen Kommentar herunterschlucken. Bitten Sie gegebenenfalls, wenn eine dritte Person (die Servicekraft) in Mitleidenschaft gezogen wurde, diese später unter vier Augen um Verzeihung für das unflätige Verhalten Ihrer Begleitung. Sie wird die Situation verstehen.
Und prüfen Sie bei Gelegenheit Ihre eigenen Manieren. Damit nicht ein anderes Bibelzitat zum Zuge kommt: "Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?"