Kommentar Der englische Patient

Von Hannes Roß
Er ist am Ende. Mal wieder. Nach einem schwindelerregenden Fall durch sein eigenes Leben ist Pop-Star Robbie Williams erneut auf Entzug. Vielleicht sollte er endlich das Jammern lassen, statt sich ständig neue Betäubungsmittel zu suchen.

Schon beängstigend, wie sich manche Dinge, die einer so daher sagt, bewahrheiten können. Zwei Jahre ist es her, da sagte Robbie Williams in einem stern-Interview zu mir: "Mein neues Album entstand in der bislang glücklichsten Phase meines Lebens. Sollte es deshalb ein Flop werden, bin ich am Arsch. Ich müsste sofort meine Happy Pills absetzen und schnellstens wieder depressiv werden."

Endstation Entzugsklinik

Robbie Williams hat Recht behalten. Vor ein paar Tagen, ausgerechnet an seinem 33. Geburtstag, ließ er sich in eine amerikanische Entzugsklinik einweisen. Es heißt, er sei tablettenabhängig, ausgebrannt, ein zitterndes Psychopharmaka-Wrack, das sich nur noch mit 36 doppelten Espressi und 20 Dosen Redbull wach halten könne. Außerdem ist seine letzte Cd, "Rudebox", ein Flop, verglichen mit seinen Alben zuvor.

Überrascht hat diese Meldung nur wenige. Warum auch? Robbie Williams bewegte sich stets im Spannungsfeld zwischen Triumph und Absturz, daraus bezog er für lange Zeit seine Faszination. Denn da war endlich mal ein Popstar, der nicht auf jede Frage ein "Oh, it's so great to be famous" zwitscherte, sondern ein Mann, der uns an seinen Verletzungen teilhaben ließ. Der aus jedem Interview eine Therapiesitzung machte, aus jedem Popsong eine Selbstoffenbarung. Darin war er richtig gut. Er konnte fast philosophische Weisheiten von sich geben. Im stern sagte er: "Ruhm vergrößert deine Empfindlichkeiten, er verstärkt deine Schwächen, und er offenbart die unheimlichsten Seiten deines Charakters."

Hör auf zu jammern, Robbie!

Doch dieses Mal ist alles anders. Das Mitleid bleibt aus, es lässt einen seltsam kalt. Robbie Williams' Absturz-Meldung wirkt wie Déjà-Vu. Nicht schon wieder, denkt man. Es fällt einem Pete Doherty ein, der auch jede Woche der Welt verkündigt, jetzt würde er clean werden. Niemand hört mehr hin, niemand nimmt ihn mehr ernst. So ähnlich ist es dieses Mal auch bei Robbie Williams.

Man ignoriert, wenn Robbie Williams sich über die böse, böse Musikindustrie beklagt. Er hat es hunderte Male zuvor gemacht. Robbie Williams ist einer der mächtigsten Stars der Welt, er hat den höchst dotierten Plattenvertrag der Geschichte, er hat Millionen auf dem Konto - nicht er braucht die Musikindustrie, sie braucht ihn, um noch ein paar Millionen CDs zu verkaufen und noch ein paar Fußballstadien mit Fans zu füllen. Er ist kein Hamster im Spielrad der Industrie.

Eine Sucht ersetzt die nächste

Die Opferrolle, die noch zu Take-That-Zeiten wunderbar funktionierte und ihn auch später über viele Jahre trug, zieht nicht mehr. Er hat erfolgreich seine Kokain- und Alkoholsucht überwunden, jetzt waren es Antidrepressiva, die ihn an den Abgrund führten. 2003 scherzte er noch süffisant über die Wirkung seiner Tabletten "Effexor": "Sie sind großartig - außer einer Sache. Sie nehmen die Farbe aus dem Pinsel. Ich kann jetzt stundenlang, ohne zu kommen." Wie schön wäre es, wenn Robbie Williams einfach aufhören würde, zu jammern und wieder anfangen würde, das zu sein, was er einmal war: Der begabteste Pop-Entertainer unserer Zeit.

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