Pink "Die Länge meines Rockes bestimme ich"

Wie überlebt man als Unangepasste in einem Geschäft der Angepassten? Es sei immer wieder "ein Kampf", sagt die Sängerin Pink, die auf dem schmalen Grat zwischen Kontrolle und Selbstaufgabe balanciert.

Pink, in Ihrem neuen Hit "Stupid Girls" kritisieren Sie die Dummheit und Oberflächlichkeit des Musikgeschäfts. Wenn alles so furchtbar ist, warum arbeiten Sie selbst noch als Popsängerin?

Das ist eine unverschämte Frage! Mögen Sie etwa alle Ihre Schreiberkollegen? Ich bezweifle das. "Stupid Girls" handelt von Mädchen, die sich prostituieren, um bei MTV einmal durchs Bild laufen zu dürfen. Sie glauben, sie zeigen ihr weibliches Selbstbewusstsein, indem sie im Video von 50 Cent ihre Schamhaare blitzen lassen. Das finde ich verdammt armselig.

Langweilt Sie das Popgeschäft?

Ich gebe zu: Ein guter Teil davon deprimiert mich wahnsinnig. Besonders im HipHop geht es zu wie auf einem Betriebsfest von Zuhältern. Frauen sind da bloß Schmuckwerk wie Autos oder Goldkette.

Sie haben sich das Image einer selbstbestimmten Sängerin erworben, die sich nichts von ihrer Plattenfirma vorschreiben lässt. Dennoch spielen Sie wie so viele andere auch mit dem Sex. Wie wichtig ist das für die Vermarktung des Produktes Pink?

Es ist immer wieder ein Kampf, wenn ich eine neue CD veröffentliche. Dann läuft die Promotionmaschine an. Die Plattenfirma braucht neue Fotos, die am besten schön freizügig sind. Dem Videoregisseur wäre es am liebsten, wenn ich völlig ohne Bekleidung herumhüpfen würde. Ich möchte mal wissen, bei welchen männlichen meiner Popkollegen solche Fragen zur Diskussion stehen. Ich glaube, niemand würde Phil Collins bitten, sich im Video auszuziehen.

Trotzdem zeigen auch Sie sich immer wieder extrem freizügig.

Ich finde es auch nicht falsch, sexy zu sein. Ich bin keine Nonne. Wichtig ist für mich nur: Ich bestimme die Länge meines Rockes, und nicht irgendein Marketing-Trottel der Plattenfirma.

In Ihrem Song "Don't Let Me Get Me" haben Sie L. A. Reid, den ehemaligen Chef Ihrer Plattenfirma, aufs Korn genommen. Sie singen: "L. A. sagte mir, du wirst ein Popstar - du musst nur alles ändern, was du bist."

Er hat das mit Humor genommen. Er wusste von Anfang an, dass er mich nicht kontrollieren kann. Das war es ja auch, was ihm gefiel. Wenn ich nicht die Kontrolle über mein Image hätte, dann würde ich den Job wechseln.

Nun haben Sie das Image der Anti-Britney, der unangepassten Rock-Göre, die immer für ein bisschen Randale gut ist...

...und das ist ein wunderbares Image, weil es mich auf nichts festlegt. Ich kann tun und lassen, was ich will.

Nur brav dürfen Sie nicht sein. Dann würden Ihre Fans davonlaufen. Also müssen Sie immer aus der Rolle fallen.

Nein! Nur kann ich im Unterschied zu biederen Popsängerinnen wie Jessica Simpson auch angeschwipst bei den MTV-Awards einen Preis entgegennehmen, ohne dass die Presse gleich spekuliert, ob ich Alkoholikerin bin.

Sie sind mit 17 ins Musikgeschäft eingestiegen. Wie haben Sie es in dem Alter geschafft, Ihre Vorstellungen durchzusetzen?

In einer Musikcastingshow wäre ich bestimmt rausgeflogen. Ich war zu dick, zu wild, suchte immer Ärger. Mein Glück war, dass ich sehr früh begann, meine eigenen Songs zu schreiben. So konnte ich meine eigene musikalische Vision entwickeln. Außerdem hatte ich immer die richtigen Vorbilder: Madonna, Kurt Cobain und Janis Joplin, die ich demnächst in einem Film spielen werde. Selbstbestimmte Künstler eben.

Ihre Mutter warf Sie aus dem Haus, als Sie 16 waren. Warum?

Ich war damals außer Kontrolle. Meine Nächte verbrachte ich in irgendwelchen Clubs in Philadelphia. Ich schluckte Ecstasy, schnupfte Kokain und rauchte eine Menge Marihuana. Ich war immer drauf, weil meine Familie zerrüttet war und mir nur wenig Halt gab.

Sie haben Ihre Kindheit einmal als "Dritten Weltkrieg" besungen.

Bei uns zu Hause flog wirklich eine Menge Geschirr rum, es gab viel Geschrei. Meine Eltern ließen sich scheiden, als ich sieben war. Mein Bruder Jason zog sich in sich selbst zurück. Ich ging aus mir heraus und betäubte meinen Kummer mit Drogen.

Wie haben Sie das überwunden?

Als ein Freund von mir an einer Überdosis starb, war die Party vorbei. Ich ging in die Bibliothek und besorgte mir alle möglichen Bücher, die mir erklärten, wie sich Drogen auf den Geist und den Verstand auswirkten.

Das klingt jetzt aber wirklich naiv. Sie müssen doch die Gefahren von Drogen gekannt haben.

Klar waren mir die bewusst. Meine Mutter ist Krankenschwester, sie warnte mich ständig. Nur nahmen meine Freunde alles mögliche. Beispielsweise ein Zeug, das sich Ketamin nannte. In der Bibliothek fand ich dann heraus, dass es sich dabei um ein Narkosemittel für Tiere handelte. Sie können mir glauben, dass ich das Zeug nie wieder angerührt habe.

Sie haben Ihren langjährigen Freund, Carey Hart, erst vor kurzem geheiratet. Hat sich für Sie nun etwas verändert?

Bisher nicht. Wir haben uns seit den Flitterwochen im Januar erst dreimal gesehen. Wir wollen beide auch in der Ehe unabhängig bleiben.

Trotzdem haben Sie sich seinen Namen vor der Hochzeit auf Ihren Hintern tätowieren lassen. Musste das sein?

Bei Carey steht seitdem "Social Distortion" ("Soziale Störung") auf dem Hintern. Das fand ich fair. Das verstehe ich unter Gleichberechtigung in der Ehe.

Interview: Hannes Roß

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