Katie Melua, das "Album No.8" ist – unschwer zu erkennen – schon Ihr achtes. Sind Sie immer noch nervös, wenn Sie neue Musik veröffentlichen?
Katie Melua: Klar, ich bin immer noch aufgeregt. Es geht natürlich auch ums Ego: Da steht mein Name drauf, mein Gesicht. Das erzeugt schon einen gewissen Druck.
Sie sind jetzt seit fast 20 Jahren im Musikbusiness dabei. Hätten Sie zu Beginn geglaubt, dass Sie so lange dabei sein würden?
Ich hatte nie einen Plan für die nächsten 15 oder 20 Jahre. Am Anfang hatte ich das Gefühl, dass ich alles schnell schaffen muss, als wäre alles so dringend. Mit dem Erfolg gab es auch mehr und mehr Menschen, die von meiner Musik beruflich abhängig waren, so dass wir regelmäßig neue Sachen veröffentlichen mussten. Diesen Druck spüre ich jetzt nicht mehr. Ich kann meine eigenen Songs schreiben und habe den Luxus, mir Zeit nehmen zu können.
Gibt Ihnen das mehr Freiheit?
Freiheit ist ein interessantes Wort. Einerseits kann ich meine eigenen Entscheidungen treffen. Andererseits sind die Entscheidungen manchmal schwierig und belasten mich. Die Freiheit hat also auch ihren Preis.
Ihre Musikkarriere hat schon früh begonnen. 2006, mit 22 Jahren, waren Sie die kommerziell erfolgreichste Künstlerin in Europa. Hätten Sie sich manchmal einfach ein normales Leben gewünscht?
Nein, eigentlich nicht. Der einzige Bereich, wo ich das Gefühl habe, eventuell etwas verpasst zu haben, ist an die Uni zu gehen und zu studieren. Von der Persönlichkeit her bin ich nämlich eher ein Bücherwurm und Nerd. Und ich würde gern mehr Zeit mit meiner Familie verbringen können. Aber ich liebe meinen Job.
Hatte ihre frühe Popularität auch Schattenseiten?
Das große Problem mit dem Berühmtsein ist, dass man ständig auf Tour gehen und Interviews geben muss. Das heißt, ich kann mich sechs Monate im Jahr nicht damit beschäftigen, zu schreiben. Wenn ich dann wieder dazu komme, bin ich total aus der Übung und denke: Ich schaffe das nicht mehr. Das zweite Problem sind der Druck und die Erwartungen. Man muss immer besser sein als beim letzten Mal.
Haben Sie Lust, noch einmal etwas anderes als Musik auszuprobieren?
Ich habe eher das Gefühl, dass ich gerade erst angefangen habe und dass ich noch so vieles machen möchte in der Musik. Die Leute, mit denen ich zusammenarbeite, inspirieren mich immer noch. Ich glaube nicht, dass es etwas gibt, was mich so faszinieren würde wie Musik.

Im ersten Song aus ihrem neuen Album, "A Love Like This", geht es um die große Liebe – aber im gleichen Atemzug auch um die Frage, wann diese wohl enden wird. Eine ziemlich desillusionierende Sichtweise.
Auf jeden Fall. Aber die Liebe ist eben eine Herausforderung. Ich war selbst sieben Jahre lang verheiratet und bin es jetzt nicht mehr. Ich kenne viele andere Paare, die große Probleme haben. Und dann sehe ich junge Paare, bei denen alles toll zu sein scheint, und frage mich: Wie könnte man es schaffen, dass es ein Leben lang so bleibt? Liebe und Beziehungen haben so viele Nuancen, und wir sollten über alle reden.
Denken Sie, dass wir einen zu idealistischen Blick auf die Liebe haben?
Nicht in der Gesellschaft allgemein. Meine Mutter zum Beispiel war nie idealistisch, sie hat ein sehr pragmatisches Verständnis von Liebe. In der Kultur und in der Kunst gibt es diesen verklärten Blick auf die Liebe dagegen schon, auch in einigen meiner Songs. Ich habe neulich den Begriff "Liebespropaganda" gelesen – und ich dachte, ich weiß genau, was damit gemeint ist: Du findest deinen Seelenverwandten und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. In der Realität ist das unglaublich schwierig und kommt nur ganz selten vor.
Macht es die Dinge schöner, wenn wir immer gleich an ihre Vergänglichkeit denken?
Wenn wir glauben, dass etwas ewig bleibt, sehen wir es einfach als selbstverständlich an. Insofern: Ja, absolut. Es ist ein Paradox: Wenn wir wissen, dass etwas enden wird, erscheint es uns umso schöner.

Sie sind in Georgien geboren und aufgewachsen, als Sie neun Jahre alt waren, zog Ihre Familie nach Großbritannien um. Was bedeuten diese Wurzeln für Sie?
Sie haben mich sehr stark geformt. Ich meine, das war meine Kindheit. Bis heute bin ich geradezu besessen von diesem Land, ich denke ständig darüber nach, wann ich wieder dorthin kann und auf dem Flug bin ich ganz aufgeregt. Die Gemeinschaft dort ist toll, die Menschen sind nett, das Miteinander zählt mehr als der Einzelne. Das hat mich geprägt.
Ihre Familie lebte noch in Georgien, als dort der Bürgerkrieg Anfang der Neunziger tobte. Haben Sie als Kind mitbekommen, was da passierte?
Ja, zum Beispiel durch die Stimmung, die zu Hause herrschte. Wir lebten mit meinen Eltern, meinen Großeltern und meinen Onkeln, die damals 18 oder 19 Jahre alt waren. Immer, wenn sie das Haus verlassen haben, war meine Oma sehr, sehr ängstlich und konnte sich erst entspannen, wenn sie wieder zu Hause waren. Es war auf den Straßen damals sehr gefährlich. So habe ich das als sieben oder acht Jahre altes Kind wahrgenommen.
Woran erinnern Sie sich noch?
Es herrschte Krieg, das Land war wirtschaftlich zerstört, aber selbst in diesen harten Zeiten haben die Menschen versucht, das Leben zu genießen. Die Leute haben Feste gefeiert und es gab immer viel zu essen. Ich sage immer, in England habe ich meine Bildung bekommen, aber in Georgien habe ich zu leben gelernt.
Wie haben Sie diese Erlebnisse in ihrem weiteren Leben beeinflusst?
Ich war dadurch umso glücklicher, dass ich die Möglichkeit hatte, in den Westen zu kommen und in einem sicheren Land zu leben. Man macht den Wasserhahn an und es kommt Wasser raus, man drückt auf den Lichtschalter und das Licht geht an, ich konnte Filme gucken und Musik hören – solche kleinen Dinge weiß ich dadurch zu schätzen.
Wo ist Ihr Zuhause, in Georgien oder in England?
Wie gesagt, ich habe von beidem etwas. Zum Glück muss ich mich nicht entscheiden – das könnte ich auch gar nicht.