Neulich hielt der König wieder einmal Hof. Von den Balkons der Nachbarhäuser tönten Trompetenklänge, auf dem roten Teppich vor dem Eingang lagen Rosenblätter, und drinnen war eine Tafel für 2500 Gäste aufgedeckt. Der König selbst saß auf einem Thron in der Mitte des Saales. Sonnenbrille, Samtanzug, Diamantenringe an jedem zweiten Finger. So feierte P. Diddy seinen 35. Geburtstag vor einem Monat im New Yorker Restaurant Cipriani. Ziemlich bescheiden, ja knauserig eigentlich. Anlässlich seines 33. hatte der Rapstar noch 300 Gäste nach Marokko eingeflogen. Mit Privatjets. Gefeiert wurde vier Tage lang im Palast von Marrakesch. Kosten des Vergnügens: rund eine Million Dollar.
Reichtum ist keine Schande, Reichtum muss vorgeführt werden. Eine neue HipHop-Upper-Class hat sich im Musikgeschäft gebildet, die es liebt, ihr Geld ebenso schnell auszugeben, wie sie es verdient. Rapper wie P. Diddy, Jay-Z, Outkast, Missy Elliott und ihre Soul-Kollegin Beyoncé protzen gern mit dem, was sie haben. Behängen sich mit Goldketten, dass sich die Schultern biegen, kaufen in der Mittagspause einen Lamborghini Murciélago für 200.000 Euro und schaffen es, bei Versace in zehn Minuten 40.000 Euro für Maßanzüge loszuwerden. Es ist eine Neureichen- und Prollkultur, die Dieter Bohlen wie einen Pfennigfuchser und Feingeist aussehen lässt. Die 23-jährige Beyoncé Knowles beispielsweise verprasste während ihres viertägigen St-Tropez-Urlaubs mehr als 420 000 Euro für Yacht, Privatjet und einige Shopping-Ausflüge. Ein Limit gibt es nicht, entscheidend ist nur, die Luxusorgien öffentlich auszuleben. Die Welt soll sehen, wer die neuen Großverdiener im Musikgeschäft sind.
Weltmacht HipHop. Einst gestartet als Partymusik in den Ghettos von New York, ist HipHop heute mit einem Jahresumsatz von 1,8 Milliarden Dollar zur profitträchtigsten Musiksparte geworden. Aus der Popkultur wurde Rapkultur: 13,3 Prozent aller verkaufter Musik ist HipHop, Pop liegt abgehängt bei 8,9 Prozent. So errechnete es die Recording Industry Association Of America. Und auch hierzulande ist die HipHop-Kultur allgegenwärtig, nicht nur in den Charts, die regelmäßig von US-Rappern wie 50 Cent oder Eminem belegt werden.
Es gibt HipHop-Literatur und Hip- Hop-Filme, eine HipHop-Sprache und HipHop-Mode. Kein anderer Popstil setzt so viel Geld mit Produkten und Werbung um. "HipHop wird ständig größer - immer dann, wenn man denkt, es geht nicht mehr weiter", sagt Eminem, der den Ruf als scharfzüngiger Kritiker des amerikanischen Kapitalismus genießt, aber als Besitzer einer Platten- und Modefirma Musterbeispiel für den amerikanischen Kapitalisten ist.
Ähnlich wie Rock'n'Roll in den 60er Jahren ist HipHop inzwischen ebenso Jugendbewegung wie Konsumindustrie. "Ich möchte so viel Geld wie möglich verdienen", gesteht Beyoncé ohne Scham, "weil du diesen Job ja auch nicht ewig machen kannst." Für einen Werbespot für Tommy Hilfiger stand sie einen Tag lang vor der Kamera. Das Honorar: 3,6 Millionen Dollar. Der Kommentar: "Der leichteste Job, den ich jemals hatte!" Ein Rocker wie Bruce Springsteen mag seine Glaubwürdigkeit verlieren, wenn er vor zu vielen Softdrinkdosen grinst. Für einen Rapper allerdings steigt sein Ruhm und sein Ansehen, wenn er als Werbegesicht omnipräsent ist.
Es ist der Beleg dafür, dass es hier einer von unten nach oben geschafft hat, vom schwarzen Ghetto an die Spitze des weißen Big Business. So wie Jay-Z, bürgerlich Shawn Carter, der in den Slums von Brooklyn aufgewachsen ist, als Drogendealer sein Geld verdiente und es dann doch noch als Rapper in wenigen Jahren zum gesellschaftlich geachteten Multimillionär gebracht hat. Auch P. Diddy zehrt von einem düsteren Kapitel in seiner Vergangenheit: Als er zwei Jahre alt war, wurde sein Vater im Central Park erschossen. Der dealte Drogen. So was macht sich gut im Lebenslauf des Sohnes. Viel besser jedenfalls, als lebte Papa noch, etwa als pensionierter, übergewichtiger Bankdirektor in einem hübschen Altersheim in Palm Beach.
Besonders erstaunlich am Siegeszug des HipHop ist, dass den Rappern eine schwierige Gratwanderung gelingt: Sie sind gleichzeitig Ikonen der Rebellion und der Geschäftswelt. Um ihre Musik herum haben sie weitverzweigte Firmennetze aufgebaut: Jay-Z macht mit seiner Sportklamottenfirma "Rocawear" rund 250 Millionen Dollar Jahresumsatz, P. Diddy bringt es gar auf 300 Millionen Dollar mit seinem Modelabel "Sean John" und berät mit der Marketingfirma "Bad Boy Entertainment" mehr als 500 Firmen weltweit, unter ihnen auch Pepsi und Nike. Und Gangsta-Rapper Snoop Dogg hat seine spezielle Marktlücke gefunden: Er produziert seit einiger Zeit HipHop-Pornos.
Am größten allerdings ist immer noch der Einfluss der HipHop-Texte. Wenn Jay-Z in seinen Liedern Luxusmarken wie Prada oder dem Champagner Moët & Chandon huldigt, dann ist das lohnend für alle. So hat sich der Umsatz von Champagner unter jungen Afroamerikanern in den vergangenen zehn Jahren fast verdoppelt. Der Unternehmensberater Lucian James aus San Francisco hat diese Marktgesetze erkannt. Seine Firma analysiert die Nennung von Markenartikeln in den US-Charts, der überwiegende Teil stammt aus Rap-Songs. In den Hitlisten führt zurzeit Mercedes mit 112 Erwähnungen, gefolgt von Lexus und Cadillac und Gucci. Nun bringt Lucian James - gegen Provision - Musiker und Werbewirtschaft direkt miteinander ins Geschäft. Erster Erfolg: Der Rapper Busta Rhymes nannte einen Song "Pass The Courvoisier"; der Umsatz der Cognac-Firma "Courvoisier" stieg angeblich um zehn Prozent. Somit liefert HipHop, einst als das "CNN der Schwarzen" bejubelt, den perfekten Soundtrack für den Markenfetischismus des 21. Jahrhunderts.
Kein Wunder, dass manchem Rapper bei so viel Einfluss, Macht und Geld der Ruhm zu Kopf steigt. So taufte P. Diddy eins seiner Lieder "Best Friend". Wem er es gewidmet hat? Blöde Frage. Seinem besten Freund eben. Gott.