Was macht eigentlich... ... Anselm Bilgri

Nach fast 30 Jahren als Benediktinermönch trat Pater Anselm 2004 im Streit aus dem Kloster Andechs und dem Orden aus. In Andechs hatte er den Wirtschaftsbetrieb geleitet.

Grüß Gott, Herr Bilgri! Wie lebt es sich so als "Manager-Messias"?

Also, so bin ich noch nie bezeichnet worden.

Ihr Weg führte nicht von der Welt und dem Geld in die klösterliche Abgeschiedenheit, sondern umgekehrt.

Die Frage ist immer: Wie definiert man Heiligkeit? "Heilig" hat ja etwas mit "Heil" zu tun, mit dem Heil des Menschen. Das Ökonomische hat in unserer Gesellschaft ein so ungeheures Gewicht. Ich möchte, dass der Mensch dabei nicht unter die Räder kommt.

Und deswegen sind Sie nun Leiter einer Unternehmensberatung?

Ich will der Wirtschaft eine Werteorientierung vermitteln. Manche Führungskräfte haben einen regelrechten Tunnelblick. Die werden am Anfang ihrer Karriere auf eine Schiene gestellt; dann fahren sie dahin und sehen nicht mehr, dass die Wirtschaft dem Leben zu dienen hat, nicht umgekehrt.

zur Person

Anselm Bilgri wurde 1953 in Unterhaching geboren, die Eltern waren Gastwirte. Mit 22 trat er in die Benediktinerabtei St. Bonifaz in München und Andechs ein, studierte Philosophie und Theologie, wurde 1980 zum Priester geweiht. Von 1986 bis 2004 arbeitete er als Wirtschaftsleiter, machte "Kloster Andechs" - u. a. Bier, Schnupftabak - zum Millionenerfolg. Er wurde auch als Buchautor und TV-Moderator bekannt. 2004 verließ Bilgri das Kloster und gründete eine Unternehmensberatung.

Sie beraten namhafte Dax-Unternehmen. Haben Sie auch Josef Ackermann schon eine Lektion in Demut erteilt?

Nein, noch nicht. Sich mit ihm auf eine Moraldiskussion einzulassen wäre auch heikel. Wenn man über Werte wie Demut spricht, besteht immer die Gefahr des erhobenen Zeigefingers.

Herrn Ackermanns Spezialität sind erhobene Zeige- und Mittelfinger. Sein "Victory"-Zeichen wurde zum Symbol für die Arroganz der Mächtigen.

Stimmt. Aber das ist wahrscheinlich nicht einmal Arroganz. Internationale Führungskräfte führen ein Leben in einer geschlossenen Gesellschaft. Ich glaube, die abhandengekommene Bodenhaftung ist sein eigentliches Problem. Andere Führungskräfte sehen da besser aus.

Apropos: Eine andere Führungskraft, der Münchner Kardinal Friedrich Wetter, hatte Ihnen nach dem Klosteraustritt eine Bedenkzeit gegeben.

Ja, drei Jahre. Es ging darum, ob ich wieder voll in den Dienst der Kirche zurückkehre. Mein Wunsch dagegen war und ist es, hauptberuflich Ratgeber zu sein und nebenher als Pfarrer oder Seelsorger zu arbeiten.

Diese Bedenkzeit ...

... läuft jetzt aus. Bisher hat es aber kein abschließendes Gespräch gegeben. Die Rückkehr ins Kloster Andechs jedenfalls stand nie zur Diskussion.

Haben Sie das freiere Leben außerhalb der Klostermauern schätzen gelernt?

Was mir manchmal schon abgeht, ist der geregelte, rhythmisierte Tagesablauf. Und: Im Kloster ist man rundum umsorgt. Aber das kann auch zu einer Fessel werden.

Die sind Sie los.

O ja. Mir macht es Freude, einkaufen gehen zu müssen. Im Kühlschrank nachschauen zu müssen: Was geht jetzt aus? Das kann schon mühsam sein, für einen späten Junggesellen wie mich. Meistens kauf ich zu viel ein, und es wird schlecht. Aber es macht auch wahnsinnig viel Spaß!

Leben Sie noch nach dem klösterlichen Regelkatalog? Der Zölibat ist ja Teil ...

... also, der Zölibat ist eine Vorschrift für Weltpriester und besagt, dass sie nicht heiraten dürfen. Natürlich gelten auch hinter Klostermauern bestimmte Regeln zur Sexualität. Jetzt, wo ich von den Gelübden befreit bin, muss ich neu lernen, damit umzugehen.

Ihre Eltern waren gegen Ihren Klostereintritt. Wie war das, als sie gehört haben: Der Bub kommt aus dem Kloster zurück?

Als ich Mönch geworden bin, waren sie tatsächlich sehr enttäuscht - und haben mich enterbt. Ich hätte ihre Gaststätte übernehmen sollen, wissens’. Meine Mutter hat meinen Schritt zurück in die Welt nicht mehr erlebt. Mein Vater allerdings hat mich auch davor wieder gewarnt. "Bleib bloß drin!", hat er gesagt. "Da hast dei’ Rente."

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Interview: Markus Wanzeck

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