WAS MACHT EIGENTLICH... Sang Lan

Die chinesische Weltklasse-Turnerin verunglückte 1998 bei einem Wettkampf in New York schwer - sie brach sich bei einem missglückten Salto am Pferd das Genick und sitzt seitdem im Rollstuhl.

Die chinesische Weltklasse-Turnerin verunglückte 1998 bei einem Wettkampf in New York schwer - sie brach sich bei einem missglückten Salto am Pferd das Genick und sitzt seitdem im Rollstuhl. Sang Lan, 20, lebt im Haus ihrer Eltern in Peking. Dort sitzt sie jeden Tag mindestens zwei Stunden vor dem Computer. 1999 war sie nach zehn Monaten in amerikanischen Krankenhäusern, nach Medienrummel und Besuchen von Filmstars und Politikern in ihre Heimat zurückgekehrt.Sie haben ein fröhliches Lachen. Wie geht das nach so einem Schicksalsschlag?

Dass ich behindert bin, kann ich nicht ändern. Natürlich brauche ich oft Hilfe von anderen, aber fröhlich sein, positiv denken, in die Zukunft schauen - das hilft.

Sie sagen das so leicht.

Ja, das zu leben ist viel schwerer. Aber ich habe großes Vertrauen, dass ich eines Tages wieder laufen kann. Die Wissenschaft entwickelt sich schnell.

Wie leben Sie als einstige Spitzen-Turnerin damit, jetzt zur Bewegungslosigkeit verurteilt zu sein?

Anfangs war ich wütend. Ich fragte: »Warum ich?« Damals lebte ich allein von der Liebe meiner Eltern und Freunde. Ich brauchte eine Weile, um zu akzeptieren, was passiert war. Ich habe viel von anderen Behinderten gelernt.

Wie vom Schauspieler Christopher Reeve?

Er ist vom Pferd gestürzt und schwerer gelähmt als ich. Er braucht ein Atemgerät. Er riet mir, nie wieder an den Unfall zu denken. Später war ich im selben Krankenhaus wie er und besuchte ihn oft.

Wer kam an Ihr New Yorker Krankenbett?

Die ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter und George Bush. Celine Dion sang für mich die Musik aus »Titanic«, meinem Lieblingsfilm.

Wie hat Ihnen Amerika gefallen?

Alle waren sehr herzlich, meine Lehrer, die anderen Patienten, die Ärzte. Viele luden mich zu sich nach Hause ein.

An Ihrer Zimmerwand hängt ein Poster mit dem Autogramm von Leonardo DiCaprio.

Er sieht toll aus. Als er mich besuchte, zeigte er mir Zaubertricks und gab mir seine Adresse. Wir machten aus, dass ich ein bestimmtes Bild auf den Umschlag male, damit er erkennt, dass der Brief von mir ist und er ihn wirklich liest.

Was ist das für ein Bild?

Das bleibt mein Geheimnis.

Wie sieht Ihr Alltag in Peking aus?

Drei Stunden täglich trainiere ich die Muskeln, die mir geblieben sind. Dreimal in der Woche kommt mein Lehrer. Ich lerne Englisch und Mathematik. Vor dem Unfall machte ich jeden Tag acht Stunden Sport. Da kam die Schule zu kurz. Ich habe inzwischen gelernt, mir meine Hose anzuziehen, mich vom Bett in den Rollstuhl zu bewegen und umgekehrt. Später werde ich arbeiten wie andere auch. Wenn alles gut geht, bin ich in zwei Jahren auf der Uni und studiere Internet- und Medien-Wissenschaft.

Was machen Sie in der Freizeit?

Den Fischen im Aquarium zuschauen, fernsehen, einkaufen, im Internet surfen, E-Mails lesen und verschicken. Ich bin doch nicht im Kopf behindert, kann denken und Entscheidungen treffen wie andere auch. Ich liebe Musik, besonders romantische Lieder. Das hilft mir manchmal beim Einschlafen. Weil ich ab der Brust gelähmt bin, macht mein Kreislauf Probleme und ich werde oft wach.

Machen Sie in Ihrem Rollstuhl Ausflüge?

Ich fahre im Hof herum, manchmal ins Kaufhaus. Mehr ist noch zu anstrengend.

Warum setzen Sie sich dafür ein, dass Peking 2008 Olympiastadt wird?

China ist ein großes Land mit vielen sportbegeisterten Menschen. Unsere Spitzensportler gewinnen viele Medaillen. Peking bietet viele Sehenswürdigkeiten, hat aber eine Luft, die nicht nur 100-Meter-Läufern den Atem nimmt. Bis 2008 können wir mit moderner Umwelttechnik noch vieles verbessern. Und Sandstürme haben wir hier ja nicht jeden Tag, sondern bloß ab und zu im Frühling.

Interview:

Matthias Schepp

PRODUKTE & TIPPS