was-macht-eigentlich Bruno Schneider

Der Rentner aus Eisenhüttenstadt war eines der ersten Opfer der Oderflut vor zwei Jahren. Sein Haus stand wochenlang bis zur ersten Etage unter Wasser.

Der Rentner aus Eisenhüttenstadt war eines der ersten Opfer der Oderflut vor zwei Jahren. Sein Haus stand wochenlang bis zur ersten Etage unter Wasser. STERN: Haben Sie heute schon den Pegel gemessen?

SCHNEIDER: Ach was, da reicht schon ein Blick von meiner Terrasse. Aber ich habe vorhin beim Wasserstraßenamt in Frankfurt/Oder angerufen. Wollte wissen, ob was anrollt.

STERN: Und?

SCHNEIDER: Keine Gefahr. Zur Zeit haben wir hier sogar Niedrigwasser, das beunruhigt mich mehr. Denn dann können die Kinder der Gegend am seichten Ufer toben und meinen Kahn beschädigen.

STERN: Wie, Hochwasser wäre Ihnen lieber?

SCHNEIDER: Um Himmels willen. Als ich die Berichte aus Bayern sah, war meine eigene Katastrophe plötzlich wieder ganz nah. Die stinkende Jauche im Wohnzimmer konnte ich regelrecht riechen, den Modder in allen Ecken, als das Wasser wieder abgezogen war. Die Fotos davon hängen ja noch im Flur. Trotzdem seltsam - ich hatte es schon fast vergessen. Nicht mal geträumt habe ich davon.

STERN: Das viele Spendengeld, das sie damals bekommen haben, hat Ihnen dabei sicher geholfen?

SCHNEIDER: Keine Frage, mit der kargen Rente von meiner Frau und mir säßen wir immer noch im heimischen Feuchtbiotop. Der Putz mußte runter, die Fliesen mußten raus, neue Türen mußten gebaut werden - war ja alles verzogen. Auch die Möbel wanderten komplett in den Müll. Das Wasser hat mich buchstäblich bis aufs Hemd ausgezogen. Das letzte gerettete Unterhemd von damals trage ich jetzt noch.

STERN: Aber sein Gutes hatte das Hochwasser doch auch - vom Bad über die Schrankwand bis zum Teppich ist bei Ihnen jetzt alles neu?

SCHNEIDER: Ich will Ihnen mal was sagen: Die Schrankwand hätte ich sehr gerne behalten. Die war nämlich noch aus der DDR. Ein Exportstück, wegen eines Fehlers stand sie damals bei uns im Kaufhaus. Trotzdem hat sie noch 600 Mark gekostet, fast ein Jahresgehalt von mir. Auch die Couchgarnitur - was sind wir nach der gerannt. Und plötzlich: raus, auf den Müll, nicht mehr wichtig. Aber ich will nicht undankbar sein. Schlechter geht es uns nicht.

STERN: Ist wenigstens die Nachbarschaft wieder enger zusammengerückt?

SCHNEIDER: Gar nicht. Jeder macht seins, wie immer. Aber immerhin gehen wir uns nicht an die Kehle, so wie die im Nachbardorf Ziltendorf. Die haben ja das meiste Geld gekriegt. Jetzt neidet einer dem anderen das Haus, die teuren Möbel. Einige, habe ich gehört, müssen jetzt sogar was zurückzahlen. Ich habe zum Glück nur einmal einen Antrag auf Geld gestellt. Ich wollte mich doch nicht bereichern.

STERN: Haben Sie schon etwas für die Opfer der Flut in Bayern und Baden-Württemberg gespendet?

SCHNEIDER: Noch nicht, aber 200 Mark werde ich auf jedem Fall geben. Obwohl, soviel wie damals für uns wird jetzt wohl nicht mehr zusammenkommen. Damals wollten ja viele dem armen Osten helfen. Die Bayern, denkt man nun bestimmt, haben selbst genug. Aber die meisten wohnen doch auch nur zur Miete.

STERN: Können Sie den Geschädigten ein paar Tips geben?

SCHNEIDER: Das wichtigste ist, die Ruhe zu bewahren. Vor allem die Männer müssen gelassen bleiben, weil sich ja die Frauen am meisten ängstigen. Und es muß sofort ein Container her, dann heißt es: Weg mit allem! Gar nicht nachdenken, ob man's noch gebrauchen könnte oder wie lieb es einem war. Weg, weg, weg! Und ich kann versichern, daß man schnell vergißt. Außer man sieht noch die Fotos vom Schlamassel. Aber da bin ich jetzt sogar ein wenig stolz drauf, ich meine, so als 'Überlebender'.

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