was-macht-eigentlich Eddy Merckx

Der belgische Radsportler siegte in seiner 15-jährigen Karriere in über 600 Rennen, legte rund 600 000 Rennkilometer zurück und verdiente zirka zehn Millionen Mark. 1978 trat er vom aktiven Sport zurück

Der belgische Radsportler siegte in seiner 15-jährigen Karriere in über 600 Rennen, legte rund 600 000 Rennkilometer zurück und verdiente zirka zehn Millionen Mark. 1978 trat er vom aktiven Sport zurückZur Person :

Eddy Merckx, 55, lebt mit seiner Frau Claudine auf einem Bauernhof bei Brüssel, konstruiert und verkauft superleichte Rennräder.

stern: Sie gelten als lebende Legende. Fühlen Sie sich auch so?

Merckx: Ich bin ein normaler, nüchterner Mensch, ohne Schnörkel. Jeder nennt mich Eddy. Und Eddy baut Rennräder!

stern: Sie könnten sich doch auch mit »Baron? anreden lassen. Das belgische Königshaus erhob Sie 1996 in den Adelsstand.

Merckx: Eine große Ehre, die ich zu schätzen weiß. Für mich ist der Titel aber kein Grund, abzuheben oder auf Distanz zu gehen.

stern: Früher haben Sie sich am liebsten von anderen abgesetzt . . .

Merckx: Im Sport! Als Rennfahrer war ich ein Vielfraß, ein Tempo-Teufel. So schnell wie möglich bin ich aus dem Hauptfeld alleine losgezischt. »Der Kannibale? nannte man mich. Ich wollte nur eins: gewinnen.

stern: Sie sind die Nummer eins aller Zeiten.

Merckx: Meine Gabe, andere auf dem Rad zu schlagen, liegt in meinen Genen. Ich hatte den idealen Körper, zum Zeitfahren, Sprinten und Klettern!

stern: Sie brauchten nichts dafür zu tun?

Merckx: Doch. Hart trainieren, Durchsetzungsvermögen und Kondition aufbauen, taktische Einsicht entwickeln. Dazu kam während der Touren der Leistungsdruck. Die Jungs im Team strampelten sich zu Tode, um mir gute Chancen zu verschaffen. Sie merkten es schließlich auch sofort im Geldbeutel, wenn ich nicht als Erster ankam. Denn wir haben ja die Siegerprämien geteilt.

stern: 1969 waren Sie in eine Doping-Affäre verwickelt. Man hat Ihnen vorgeworfen, während des Giro d? Italia verbotene Mittel genommen zu haben.

Merckx: Zunächst wurde ich für die Tour gesperrt. Dann aber stellte sich zum Glück heraus, dass die Kontrolle fehlerhaft gewesen war, und ich konnte starten. So eine Panne habe ich nie wieder erlebt!

stern: All die Jahre also ohne künstliche Stimulanz?

Merckx: An meinen Körper habe ich nur echte Diplomärzte gelassen und nicht diese dubiosen Herren mit ihren Salben, Pillen und Spritzen. Ich war absolut clean.

stern: Wer wird neuer Tour-Sieger?

Merckx: Pantani oder Armstrong. Persönlich hoffe ich auf Lance Armstrong. Ich kenne ihn seit seiner Amateurzeit. Was er geschafft hat, ist nicht zu beschreiben. Kaum war er nach seiner Krebserkrankung einigermaßen gesund, stieg er wieder aufs Rad. Chapeau.

stern: Und Jan Ullrich?

Merckx: Er ist vielleicht der Beste. Doch er steht schon zu lange unter zu starkem Druck. Als Junge im Leistungssystem der DDR, gerade mal 13 Jahre alt. Ich glaube, dass er mental erschöpft ist. Ein 13-Jähriger soll Spaß am Sport haben. Jan musste damals schon Spitzenreiter sein - und jetzt immer noch. Das verkraftet keiner auf Dauer. Die Gier zu gewinnen lässt nach.

stern: Erinnern Sie sich an Ihren Abschied?

Merckx: Das war am 19. März 1978, bei dem unbedeutenden Rennen von Waasland. Ich kam als Zwölfter über die Ziellinie. Da fiel der Groschen. Einen weiteren Abstieg wollte ich nicht erleben. Psychisch ging es nicht mehr. Und physisch war ich ausgelaugt, verbraucht.

stern: In den Medien entstand damals das Bild eines deprimierten Mannes.

Merckx: Das stimmte nicht. Im Prinzip hatte ich mir längst ein neues Leben als Radproduzent und Konstrukteur aufgebaut. Aber es ist doch normal, wenn man nach so einer Karriere sagt, dass man die schönste Zeit auf dem Velo verbracht hat. Der Satz wurde jedoch so interpretiert, als ob ich meine neue Existenz nicht genießen würde. Dabei geht's mir blendend. Wir produzieren immer mehr, 5000 Räder jährlich für Profis und betuchte Liebhaber. Auch der deutsche Markt boomt. Daher suche ich mir jetzt einen Manager, der mich ein bisschen entlastet. Damit ich selbst endlich wieder eine Runde um den Turm radeln kann.

stern: Ihr Sohn Axel fährt auch. Aber sicher nie so erfolgreich wie Sie. Ist das für ihn nicht frustrierend?

Merckx: Er liebt diesen Sport. Und so schlecht ist er ja nicht. Sonst würde ich ihn bremsen.

Interview: Albert Eikenaar

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