was-macht-eigentlich Sepp Ferstl

Der frühere Weltklasse-Abfahrtsläufer konnte als einziger Deutscher das legendäre Hahnenkamm-Rennen in Kitzbühel gewinnen - er siegte auf der Streif 1978 und wiederholte den Triumph ein Jahr später noch einmal

Der frühere Weltklasse-Abfahrtsläufer konnte als einziger Deutscher das legendäre Hahnenkamm-Rennen in Kitzbühel gewinnen - er siegte auf der Streif 1978 und wiederholte den Triumph ein Jahr später noch einmalZur Person :

Ferstl, 45, lebt mit Frau und drei Söhnen im bayerischen Siegsdorf und betreibt dort ein Fuhrunternehmen. Die Hahnenkamm-Erfolge - auf dem Foto rechts lässt er sich für den zweiten Sieg 1979 feiern - waren die Glanzpunkte seiner Karriere

stern: Herr Ferstl, was machen Sie am kommenden Samstag?

Ferstl: Ich werd in Kitzbühel sein, beim Rennen. Wie jedes Jahr. Das ist fast wie ein Veteranentreffen. Und wir fahren ja auch noch die Streif runter. Aber langsam.

stern: Sehen Sie sich Ihre Siege von 1978 und 1979 gelegentlich noch mal auf Video an?

Ferstl: Na klar habe ich das auf Video. Aber es wird ja auch oft genug wiederholt im Fernsehen. Ich kann Ihnen sagen: Es ist immer wieder ein Genuss.

stern: Könnten Sie uns bitte mal verraten, was an diesem Rennen so besonders ist.

Ferstl: Es ist die schwerste Strecke der Welt, und die Atmosphäre ist einzigartig. Die Zuschauer haben einen ungeheuren Überblick über die Piste. Das gibt es nirgendwo sonst. Und für uns Fahrer ist es natürlich die Schwierigkeit des Kurses. Hausbergkante, Mausefalle. Das ist die ganz hohe Schule.

stern: Hatten Sie Angst vor der Streif?

Ferstl: Angst nicht direkt, aber gehörig viel Respekt. Den haben alle. Dort siegen nur Leute mit Erfahrung. Ein Nobody hat dort noch nicht gewonnen. Und wird das wohl auch nie.

stern: Ihre deutschen Nachfolger fahren wie die Nobodys - alle erbarmungswürdig hinterher. Jetzt bieten sogar die Österreicher Nachhilfe an. Ist das nicht furchtbar?

Ferstl: Was wir den Österreichern beim Fußball voraus haben, haben die uns eben im Ski voraus. Tja, aber ich weiß auch nicht, woran die Misere liegt. Wir waren vielleicht ein bisschen härter und hatten mehr Herz. Und vor allem: Wir haben uns alles erkämpfen müssen.

stern: Und dafür 300000 Mark Verdienstausfallentschädigung bekommen

Ferstl: ...halt, Moment, 30000 Mark gab's nur, wenn du ein Weltcuprennen gewonnen hattest. Und wenn du unter den ersten 25 warst, hast einen warmen Händedruck gekriegt, und dann hams dir gesagt: »Ja super, aber das ist ein bisschen wenig. Da musst schon noch was draufpacken.« Heute kannst du in einem Winter reich werden. Unsere Generation dagegen? Ich glaube, wir waren so was wie Versuchskaninchen. Die ganzen Sponsoren, der Presserummel, das kam alles viel später.

stern: Und neiden Sie das den heutigen Fahrern?

Ferstl: Ach was, warum auch? Die sollen ruhig ihr Geld verdienen. Aber die Leistung muss stimmen. Ich kann nicht zehn, zwölf Jahre Ski fahren, gutes Geld bekommen und nix bringen. Dann muss ich mich auch mal fragen: »Herrgott, was mache ich da eigentlich?« Rennfahrer-Herz ist gefragt. Das fehlt irgendwie.

stern: Immerhin hatten Sie früher doch bestimmt mehr Spaß.

Ferstl: Da bin ich sicher. Wir haben nach den Rennen erst mal gefeiert und uns entspannt. Das tut doch heute keiner mehr. Die sind viel zu verkrampft. Versteh ich nicht. Ich kann doch meinen Körper nicht laufend unter Strom halten. Das war wirklich anders bei uns ...

stern: Erzählen Sie doch mal.

Ferstl: Ich meine, es war 1976 in Val d'Isere. Da sind wir nachts um zehn vor dem Rennen zurück ins Hotel, und wer geht da gerade aus dem Haus? Der Schweizer Roland Collombin, Wir sagen zu ihm: »Ja, was machst denn du jetzt?« Sagt der: »Ich haue einen drauf.« Wir dachten natürlich: Den kannst morgen sauber vergessen. Und was macht der Collombin? Hängt uns am nächsten Morgen alle ab. Aber wie!

stern: Was haben Sie mitgenommen nach 14 Jahren Rennsport - außer Erinnerungen und Kreuzschmerzen?

Ferstl: Sicher zwickt der Rücken manchmal, aber sonst kann ich mich nicht beklagen. Mit meinem kleinen Fuhrbetrieb in Siegsdorf lass ich nichts anbrennen. Das passt schon.

stern: Und bei Ihnen heißt es: »Hier fährt der Chef selbst«?

Ferstl: Ich muss ja fahren. Wir sind nur fünf Mann. Aber es überrascht die Leute manchmal immer noch. Neulich erst sagt auf einer Baustelle der Bauherr zu mir: »Ja, schau an, der Herr Ferstl, Sie kommen ja selber.« Mich kennt halt jeder hier. Das ist ganz schön.

Interview: Michael Streck

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