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Interview Toxischen Beziehungen: Wie man Menschen los wird, die einem nicht guttun

Andrea Weidlich hat in ihrem Buch "Wie du Menschen loswirst, die dir nicht guttun, ohne sie umzubringen" toxische Beziehungen entschlüsselt
Andrea Weidlich hat in ihrem Buch "Wie du Menschen loswirst, die dir nicht guttun, ohne sie umzubringen" toxische Beziehungen entschlüsselt
© www.guschbaby.com
Fast jeder von uns hat sich schon einmal in einer toxischen Beziehung wiedergefunden – sagt zumindest Autorin Andrea Weidlich. In ihrem Buch "Wie du Menschen loswirst, die dir nicht guttun, ohne sie umzubringen" erklärt sie, wie es dazu kommt und was man dagegen tun kann. stern sprach mit der Autorin.

Toxische Beziehungen in ihrer extremsten Ausprägung sind gerade in allen Medien ein großes Thema. Nicht immer muss es so extrem sein, und trotzdem erleben die meisten Menschen mindestens eine toxische Verbindung in ihrem Alltag, die sich aus dem Arbeitsumfeld, in der Familie, in Freundschaften, Partnerschaften oder auch mit wildfremden Menschen und ihrer Meinung oder Kritik ergibt.

Aber wie werden wir diese Menschen los? Am besten ohne sie umzubringen, weil das schlecht fürs Karma wäre, sagt zumindest Andrea Weidlich, die in ihrem Buch "Wie du Menschen loswirst, die dir nicht guttun, ohne sie umzubringen" zeigt, wie wir uns aus dem negativen Zusammenspiel mit toxischen Menschen in unserem Alltag, der Familie, Arbeitskolleg:innen, Vorgesetzten, Freundschaften und anderen toxischen Verstrickungen lösen und uns davon befreien können. stern sprach mit der Autorin über ebendiese ungesunden Beziehungen. 

Frau Weidlich, wie entfernt man denn Leute aus seinem Leben, ohne sie umzubringen?

Zuerst mal ist es wichtig herauszufinden, ob es sich um eine toxische Beziehung handelt, denn vielen Menschen ist gar nicht bewusst, dass sie sich in toxischen Verbindungen befinden. Manchmal geschieht das auch ganz unbewusst. Es ist aber so, dass die meisten Menschen mindestens eine toxische Beziehung in ihrem Alltag erleben. Und das ist nicht nur in Partnerschaften so, sondern es kann sich auch um die Familie, Arbeitsverbindungen, Freundschaften oder ein damit verbundenes Gefühl handeln. Es gibt jedenfalls verschiedene Parameter, woran man messen kann, ob eine Verbindung toxisch ist.

Und welche Parameter wären das?

Toxisch ist eine Beziehung immer dann, wenn sie nicht auf Augenhöhe stattfindet, wenn Grenzen überschritten werden, seien sie verbal oder auch körperlich. Auch Schuldzuweisungen von seinem Gegenüber sind oft ein Zeichen, also immer das Gefühl zu bekommen, Schuld an allem zu haben. Manipulation und emotionale Erpressung spielen auch eine große Rolle, genau wie ein Verzerren der Realität. Das kennen wir unter dem Begriff "Gaslighting". Dieses "Du bildest dir das alles nur ein und das stimmt doch gar nicht", woraufhin man dann an der eigenen Wahrnehmung zweifelt. Und wenn es zur Abwertung der eigenen Person kommt und es sehr persönlich wird. Auch Machtverhältnisse können eine toxische Beziehung bestimmen, wenn zum Beispiel eine Abhängigkeit besteht. Das kann partnerschaftlich sein, aber eben auch im Job oder bei Freundschaften der Fall sein.

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Ok, dann habe ich nun festgestellt, dass ich mich in einer toxischen Verbindung befinde – wie werde ich die Person los?

Man muss sich erstmal bewusst machen: Warum lasse ich mir eigentlich so viel gefallen? Wichtig ist es, von der Opferrolle in eine Entscheiderrolle zu wechseln – und Dinge klar anzusprechen, für sich einzustehen, den eigenen Selbstwert zu stärken und sich aus Verstrickungen rauszunehmen. Im Buch gibt es dazu ein Kapitel, das heißt "Gordischer Knoten". Hier geht es darum, diese Verstrickung, die sich manchmal so eng und unlösbar anfühlt, zu lösen – selbst in der eigenen Familie, bei der das natürlich nicht so einfach ist.

Stichwort toxische Familie: Muss man sie zwangsläufig aus seinem Leben streichen?

Es ist prinzipiell möglich, aber natürlich schwieriger, sich von Familienmitgliedern zu lösen. Man muss sich auch nicht ganz lösen, sondern man kann lernen, Abstand zu nehmen oder sich gut abzugrenzen und aufhören, sich zu rechtfertigen. Dabei hilft es, sachlich zu bleiben, Lösungen anzubieten und die eigene Autonomie zu stärken.

Sind wir denn selbst schuld, wenn wir uns in einer toxischen Beziehung befinden?

Ich habe für mein Buch sehr viel recherchiert – sowohl im therapeutischen Bereich als auch über eigene Umfragen und alle Erkenntnisse fließen stark in mein Buch ein. Das Thema Schuld würde ich außen vor lassen, aber wir können lernen in die Verantwortung zu gehen. Eine toxische Verbindung ist es meist erst dann, wenn wir uns darauf einlassen, und wir dieses Spiel mitspielen. Es gibt auch einen Spruch im Buch, der lautet: "Du hörst auf zu verlieren, wenn du aufhörst mitzuspielen." Also nicht mehr auf die Spiele oder Mechanismen von toxischen Menschen einzugehen. Wenn man sich da abgrenzt und lernt, auch "Nein" zu sagen oder sich aus diesem Spiel herauszunehmen, dann kann man sogar mit toxischen Menschen umgehen, ohne dass sie einem schaden.

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Wird das Wort toxisch gerade inflationär verwendet?

Ja, das kann schon sein. Aber alles, was inflationär verwendet wird, ist ja auch irgendwie relevant. Genau so ist es auch beim Thema Selbstliebe, die kann auch schon kaum jemand mehr hören. Diese Begriffe werden inflationär verwendet, weil sie so wichtig sind, und weil sie viele Menschen betreffen. Nur weil etwas endlich an die Oberfläche gekommen ist und die Menschen beginnen, darüber nachzudenken und darüber zu reden, ist es nicht weniger wichtig. Es kann schon sein, dass es Menschen nervt, aber es ist tatsächlich ein sehr wichtiges Thema.

Warum veräppelt uns denn das Ego eigentlich so oft, wenn wir wissen, die Person tut uns eigentlich nicht gut, aber wir behalten sie trotzdem im Leben.

Da geht es oft um einen inneren Glaubenssatz. Am Ende meines Buches wird aufgeschlüsselt, welche inneren Glaubenssätze sich dahinter verbergen, dass wir uns Dinge gefallen lassen oder Menschen in unserem Leben lassen, die uns gar nicht guttun. Das ist genau dieser Ursprung, den wir uns ansehen sollten - woher kommt denn das Ganze? Es kann sein, dass das Gefühl "Ich bin nicht gut genug" oder "Ich habe eigentlich nichts Besseres verdient" dahintersteckt. Oder auch der Wunsch, jemanden überzeugen zu wollen, dass man eben doch gut genug ist. Hier kann ein mangelnder Selbstwert zugrunde liegen, Verlustangst oder die Angst vor Ablehnung. Wenn uns diese Angst so im Griff hat, dass wir uns viel zu viel gefallen lassen, statt dass wir sagen "So nicht!"

Gibt es denn so typische Red Flags? Gibt es da so ein Muster oder sind die am Ende für jeden irgendwie individuell?

Doch, es gibt eben diese Parameter, die ich am Anfang erwähnt habe. Man kann sie auch gerne Red Flags nennen. Zum Beispiel wenn eine Beziehung nicht auf Augenhöhe ist. Wir Menschen sind alle auf Augenhöhe. Niemand ist besser als andere. Warum auch? Es gibt auch keine Norm, wer besser wäre als jemand anderes. Hier sieht man schon: Okay, da stellt sich jemand selbst auf ein Podest oder wir stellen jemand anderen auf ein Podest. Das ist dann eine Red Flag. Sie zeigen sich dann in Form von Schuldzuweisungen oder Manipulation. Wenn man merkt, jemand manipuliert andere Menschen, um selbst zum Ziel zu kommen und man sich ständig rechtfertigen muss oder ständig unter Kritik steht. Denn wenn man Kritik erfährt, dann darf man sich auch fragen, ob dieser Mensch selbst eigentlich fehlerlos ist. Das ist niemand von uns. Wir alle haben Fehler. Und sobald jemand nur Kritik sucht, dann ist das meistens auch jemand, der mit sich selbst sehr hart ins Gericht geht. Das wiederum kommt auch von einem mangelnden Selbstwert. Aber das heißt noch lange nicht, dass wir es uns dann gefallen lassen müssen.

Sind wir denn alle schon mal selbst die toxische Person gewesen?

Ja, es kann auch sein, dass wir die Rollen wechseln. Mir schreiben beispielsweise sehr viele Menschen: "Oh je, ich glaube, ich bin toxisch oder ich war toxisch." Das zu erkennen, ist schon der erste Schritt. Man kann sich aber auch weiterentwickeln und wenn man etwas erkennt, dann gibt es auch die Chance, daraus zu lernen.

Was mache ich denn, wenn ich merke, dass ich selbst die toxische Person in der Beziehung bin?

Man sollte nicht die Verantwortung abgeben und sich fragen, was möchte ich denn jetzt anderes in meinem Leben und wie kann ich das ändern? In der Literatur werden toxische Menschen meistens als böse dargestellt, aber es gibt immer zwei Seiten. Und es gibt einen Ursprung. Das alles wollte ich in meinem Buch anhand von Geschichten und wahren Begebenheiten aufschlüsseln.

Kann man denn Freunde oder Familie aus einer toxischen Beziehung retten?

Wir wollen ganz oft andere retten. Besonders in Freundschaften, wenn wir sehen, jemand rennt gerade ins Unglück. Man denkt sich dann, man müsse der Person ganz einfach den Weg weisen. Man muss aber auch loslassen können, weil jeder in seinem Tempo lebt und auch in diesem Tempo lernt.

Eine persönliche Frage zum Schluss: Haben Sie denn im Zuge Ihrer Recherchen dann irgendwie auch Leute aus dem Leben entfernt oder hat Ihnen das Schreiben persönlich etwas gebracht?

Wenn man ein Buch schreibt, lernt man immer auch selbst sehr viel. Ich muss sagen, ich bin mittlerweile an einem Punkt, an dem ich keine toxischen Verbindungen mehr in meinem Leben habe. Es fällt mir aber viel schneller auf, wenn so etwas auftritt und ich erkenne es viel früher für mich. Und das ist genau das, was ich auch für meine Leserinnen und Leser wollte – dass man eine solche Verbindung schneller erkennt und hier schneller aussteigen kann.

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