Findige Hoteliers ersinnen im hart umkämpften Markt für Wohlfühlreisen immer neue, klangvolle Angebote. "Ägyptos Vitalwickel", "Edelstein-Wohlfühlbehandlungen" oder Bäder in der "Venus-Wanne" mögen zum Wohlbefinden beitragen - über tatsächliche Effekte lässt sich wenig Substanzielles sagen. Dass sie die Gesundheit stabilisieren, wird wohl niemand allen Ernstes annehmen. Anders bei "Medical Wellness" - zurzeit voll im Trend. Von Anwendungen, die unter diesem Namen firmieren, versprechen sich die Gäste langfristige, positive Auswirkungen auf ihre Gesundheit. Die Angebotspalette ist auch hier breit - aber nicht bei allen Methoden ist die Wirksamkeit wissenschaftlich belegt.
Arnd Schweitzer
Akupunktur
Gehört zur traditionellen chinesischen Medizin (s. u.). Dünne Nadeln sollen bestimmte Punkte der Haut stimulieren und den "blockierten Energiefluss" auf gedachten Körperlinien (Meridianen) regulieren. Nutzen: Sowohl echte als auch Schein-Akupunktur (Stechen an "falschen Punkten") helfen bei Rücken- und Knieschmerzen besser als die Standard-Schmerztherapie - bei diesen Krankheitsbildern ist Akupunktur daher verschreibungsfähig. Auch bei Nacken- und Zahnschmerzen oder nach Operationen und Chemotherapie ist die Wirksamkeit nachgewiesen. Risiko: gering; kann müde machen.
Ayurveda
Traditionelle indische Gesundheitslehre. Zur Behandlung gehören eine spezielle Ernährung, pflanzliche Medikamente, Reinigungsprozeduren (Erbrechen oder Einläufe), Massagen oder Güsse mit Ölen, Körper- und Atemübungen sowie Yoga. Nutzen: Einzelne Verfahren können wirksam sein, zum Bespiel die Arzneibehandlung bei Akne, Arthrose, Diabetes, Parkinson, rheumatoider Arthritis und Schlafstörungen. Risiko: Die Arzneien sind in Deutschland nicht zugelassen, auf ärztliche Verordnung kann sie aber eine Apotheke importieren. Sie können mit Schwermetallen belastet sein. Reinigungsprozeduren sind vor allem bei geschwächten Patienten nicht sinnvoll.
Balneo- und Hydrotherapie
Wasser, oft mit Zusätzen, wird als Trinkkur und zur Inhalation sowie in Form eiskalter und heißer Güsse und Bäder eingesetzt. Nutzen: Bei Schmerzen des unteren Rückens und bei rheumatoider Arthritis scheinen sich die Symptome zu bessern, allerdings sind bisherige Studien nur von geringer Qualität. Risiko: Zu starke Wärme- und Kältereize können den Kreislauf erheblich belasten.
Blutuntersuchungen (Hormone, Allergien, Immunstatus u. ä.)
Im Labor wird eine Vielzahl von Blutwerten bestimmt. Nutzen: Kann bei konkreten Hinweisen auf eine Krankheit sinnvoll sein. Ein "Rundumschlag" kann aber zu rein zufälligen Auffälligkeiten führen. Risiko: Die Suche nach Ursachen für einen auffälligen - aber meist harmlosen - Blutwert kann den Patienten stark belasten.
Check-ups
Widmen sich bestimmten Körperregionen oder -funktionen und bestehen aus ärztlichem Gespräch, körperlicher Untersuchung und Labor- oder Diagnostikmessungen wie EKG, Ultraschall, Blutuntersuchungen. Nutzen: Sinnvoll sind das Abfragen von Risikofaktoren und Empfehlungen, mit denen dauerhaft ein gesünderer Lebensstil erreicht werden kann. Ab dem 35. Lebensjahr ist ein so genannter Früherkennungs-Check-up auch auf Kosten der Krankenkasse möglich. Mit Hilfe von Medical-Wellness-Angeboten werden auch Arztmuffel erreicht, denen im Alltag Zeit oder Mut zu derartigen Untersuchungen fehlt. Risiko: meist gering.
Entspannungstechniken
Fasten
Verzicht auf feste Nahrung und Genussmittel für begrenzte Zeit; Nutzen: keine geeignete Methode, um abzunehmen, aber ein starker Reiz für das vegetative Nervensystem mit zahlreichen, kurzfristig positiven Effekten. Kann antidepressiv und antientzündlich wirken, das Magen-Darm-System beruhigen und den Kortisolspiegel normalisieren. Krankheiten wie eine rheumatoide Arthritis beeinflusst die Therapie allein nicht nachhaltig, ebenso wenig die Risikofaktoren von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Risiko: bei totalem Fasten erheblich; viel Flüssigkeit ist Pflicht, um schädliche Stoffwechselprodukte auszuscheiden.
Fußreflexzonenmassage
Basiert auf der Vorstellung, dass bestimmte Zonen der Fußsohlen bestimmten Organen zugeordnet sind, die sich durch gezieltes Massieren beeinflussen lassen. Nutzen: wirksam bei der symptomatischen Therapie der multiplen Sklerose; verkürzt zudem die Wehendauer. Bei anderen Erkrankungen gelang kein Nachweis. Risiko: gering.
Kneipp
Gesundheitskonzept des Pfarrers Sebastian Kneipp (1821-1897), bestehend aus fünf Elementen: Wasser (Waschungen, Güsse, Bäder), Ernährung, Kräuter, Bewegung und Lebensordnung. Nutzen: Jeder Aspekt kann für sich wirksam sein. Am häufigsten sind regelmäßige Wasseranwendungen, sie verbessern Beschwerden bei Krampfadern, kräftigen das Immunsystem und erhöhen die Lebensqualität von Patienten mit Herzschwäche. Risiko: gering.
Massage
Druck- und Zugreize durch Streichen, Kneten, Klopfen der Muskulatur, zum Teil mit Ultraschall oder Druckluft. Nutzen: reguliert nachweislich die Durchblutung und die Muskelspannung, normalisiert die Körpertemperatur, regt die Harnausscheidung an. Stresshormone im Blut sinken. Spezielle Griffe erleichtern das Atmen oder fördern den Fluss gestauter Lymphe. Eine Wirkung ist nachgewiesen bei Angstzuständen, Asthma, zur Vorbeugung von Wundliegen und Behandlung von Frühgeborenen. Risiko: sehr gering.
Nordic Walking
Rasches Gehen mit bewusstem Auftreten und Abrollen, parallel dazu werden Stöcke zum Abfedern eingesetzt. Nutzen: Es gibt Studien, die Vorteile bei dieser Technik erkennen. Im Gegensatz zum Joggen oder Walken wird die Muskulatur des Oberkörpers aktiv mittrainiert und die Atemhilfsmuskulatur unterstützt. Die Entlastung der Gelenke scheint aber geringer zu sein als ursprünglich angenommen. Risiko: relativ gering.
Programme für mehrere Tage (Anti-Stress, Fit für den Job u. ä.)
Kombination aus ärztlichem Gespräch, körperlicher Untersuchung und Labor- oder Diagnostikmessungen. Hinzu kommen Vorträge und Schulungen. Nutzen: Schulungsprogramme, bei denen vor allem Informationen vermittelt werden, sind möglicherweise nicht langfristig wirksam. Bei Exrauchern lässt sich der Rückfall nicht wirksam vorbeugen, und Herzkranke erleiden trotz Stresstrainings genauso oft einen Herzinfarkt. Risiken: gering.
Sauna/Dampfbad
Heißluftbäder, unterbrochen von kalten Güssen und Ruhephasen. Nutzen: Regelmäßige Saunagänge aktivieren das Immunsystem, trainieren das Herz-Kreislauf-System und erhöhen die Durchblutung der Haut. Langfristig können sie bei Hochdruckpatienten den Blutdruck senken, bei Herzschwäche die Herzfunktion stärken. Vorübergehend bessert sich die Lungenfunktion. Risiko: Nach kürzlich erlittenem Herzinfarkt oder bei instabiler Angina pectoris gefährlich. Alkoholgenuss während des Saunens kann zu niedrigem Blutdruck, Rhythmusstörungen oder selten zu plötzlichem Tod führen.
Traditionelle Chinesische Medizin (TCM)
Umfasst Diagnosetechniken und verschiedene Therapieformen mit chinesischen Arzneien, Akupunktur und Moxibustion (Wärme statt Nadeln), die Manual-Therapie Tuina, Ernährungsberatung und -therapie sowie Qigong und Tai-Chi. Nutzen: Zuverlässigkeit der diagnostischen Techniken ist nur unzureichend dokumentiert. Eine Wirksamkeit der Therapie ist nur für Kopfschmerzen wissenschaftlich belegt. Risiko: Chinesische Heilpflanzen sind teilweise stark wirksam und können unerwünschte Nebenwirkungen haben. Ungeprüfte Fertigarzneien können Schwermetalle, krebsfördernde Stoffe oder Pestizide sowie nicht deklarierte Medikamente wie Schmerzmittel oder Kortisone enthalten.