Der Eingang ist gepflastert mit Waagen, die unerbittlich ausschlagen, wenn der Besucher sie betritt. Doch er kann nicht anders: Um zur Ausstellung "Dangerous Beauty" (bis 21. April) im New Yorker Chelsea Art Museum zu gelangen, müssen die Gäste über ein Feld von Badezimmer-Waagen laufen und sehen sich zwangsläufig mit ihrem Gewicht konfrontiert. Nicht nur das Thema Körpermasse wird in dieser Schau kritisch unter die Lupe genommen, sondern auch das Schönheitsbild der westlichen Gesellschaft, ihr Streben nach haltbarer Jugend und der Einfluss der Modewelt.
Wie schlank ist zu schlank? Ab wann ist dünn nicht mehr ästhetisch, nicht mehr verantwortungsvoll? Die Diskussion um ausgemergelte Körper wurde losgetreten während der Frühjahrs/Sommer-Schauen 2006 in Madrid, wo die Veranstalter der "Pasarela Cibeles" Models mit einem Body-Mass-Index (BMI) von unter 18 ein Laufstegverbot erteilten. Dieser BMI bezeichnet das Verhältnis von Körpergewicht und Größe; die Weltgesundheitsorganisation markiert mit einem BMI von 18,5 bereits einen untergewichtigen Menschen. Dennoch folgten nur wenige andere Fashion Shows diesem Vorbild. Zwar werden krank aussehen Mädchen weithin als unbrauchbar gebrandmarkt, ihnen deshalb aber die Mitarbeit zu untersagen, wagt kaum einer. Auch die Veranstalter der New Yorker Fashion Week sorgten sich zwar, zu einem Mindest-BMI konnten sie sich nicht durchringen.
An Tieren versuchen, was Menschen verschönert
Stattdessen nimmt sich nun das Chelsea Art Museum dieses Themas an. Der "Mythos Schönheit" in der Kunst, Werbung und Mode wird untersucht. Doch zu sehen sind nicht nur vermeintlich makellose Mädchen, sondern auch muskulös aufgeblasene Männerkörper und plastisch verformte Alte. Sie alle sollen daran erinnern, was Menschen auf sich nehmen, um einem Schönheitsideal zu entsprechen. Die Tatsache, wie sehr Konsumenten sich bereits an künstliche Schönheiten gewöhnt haben, zeigt Micha Klein in seinen Bildern. Dass Gewalt um der Schönheit willen nicht nur dem eigenen Körper zugefügt wird, wie auf den Schönheits-OP-Bildern von Martin C. DeWaal, zeigt die Künstlerin Patricia Piccinini: Ihr Aktmodel ist umgeben von genetisch veränderten weißen Mäusen, denen menschliche Ohren auf dem Rücken - ein Hinweis auf Tierversuche zugunsten menschlicher Ästhetik.
Ganz so radikal wollte sich das Council of Fashion Designers of America (CFDA) nicht mit dem Schönheits- und Schlankheitsbegriff befassen. Die Versammlung von 280 einflussreichen US-Modemachern mit Diane von Fürstenberg an der Spitze tagte zwar vor Beginn der New Yorker Modewoche, aber außer einer "Gesundheits-Initiative" kam nicht viel dabei heraus. Nun verordnen Richtlinien magersüchtigen Models Workshops über die Gefahren des Hungerns und halten die Designer an, genug Knabbereien hinter die Bühne zu stellen. Ob das am verordneten Schönheitsideal von Gesellschaft und Designern rüttelt, darf bezweifelt werden.