Designer Kreatives Doppelpack

Zwei Niederländer haben das Unmögliche geschafft und Spaß in die zu oft ironiefreie Haute Couture gebracht. Die Modewelt entzückt sich am Paarlauf der Designer Viktor & Rolf.

Sitzen da Gilbert und George? Siegfried und Roy? Oder doch Ernie und Bert? Was für doofe Fragen, meint Rolf. "Wir sind einfach wir." Rolf ist der, der sanfter aussieht. "Wir sind Viktor und Rolf", sagt Viktor. Er ist der Kantigere. Was die beiden sagen wollen: Wir sind nicht bloß ein ulkiges Doppelpack aus dem Modezirkus, wir sind auch Künstler. Was sie auf fulminante Weise ihren rund tausend Zuschauern beweisen wollen.

Die beiden Holländer präsentieren ihre neue Kollektion in einem Zelt in den Pariser Tuilerien. Mit einem Spektakel: 50 Fürstinnen der Düsternis marschieren über den Laufsteg, vermummt, Sadomasoschwestern ganz in Schwarz, und plötzlich - Bumm! Puff! Kanonenschuss und Schwefelrauch! Der Nebel verzieht sich, die Welt steht in Blüten da: 50 Elfen tänzeln im Blumenlook über den Laufsteg und feiern ein rosarotes Fest des Friedens. Das Publikum rast, die Präsentation des Parfums "Flowerbomb" ist gelungen. So etwas ward hier zuletzt 1990 gesehen, als Christian Lacroix in der Opéra Comique einen Trupp Tanzbären aufbot, um sein Parfum "C'est La Vie!" zu lancieren.

Es kommt eben nicht alle Tage vor, dass der französische Kosmetikgigant L'Oréal sich eines Modemachers annimmt, um für dessen Label ein passendes Parfum zu erschaffen und zu vermarkten. Der Letzte, dem diese Ehre zuteil wurde, war Giorgio Armani - vor 19 Jahren. Und weil der weltgrößte Kosmetikkonzern weder halbe Sachen noch leicht flüchtige Düftchen macht, spendierte er den beiden Designern eine bombige Schau. "Flowerbomb", das sind "1000 Blumen in einer Flasche", sagt Rolf später. Der Duft soll "die Kraft symbolisieren, die alles in etwas Positives und Schönes zu verwandeln vermag", sagt Viktor. Derlei ist nur schwer zu demonstrieren, trotzdem pumpt er gleich mal einen kleinen Sprühnebel aus dem Flakon. "Mode hat mit Träumen zu tun, und Parfum ist ein Traum in der Flasche", sagt Rolf. Die wurde dem Thema entsprechend in Form einer Handgranate gestaltet.

Der Griff zum Abstrakten

und dessen Transport in die Mode - das ist die Spezialität der beiden Niederländer, seit sie 1998 Spaß in die zu oft ironiefreie Haute Couture brachten. Sie zeigten Abendkleider in ausladender Pilzform, eine "Matroschka"-Kollektion, deren einziges Model als "Puppe in der Puppe" mit etlichen Kleiderschichten gewandet war, sie tauften ihre Kollektionen "Schwarzes Loch" oder "Lang lebe das Immaterielle!".

In der Öffentlichkeit treten die beiden Mittdreißiger ausschließlich als Tandem auf, Rolf sitzt fast immer zur Rechten von Viktor (weil Rolf auf dem rechten Ohr taub ist), ihre Interviews sind ein verbales Synchronschwimmen. Klar, dass die internationale Modeszene, die sich so sehnlich wünscht, mehr Kunst und weniger Kommerz zu sein, die Absolventen der Arnheimer Kunstakademie in ihr Herz schloss. Tragbar waren deren Kleider lange Zeit nicht. Ihren Unterhalt verdienten sich die beiden Männer nicht mit Hilfe reicher Kundinnen, sondern durch die Stipendien einiger Museen, die sich Kostümsammlungen zulegten.

Und wie wird man Viktor und Rolf? "Man wächst in den Vororten Eindhovens auf", sagt Rolf. "Wo das Leben so langweilig ist, dass die Glamourwelt zum einzigen Ausweg wird", sagt Viktor. Ihre modische Erstausbildung übernahm die ARD-Moderatorin Antonia Hilke - deren Magazin "Neues vom Kleidermarkt" übermittelte Trends aus Paris und Mailand bis in die niederländische Provinz. Seit sie sich 1988 auf der Modeschule begegneten, hegen sie ihre Träume gemeinsam. Ein Liebespaar sind Viktor und Rolf nicht, aber doch einander so eng verbunden, dass etwaige Partner jede Menge Beziehungsstress durchzustehen haben. "Wer mit uns lebt, muss akzeptieren, dass wir auf gewisse Weise miteinander verheiratet sind", sagt Rolf.

Auf dem Höhepunkt ihres komischen Ruhmes wechselten sie plötzlich ins ernste Fach, schließlich möchte sich jeder Künstler für seine Originalität auch mal etwas kaufen können. "Man schickt seine Ideen in die Welt hinaus, die Leute schreiben darüber, man erntet Beifall. Dann passiert nichts weiter", sagt Rolf. "Es war also an der Zeit, an ein paar verkäuflichen Produkten zu arbeiten", sagt Viktor. Der Sprung von der Konzeptkunst in die Kommerzmode gelang dem Duo 2000 mit seiner Prêt-à-Porter-Linie. Und nachdem auch Accessoires und eine Männerkollektion dazugekommen waren, hatten sie noch eine Duftlizenz zu vergeben. Sie schickten ein Video an die Pariser L'Oréal-Zentrale. Sie priesen sich und ihr Werk in einem dreiminütigen Filmchen an, das mit einer Botschaft in Anlehnung an ein bekanntes L'Oréal-Motto endet: "Because we're worth it" - Weil wir es wert sind, soll heißen: Über das Image unseres Labels lässt sich eine Menge Luxusparfum verkaufen. So viel Selbstbewusstsein imponierte den Lenkern des Konzerns.

In dessen Portfolio (Lancôme, Armani, Biotherm, Helena Rubinstein, Ralph Lauren) gelten Viktor & Rolf als Zukunftsinvestition. "Wir wollen keine Nischenparfums", erklärt Parfumchefin Patricia Turck-Paquelier. "Kleine Sachen reizen uns nicht." Branchenkenner schätzen, dass "Flowerbomb" im ersten Jahr 15 Millionen Dollar Umsatz machen wird. Das ist ganz ordentlich, aber keinesfalls sensationell. Doch schließlich hatten Viktor & Rolf bereits in ihren antikommerziellsten Zeiten ein Näschen für den Umgang mit Duftwässern unter Beweis gestellt. À la Marcel Duchamp brachten sie 1997 die limitierte Ausgabe eines Parfums heraus: Es waren Flakons, die, obwohl sie nicht geöffnet werden konnten, zum stolzen Preis von 250 Francs (etwa 40 Euro) angeboten wurden. Der Coup gelang, alle Flaschen wurden verkauft.

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Dirk van Versendaal

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