Outdoormode High Noon in Mountain Beach

Liebe, Feindschaft und Lawinen: Joseph Vilsmaiers neuer Film "Bergkristall" erzählt vom Kampf des Menschen mit sich und den Naturgewalten. Genau die richtige Kulisse für die neue Outdoormode - von den Hauptdarstellern inszeniert für den stern.

Rund 20 Meter Klamotten an der Stange schreitet er ab, der Max Tidof, bekannt aus Film und Fernsehen. Im Mund eine Zigarette, eine von schätzungsweise 50 am Tag, in der Hand ein Glas Bier. Links neben ihm seine kleine Frau, die Lisa Seitz, rechts sein großer Hund, ein Husky. Prüfend zupft Tidof an einem Strickpullover in Orange, nimmt eine neonfarbene Hose von der Stange, probiert dann eine dunkelgrün changierende Daunenjacke an und mault: "Wie, das soll Wandermode sein? Die hab ich mir irgendwie anders vorgestellt."

Wahrscheinlich genauso, wie sich die meisten Menschen Bekleidung zum Bergwandern vorstellen: müffelnde Wollsocken, seit Generationen vererbte Kniebundhosen und Bergschuhe, in die schon der Großvater gepinkelt hat, damit sie - alter Soldatentrick - nicht mehr ganz so bretthart sind. Dazu kratzige Wollpullover, derbe Karohemden und Halstücher in Rot oder Grün mit Edelweißmotiven. So sind sie halt gekleidet, denkt man sich, die geselligen Reisegruppen aus Idar-Oberstein, die "Das Wandern ist des Müllers Lust" schmettern und jedes Etappenziel mit einer kleinen silbernen Plakette auf ihrem Wanderstock dokumentieren.

Ein völlig falsches Bild: Seit immer mehr Deutsche einen Urlaub in der Heimat den exotischen Fernzielen vorziehen, ist Wandern zum neuen deutschen Trendsport geworden: 34 Millionen tun es, fast vier Millionen mehr als noch im vergangenen Jahr. Wer sich nicht als völlig gestrig outen will, sagt natürlich nicht mehr wandern, sondern spricht von Trekking, Hiking oder Nordic Walking (Wandern mit zwei Stöcken). Und zieht statt muffiger Wanderkluft schicke Outdoormode an. 745 Millionen Euro geben die Deutschen jährlich dafür aus. Das sind 85 Cent pro gelaufenem Kilometer. Für den schwarzen Mantel von Yohji Yamamoto, an dem Max Tidof dann schließlich doch noch Gefallen gefunden hat, müsste er also 2705 Kilometer weit gehen.

Die kleine Modenschau im Sporthotel Silvretta Nova im Vorarlberger Gaschurn ist eine willkommene Abwechslung für die Schauspieler. Bis vor wenigen Stunden noch standen sie in Kostümen aus dem 19. Jahrhundert vor der Kamera. Der Regisseur Joseph Vilsmaier hat mit ihnen den Film "Bergkristall" (Kinostart ist am 18. November) gedreht, eine düstere Familiensaga nach einer Novelle von Adalbert Stifter aus dem Jahre 1845. Jetzt schaut auch "der Sepp" mal vorbei, sagt kurz "Grüß Gott" und verschwindet wieder. Nach Mode steht ihm derzeit nicht der Sinn: Am Abend steigt seine große Abschlussfeier im Freizeitpark Mountain Beach. Und wer den Sepp kennt, weiß: Seine Feiern sind wie große Familienfeste - nur ohne Streit. Da werden Geschenke verteilt, rührende Reden gehalten, und zum Schluss haben alle Tränen in den Augen.

Bei dem Niederbayern Vilsmaier werden sogar hartgesottene Ruhrpottler wie Jürgen Schornagel ("Comedian Harmonists", "Das Wunder von Lengede") sentimental: "Ich hab ja schon mit vielen gedreht, aber bei keinem hab ich mich so wohl gefühlt. Der Sepp, der liebt seine Schauspieler einfach."

Und weil solche Feste nicht nur schön, sondern immer auch lang sind, galt für die Fotoproduktion am nächsten Tag: Vormittags läuft gar nichts. Nur Ulrike Beimpold, die steht schon um neun Uhr auf der Matte. Die 40-Jährige, seit 25 Jahren Schauspielerin am Wiener Burgtheater, ist jederzeit fit für die Fahrt ins Valschavieltal, 1700 Meter über dem Meerespiegel. Hier oben hat der Vilsmaier große Teile des "Bergkristall" gedreht und dafür kurzerhand die malerischen Berghütten auf alt getrimmt: Er entfernte die modernen Fenster, Antennen und Solaranlagen auf den Dächern und ließ mitten im Dörfchen eine kleine Kapelle mit Friedhof errichten.

Gegen Mittag trudelt auch der Rest der Truppe ein. Vilsmaier als Letzter. Er hat erst im Morgengrauen ins Bett gefunden. Etwas unlustig begutachtet er die gefütterten Jacken und dicken Norwegerpullover. Auch Jürgen Schornagel ist skeptisch. "Mein Vater hatte immer diese beigefarbenen Strickjacken an", erklärt er. "Das hat mich traumatisiert. Darum trag ich seit ewigen Zeiten nur Schwarz." Die Jacke mit Fellkapuze von Ferragamo gefällt dem 65-Jährigen aber dann doch ganz gut: "Ich bin ja schon ein eitler Fatzke, irgendwo."

Neben den klassischen Sportbekleidungsherstellern

wie Schöffel, Salewa oder Lowa setzen zunehmend auch große Designerlabels auf Outdoormode. Sogar Karl Lagerfeld hat kürzlich in Zusammenarbeit mit dem Wanderausrüster Napapijri Parkas entworfen. In eines von diesen Edelstücken, ein geblümtes Kleid von Sportmax, hat sich Dana Vávrová verliebt.

Seit ihr Mann, der Vilsmaier, mit der Filmcrew für seinen Dreh in die schönsten Alpenlandschaften Österreichs fuhr, ist die gebürtige Pragerin vom Wandervirus infiziert. Genau wie ihre Tochter Josefina, 11, die am Tag zuvor die hinreißenden Bergstiefel von Meindl geschenkt bekam. Den Sepp, den zieht's schon wieder weg. Weg von den Fotos, hin zur urigen Hütte von Heinrich Sandrell.

Der war 20 Jahre lang Bürgermeister

von Gaschurn, und seit der Vilsmaier hier vor zehn Jahren seine Buchverfilmung "Schlafes Bruder" gedreht hat, verbindet die beiden eine tiefe Freundschaft - zueinander, zur Natur und zum Meisterwurz. Ein Kräuterschnaps, den Dorfpfarrer Jo nebenbei noch braut. Den müssen zum Schluss natürlich alle trinken. Weil er ja so gut gegen Kopfschmerz wirke und gegen allerlei Frauenleid. Vor allem aber sorgt er dafür, dass später keiner mehr stehen kann und laufen schon gar nicht. Nicht mal in Wanderschuhen.

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Christine Mortag

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